European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00057.9400000.0526.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Johann S* der Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (1.) und des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB (4.) sowie der Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB (2.), der Zuhälterei nach § 216 Abs. 1 StGB (3.) und der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs. 1 StGB (5.) schuldig erkannt.
Darnach hat er
zu 1.: am 24.September 1993 in Wald‑Königsleiten einen Barbetrag von 800 S Verantwortlichen des Fremdenverkehrsvereins Wald‑Königsleiten nach Aufzwängen eines Fensters mit einem Schraubenzieher, sohin durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
zu 2.: am 1.April 1993 in Innsbruck vor dem Landesgericht Innsbruck in der Strafsache gegen Zoran V*, AZ 34 Vr 591/93 (später 39 Vr 419/93) als Zeuge bei der förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung, er sei in der Nacht vom 14. auf den 15.Februar 1993 mit Zoran V*, seiner und deren Freundin unterwegs gewesen und hätte mit V* zwischen 2 Uhr und 2,30 Uhr das Lokal "Q*" verlassen, falsch ausgesagt,
zu 3.: in der Zeit zwischen Dezember 1992 bis November 1993 in Innsbruck mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Karin G* eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese ausgenützt, indem er von ihr täglich 1.000 bis 1.500 S des Schandlohns in Empfang genommen hat,
zu 4.: in Innsbruck mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Beamte des Sozialamtes der Stadt Innsbruck und der Landesregierung von Tirol durch Täuschung über Tatsachen, nämlich der Vorspiegelung der Einkommenslosigkeit und durch Verschweigen der Einkünfte laut Punkt 3. des Schuldspruchs sowie durch Vorspiegelung, er wohne alleine in der Wohnung, zu wiederholten Auszahlungen und sohin zu Handlungen verleitet, welche diese im Vermögen schädigten, und zwar
a) im Zeitraum von Dezember 1992 bis November 1993 durch Auszahlung von Geldern aus der Sozialhilfe für Lebensunterhalt, Bekleidung, Miete etc in der Höhe von zumindest 96.626 S,
b) im Zeitraum von Dezember 1992 bis Juli 1993 durch Auszahlung von Mietzinsbeihilfen von monatlich 1.490 S, sohin 11.920 S,
zu 5.: am 1.April 1993 in Innsbruck Zoran V*, der Einbruchsdiebstähle, mithin mit Strafe bedrohte Handlungen begangen hat, durch die in Punkt 2. des Schuldspruches geschilderte falsche Beweisaussage der Verfolgung absichtlich zu entziehen versucht.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Z 3, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird.
Den erstbezeichnete Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer darin, daß zur Begründung der Schuldspruchfakten 3. und 4. die Aussage der Zeugin Karin G* herangezogen wurde, die seine Lebensgefährtin sei, woran sich durch seine Verhaftung nichts geändert habe, und die ‑ ohne über das ihr nach § 152 Abs 1 und 2 StPO zustehende Entschlagungsrecht belehrt worden zu sein ‑ über ihre Tätigkeit als Prostituierte sowie über den Umstand, daß der Angeklagte trotz regelmäßiger Einkünfte aus ihrem Schandlohn Sozialhilfe bezog, und über die Ausübung der Prostitution (auch) in der Wohnung des Angeklagten befragt wurde.
Bei diesen Ausführungen übergeht der Beschwerdeführer die wiederholten Bekundungen der Zeugin G*, daß sie seit Oktober 1993 nicht mehr mit ihm zusammenlebe (S 329/I, 29/II), sowie weiters, daß er selbst erklärt hatte, seit Anfang November 1993 "nicht mehr mit der G* zusammen" zu sein (S 447/I). Daß diese im wesentlichen übereinstimmenden Angaben ‑ der genaue Zeitpunkt der Auflösung der Lebensgemeinschaft ist unerheblich ‑ nicht zutreffen sollten, wird in der Beschwerde nicht dargetan.
Da somit die Lebensgemeinschaft bereits Monate vor der Verhaftung des Angeklagten aufgelöst worden war, kam der Zeugin ein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO nicht zu.
Sie hatte aber auch kein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO hinsichtlich der den Schuldspruchfakten 3. und 4. zugrundeliegenden Sachverhalte. Als Tatopfer der Ausnützung ihrer gewerbsmäßigen Unzucht war sie selbstverständlich keiner strafgerichtlichen Verfolgung ausgesetzt ‑ auf eine allfällige verwaltungsbehördliche Verfolgung stellt § 152 Abs 1 Z 1 StPO nicht ab ‑, und dem Akteninhalt sind auch keinerlei Anhaltspunkte für eine allfällige Beteiligung an der Betrugstat des Angeklagten gegenüber dem Sozialamt der Stadt Innsbruck zu entnehmen. Der Beschwerdeführer vermag demnach auch nicht aufzuzeigen, welcher Art die strafgerichtliche Verfolgung der Zeugin denn sein sollte oder welches Strafverfahren gegen die Zeugin geführt worden wäre.
