European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:009OBA00006.940.0525.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 22.791,12 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 3.798,52 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit Urteil des Erstgerichtes vom 25. November 1992, 24 Cgs 48/91 (und verbundene Rechtssachen), wurde die beklagte Partei schuldig erkannt, es zu unterlassen, die Beklagten an der Ausübung ihrer Tätigkeit als Mitglieder des Arbeiterbetriebsrates des Betriebes der Druckerei in 1210 Wien, Ignaz‑Köck‑Straße 17 zu hindern und den Beklagten insbesondere das Betreten des Betriebes zu gestatten. Festgestellt wurde, daß die Arbeitsverhältnisse der Beklagten (dieses Verfahrens) zur klagenden Partei aufrecht bestehen. Weiters wurde die klagende Partei in diesem Urteil schuldig erkannt, ausgehend vom weiteren aufrechten Bestand der Dienstverhältnisse, den Beklagten binnen 14 Tagen die rückständigen Entgelte zu zahlen; diese Zahlungsverpflichtung ist nicht von einer Gegenleistung der Beklagten abhängig. Das Urteil wurde den Parteienvertretern am 1. Dezember 1992 zugestellt. Es erwuchs inzwischen in Rechtskraft (Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 21. Juli 1993, 31 Ra 32/93‑35, Urteil des Obersten Gerichtshofes als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 1994, 9 ObA 311 ‑ 338/93).
Die klagende Partei forderte die Beklagten nach Zustellung des erstgerichtlichen Urteiles wiederholt zum Dienstantritt auf, weil dieses davon ausgehe, daß die Beklagten weiter Dienstnehmer seien. Am 11. Dezember 1992 teilte der Beklagtenvertreter dem Klagevertreter mit, daß die Beklagten nicht bereit seien, mit ihrer Arbeitsleistung in Vorlage zu treten. Die klagende Partei schulde ihnen das mit Urteil zugesprochene rückständige Entgelt; solange die (dort) beklagte Partei mit der Entgeltleistung in Verzug sei, bestehe keine Arbeitsverpflichtung. Die klagende Partei bot den Beklagten die Nachzahlung der aufgrund des erstgerichtlichen Urteiles geschuldeten Beträge an, allerdings nur Zug um Zug gegen Antritt der Arbeit und vorbehaltlich einer Rückzahlung nach § 61 Abs 2 ASGG. Die Beklagten haben bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (dieses Verfahrens) die Arbeit nicht angetreten. Die klagende Partei hat bis zu diesem Zeitpunkt die aufgrund des erstgerichtlichen Urteils zu 24 Cgs 48/91 geschuldeten Beträge nicht nachgezahlt. Der Erstbeklagte und der Drittbeklagte üben mittlerweile eine andere Tätigkeit aus, die sie zur Zeit nicht beenden können, ohne die nachteiligen Folgen eines ungerechtfertigten vorzeitigen Austritts in Kauf nehmen zu müssen.
Die klagende Partei begehrt die Zustimmung zur Entlassung, in eventu zur Kündigung des Erst‑ und Drittbeklagten sowie zur Kündigung des Zweit‑ und Viertbeklagten. Die Beklagten verweigerten jede Arbeitsleistung, so daß der Kündigungsgrund des § 121 Z 3 ArbVG gegeben sei. Der Erst‑ und Drittbeklagte seien in anderen Druckereien beschäftigt und weigerten sich, diese der klagenden Partei abträgliche Nebenbeschäftigung aufzugeben, so daß der Entlassungsgrund nach § 122 Abs 1 Z 4 ArbVG erfüllt sei. Die klagende Partei habe den Beklagten die Zahlung der mit Urteil vom 25. November 1992 zuerkannten Beträge Zug um Zug gegen Arbeitsantritt angeboten. Die Beklagten wollten aber im Unternehmen der klagenden Partei ausschließlich Betriebsratstätigkeiten verrichten, jedoch keine Arbeitsleistungen erbringen.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Die ihnen mit Urteil vom 25. November 1992 zuerkannten rückständigen Entgelte seien noch nicht gezahlt worden. Sie seien daher berechtigt, ihre Arbeitsleistung zurückzubehalten, wobei sich dieses Zurückbehaltungsrecht auch auf künftige Arbeitsleistungen beziehe. Die Arbeit werde von den Beklagten zu Recht verweigert, so daß der herangezogene Kündigungstatbestand nicht erfüllt sei.
Das Erstgericht wies das Begehren der klagenden Partei ab. Das für die Vergangenheit zu leistende Entgelt stehe in keinerlei Austauschverhältnis zu einer von den Beklagten erst zu erbringenden Arbeitsleistung. Es sei nicht zulässig, daß die klagende Partei die Leistung des rückständigen Entgeltes von der Aufnahme der Arbeit durch die Beklagten abhängig mache. Bei Sukzessivlieferungsverträgen und Dauerschuldverhältnissen könne die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht nur im Verhältnis der jeweils unmittelbar gegenüberstehenden Teilleistungen erhoben werden, sondern auch im Verhältnis von später fällig gewordenen Teilleistungen zur ausständigen früheren. Bei Verzug mit einer bereits fällig gewordenen Teilleistung könne jede später fällig gewordene Teilleistung solange zurückbehalten werden, bis die ausstehende Teilleistung im Sinne einer Vorleistung erbracht worden sei. Der Arbeitnehmer könne daher seine Arbeitsleistung zurückbehalten, wenn er das fällige Arbeitsengtelt nicht oder nicht voll erhalte. Da die Beklagten die Arbeitsleistung zu Recht verweigerten, lägen auch die Voraussetzung für eine Zustimmung zur Kündigung nach § 121 Z 3 ArbVG nicht vor. Aber auch der Entlassungsgrund nach § 122 Abs 1 Z 4 ArbVG sei nicht gegeben, weil der Erst‑ und Drittbeklagte zu Recht ihre Arbeit verweigerten und daher eine Verwendung im Betrieb der klagenden Partei derzeit gar nicht zu erfolgen habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Sowohl die Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes nach § 121 Z 3 ArbVG als auch die Zustimmung zur Entlassung nach § 122 Abs 1 Z 4 ArbVG setze ein Verschulden des Betriebsratsmitgliedes voraus. Ein solches Verschulden sei aber ausgeschlossen, wenn das Betriebsratsmitglied aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht den Antritt der Arbeit verweigere. Die Beklagten hätten für ihren Rechtsstandpunkt die auf gewichtige Argumente gestützte Lehrmeinung Jaborneggs für sich. Es bestehe demnach jedenfalls aus der Sicht der Beklagten eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß ihr Rechtsstandpunkt richtig sei. Ob sich dies in der Folge als berechtigt erweise, sei nicht von Bedeutung. § 1052 ABGB spreche entgegen der Rechtsansicht der klagenden Partei nicht gegen, sondern für den Standpunkt der Beklagten. Die Bestimmungen der §§ 1052 und 1062 bildeten nämlich nach der Lehre die Grundlage für die Bejahung des Rückbehaltungsrechtes des Arbeitnehmers.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Den Ausgangspunkt der herrschenden Auffassung für die Bejahung eines Zurückbehaltungsrechtes des Arbeitnehmers wegen rückständigen Arbeitsentgeltes bilden die Bestimmungen der §§ 1052 und 1062 ABGB über die "Einrede des nicht erfüllten Vertrages", die analog auf alle zweiseitig verbindlichen entgeltlichen Verträge angewendet werden. Wesentlich ist, daß bei Sukzessivlieferungsverträgen und (sonstigen) Dauerschuldverhältnissen die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht nur im Verhältnis der jeweils unmittelbar gegenüberstehenden Teilleistungen erhoben werden kann, sondern auch im Verhältnis von später fällig gewordenen Teilleistungen zu ausständigen früheren. Der Grund dafür liegt, wie schon F. Bydlinski (FS Steinwenter 147 ff) herausgearbeitet hat, darin, daß bei solchen Geschäften typischerweise nicht bloß jede einzelne Teilleistung mit der entsprechenden Gegenleistung als im Austauschverhältnis stehend angesehen wird, sondern jeweils die Gesamtheit der beiderseitigen Leistungen. Daraus folgt, daß die Vereinbarung einer Ordnung der korrespondierenden Teilleistungen für die Abwicklung des gesamten Vertrages die maßgebende relative Erfüllungszeitbestimmung enthält, die jeder Vertragspartner durch Zurückbehaltung eigener fälliger Teilleistungen geltend machen kann. Je nach Art der in Frage stehenden Abwicklungsordnung kann dann das Zurückbehaltungsrecht zur Durchsetzung einer Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung hinsichtlich zweier direkt gegenüberstehender Teilleistungen führen oder aber auch zur Realisierung von Vorleistungspflichten. Bei Verzug mit einer bereits fällig gewordenen Teilleistung kann jede später fällig gewordene Teilgegenleistung solange zurückbehalten werden, bis die ausstehende Teilleistung (im Sinne einer Vorleistung) erbracht worden ist (Jabornegg, FS Schwarz, 89 ff [91]). Zum gleichen Ergebnis gelangt Bydlinski (aaO 149). Er führt aus, daß dann, wenn ein Teil in einem bestimmten Umfang zu kreditieren hat, das Entgelt dafür im Verhältnis zur nächsten Kreditleistung eine Vorleistung sei; der Verzug mit diesem Entgelt berechtige zur Einrede des nicht erfüllten Vertrages.
Der erkennende Senat tritt der Rechtsmeinung der zitierten Autoren bei. Der Arbeitnehmer hat nach § 1154 ABGB seine Arbeit durch die Lohnperiode zu kreditieren. Es ist aber nicht verpflichtet, nach Ablauf der Lohnperiode weiter Kredit zu gewähren. Für die Zahlung des Entgeltes aus früheren Lohnperioden ist der Arbeitgeber vorleistungspflichtig; der Arbeitnehmer ist berechtigt, seine Arbeitsleistung so lange zurückzuhalten, bis der Arbeitgeber den bereits fällig gewordenen Lohnrückstand gezahlt hat. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers besteht unbedingt und darf nicht von der Aufnahme der Arbeit durch den Arbeitnehmer abhängig gemacht werden. Die klagende Partei war daher nicht berechtigt, die Zahlung des rückständigen, aufgrund des Urteiles des Erstgerichtes bereits vollstreckbaren Entgeltrückstandes nur Zug um Zug gegen Wiederaufnahme der Arbeit anzubieten. Die Beklagten durften vielmehr berechtigt die Arbeitsleistung bis zur gänzlichen Zahlung des offenen Entgeltrückstandes zurückhalten. Die Nichtaufnahme der Arbeit aufgrund des Anbotes, Zug um Zug gegen Arbeitsantritt den Lohnrückstand zu zahlen, erfüllt daher den Kündigungsgrund gemäß § 121 Z 3 ArbVG nicht.
Zum Begehren auf Zustimmung zur Entlassung des Erst‑ und Drittbeklagten enthält die Revision wie auch schon die Berufung keinerlei Ausführungen. Auf die damit im Zusammenhang stehenden Fragen ist daher nicht mehr einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 Satz 1 ASGG.
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