Zu dem ‑ getrennt behandelbaren (§ 152 Abs 4 letzter Satz StPO) ‑ dem Schuldspruchfaktum 2. zugrunde liegenden Sachverhalt wurde die Zeugin über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO belehrt und nahm es auch in Anspruch (S 35/II).
Die Vorschrift des § 152 StPO wurde demnach in keinem Punkt verletzt.
Daß die Zeugin im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Schanddirne allenfalls eine Aussage unter Berufung auf § 153 Abs 1 StPO hätte verweigern können, worüber sie zwar vom Untersuchungsrichter belehrt wurde, nicht aber in der Hauptverhandlung, kann auf sich beruhen, weil ein derartiges Unterbleiben nicht von den in § 281 Abs 1 Z 3 StPO taxativ aufgezählten Nichtigkeiten umfaßt ist und in der Hauptverhandlung keine diesen Umstand aufgreifende Antragstellung auf Vorhalt der Bestimmung des § 153 Abs 1 StPO oder ein Widerspruch des Beschwerdeführers gegen die Vernehmung ohne einen solchen Vorhalt erfolgte (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO).
Mit der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Angeklagte zum Urteilsfaktum 1., daß der Schuldspruch lediglich deshalb erfolgt sei, weil in der Wohnung des Beschwerdeführers Schuhe sichergestellt worden seien, deren Sohlenmaße mit den Schuhabdrücken, die nach dem Einbruchsdiebstahl in W* vorgefunden worden sind, übereinstimmten; Zoran V* habe erklärt, es sei möglich, daß er diese Schuhe des Angeklagten getragen habe; auf Frage, ob er diese Schuhe des Beschwerdeführers tatsächlich getragen habe, habe sich V* der Aussage entschlagen, woraus sich ein Schluß auf dessen Täterschaft ergebe. Daß der Angeklagte in Gesellschaft des Zoran V* und des Gerhard (richtig: Egon) H* in einem Auto gesehen worden sei, das vor einem Reisebüro vorbeigefahren sei, und daß deswegen darauf zu schließen sei, daß der Beschwerdeführer Interesse an Einbruchsdiebstählen in Fremdenverkehrsbüros oder Reisebüros gehabt hätte, entbehre jeglicher Grundlage und sei aktenwidrig. Auch eine acht Jahre zurückliegende strafbare Handlung des Angeklagten, die ein Reisebüro betroffen habe, sei kein Indiz für seine Täterschaft.
Dieses Beschwerdevorbringen ist nicht aktengetreu. Das Erstgericht hat nämlich die Täterschaft des Beschwerdeführers im Diebstahlsfaktum keineswegs lediglich auf die Tatsache gegründet, daß die in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Schuhe mit jenen übereinstimmten, die am Tatort die als Beweismittel gesicherten Abdrücke hinterlassen haben, sondern auch aus der wechselnden Verantwortung des Beschwerdeführers abgeleitet, der zunächst bekundete, die erst etwa vor zehn Tagen gekauften Schuhe sicherlich niemandem geliehen zu haben, was von der Zeugin G* sinngemäß bestätigt worden ist, später aber die Möglichkeit einräumte, die Schuhe doch verliehen zu haben, weiters, daß der Angeklagte in Frage stellte, ob die sichergestellten Schuhe überhaupt die seinen oder ihm unterschoben worden seien, und schließlich auf die durch das Beweisverfahren widerlegte Behauptung, er sei innerhalb des letzten Jahres nie mit dem Zeugen H* außerhalb Tirols gewesen, obwohl er zehn Tage vor dem Einbruchsdiebstahl sehr wohl mit H* im Bundesland Salzburg gewesen sei. Im übrigen aber ist das Beschwerdevorbringen zum Diebstahlsvorwurf lediglich ein unzulässiger Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung, ohne daß formale Begründungsmängel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO aufgezeigt werden.
Entschieden entgegenzutreten ist in diesem Zusammenhang der aus der Tatsache der (zulässigen) Inanspruchnahme eines Entschlagungsrechtes gezogenen Schlußfolgerung des Beschwerdeführers in beweismäßiger Hinsicht. Der erwähnte prozessuale Umstand ist ‑ gesicherter Judikatur zufolge ‑ kein Beweisumstand, und zwar weder für, noch gegen einen Angeklagten (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 258 E 110, 111, § 281 Z 5 E 169; SSt 50/55; RZ 1986/63; 15 Os 5/91; 15 Os 71,72/91; 14 Os 39/91; 15 Os 122,149/88 uam).
Indem der Beschwerdeführer zu den Punkten 3. und 4. des Urteilssatzes vorbringt, die betreffenden Schuldsprüche seien lediglich durch Hypothesen begründet, die das Erstgericht durch Beiziehung widersprüchlicher Vernehmungsprotokolle konstruiert habe, die durchwegs zum Nachteil des Angeklagten beurteilt würden, ohne aufzuzeigen, daß in den entscheidenden Aussagen der betroffenen Personen klar und deutlich verneint wird, daß er von der Zeugin G* regelmäßig Zahlungen erhalten hätte, er selbst habe lediglich einmal, und zwar anläßlich seiner Einvernahme vor dem Landesgendarmeriekommando für Tirol am 7.Oktober 1993 behauptet, daß er es nicht notwendig habe, Einbrüche zu verüben, weil seine Freundin Karin G* für ihn und für seinen Lebensunterhalt in Innsbruck auf den Strich gehe und er von ihr täglich 2.000 S bekomme, er habe aber sofort nach seiner Entlassung aus dem stundenlang dauernden Verhör durch die Gendarmerie die Erklärung abgegeben, daß er diese Aussage lediglich deswegen gemacht habe, damit er endlich Ruhe vor den ständigen Attacken der Gendarmeriebeamten hätte, die ihm unterstellen wollten, daß er gemeinsam mit V* und H* Einbruchsdiebstähle begangen hätte, in allen weiteren Aussagen vor den Behörden und vor Gericht habe er immer wieder diese Angaben wiederholt, und weiters behauptet wird, auch die Zeugin G* habe deutlich und klar angegeben, daß sie dem Beschwerdeführer kein Geld gebe, sondern lediglich bei gemeinsamen Abenden die Kosten bestreite, bekämpft er abermals bloß nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässigen Schuldberufung die überaus ausführliche und den Denkgesetzen entsprechende tatrichterliche Beweiswürdigung (US 20 ff), ohne formale Begründungsmängel aufzuzeigen.
Das Vorbringen zu den Schuldsprüchen wegen falscher Beweisaussage und versuchter Begünstigung (Punkte 2. und 5. des Urteilsspruches) erschöpft sich in einer Wiederholung der als unglaubwürdig verworfenen Verantwortung des Angeklagten, daß nämlich die Falschaussage auf einem Irrtum seinerseits beruhe und demnach nicht vorsätzlich erfolgt sei, weshalb auch von (vorsätzlicher) versuchter Begünstigung keine Rede sein könne. Hierauf genügt die Erwiderung, daß das Schöffengericht sich ausführlich mit der ‑ für unglaubwürdig erachteten ‑ Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat (US 25‑28), sodaß auch insofern das Beschwerdevorbringen keinen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen vermag.
Der lediglich nominell erwähnte Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gelangt nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil in der Rechtsmittelschrift weder deutlich, noch bestimmt dargetan wird, inwieweit sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) läßt ebenfalls eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie nicht ‑ was Voraussetzung für die gesetzmäßige Dartuung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes wäre ‑ den gesamten Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.
Der Angeklagte vermeint nämlich zum Betrugsvorwurf, er hätte nach dem Dezember 1992 beim Sozialamt lediglich Formulare ausgefüllt, die bloß formell die Weiterstellung des Antrags darstellten, ohne irgendwelche konkrete Behauptungen aufzustellen; die Unterlassung der Bekanntgabe von Änderungen der Verhältnisse stelle noch keine strafrechtlich relevante Täuschungshandlung dar; er sei nach dem Dezember 1992 nicht mehr befragt worden, ob er keine Einkünfte habe, er sei lediglich verhalten worden, das behördliche Formular neuerlich zu unterfertigen; er sei nur dahin befragt worden, ob er sich nach wie vor allein in seiner Wohnung befände, diese Antwort sei aber weder für die Gewährung von Sozialhilfe, noch von Mietzinsbeihilfe relevant.
Dabei übergeht der Angeklagte jedoch die Urteilsfeststellung, daß er schon anläßlich seiner Erstantragstellung am 29.Juli 1990 über die Bestimmung des § 23 TSHG belehrt wurde (US 8), nach welcher der Empfänger der Sozialhilfe jede Änderung in den für die Weitergewährung maßgebenden Umstände anzuzeigen hat, sowie die Konstatierung, daß er als Zuhälter über Einnahmen von ca 20.000 S monatlich verfügte und ihm, hätte er wahrheitsgemäß dieses Einkommen bei der Antragstellung auf Gewährung von Sozialhilfe und Mietzinsbeihilfe angegeben, weder die eine, noch die andere Sozialleistung zugekommen wäre (US 24). Überdies negiert der Beschwerdeführer, daß er (in Kenntnis der Bestimmung des § 23 TSHG - vgl US 8, 10) seine Anträge stets unter ausdrücklicher Berufung auf unveränderte (unwahre) Verhältnisse gestellt hat (US 12).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).
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