OGH 7Ob514/94

OGH7Ob514/9425.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Heinz P*****, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach der am 15.Jänner 1982 verstorbenen, zuletzt in W*****, wohnhaft gewesenen Leopoldine B*****, vertreten durch den erbserklärten Erben Dr.Oskar T*****, ***** dieser vertreten durch Dr.Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Willenserklärung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 24.September 1985, GZ 12 R 186/85-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29.März 1985, GZ 2 Cg 294/83-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.389,05 (darin S 1.133,55 Umsatzsteuer und S 1.920,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Leopoldine B***** verstarb am 15.1.1982, ohne gesetzliche Erben zu hinterlassen. Sie hat in ihrem Testament vom August 1977 ihr Haus W***** samt Inventar Dr.Oskar T***** als Vor- und dem Kläger als Nacherben vermacht. Unbestritten blieb, daß die von Dr.T***** aufgrund dieser letztwilligen Verfügung abgegebene bedingte Erbserklärung vom Verlassenschaftsgericht am 18.1.1985 angenommen worden ist (vgl. AS 153 in ON 22). Das erwähnte Haus gehörte ursprünglich der Verstorbenen und ihrer schon Jahre zuvor verstorbenen Schwester je zur Hälfte. Anläßlich der Hochzeit der Großnichte ihres Schwagers mit dem Kläger wurde sie mit diesem Ehepaar bekannt und es entwickelte sich zwischen diesen Personen ein familiäres Verhältnis. Leopoldine B***** vermietete mit Vertrag vom 24.4.1970 die frühere Wohnung ihrer Schwester top.Nr.7 im erwähnten Haus dem Kläger und räumte ihm, weil er beruflich auf längere Zeit im Ausland tätig war, das Recht zur Untervermietung gegen welches Entgelt auch immer ein. Der Kläger erzielte ab 1970 aus dieser Untervermietung Erträge von monatlich S 4.500,-- und ab März 1975 von S 5.000,--. In der Zeit vom September 1981 bis September 1982 unterblieb eine Untervermietung, weil die Wohnung renoviert wurde. Der Kläger blieb länger als erwartet im Ausland, besuchte aber Leopoldine B*****, wenn er sich im Urlaub oder aus sonstigen beruflichen Gründen in Wien aufhielt. Dabei versicherte sie ihm immer wieder, daß er das Haus nach ihrem Tod erhalten werde. Im Dezember 1974 vereinbarte der Kläger mit Leopoldine B***** per Handschlag, daß sie ihm ab ihrem Tod gegen die Überlassung der gesamten Einnahmen aus der Untervermietung der Wohnung top.Nr.7 das Haus überläßt. Die vom Kläger gewünschte Beurkundung dieser Vereinbarung durch einen Notar lehnte Leopoldine B***** aus Kostengründen ab. Der Kläger faßte bei seiner Rückkehr in die USA in seinem Brief an Leopoldine B***** vom 23.12.1974 diese Vereinbarung zusammen und veranlaßte gleichzeitig bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse, daß von seinem Konto Nr.***** mittels Dauerauftrag ab Jänner 1975 monatlich S 1.618,13 unter Angabe des Verwendungszweckes "Mein Brief vom 23.12.1974" auf das Konto der Leopoldine B***** bei der Länderbank überwiesen werde. Die zu überweisenden Beträge wurden per 1.4.1975 auf S 1.868,13 und per 28.8.1976 auf S 3.736,25 erhöht und auch so ausgeführt. Leopoldine B***** wünschte zuerst, lediglich die Hälfte der ihr nach der Vereinbarung neu zu überlassenden Beträge durch Überweisung, die andere Hälfte aber bar zu erhalten. Es wurde ihr deshalb mit Brief vom 23.12.1974 ein Scheck über S 7.189,92 übermittelt; in der Folge wurden 1975 Barzahlungen von S 11.477,52 und 1976 von S 13.076,84 vom Kläger geleistet. Diese Regelung wurde mit der Zahlung für September 1976 aufgegeben und nun der gesamte Zusatzbetrag überwiesen. Unabhängig von dieser Regelung überwies der Kläger an Leopoldine B***** den Hauptmietzins für die gemietete Wohnung während der gesamten Zeit in stets gleichbleibender Höhe von monatlich S 1.263,75. Leopoldine B***** bezog eine Rente von monatlich rund S 6.000,-- bis S 7.000,-- und hatte aus den Mieterträgnissen des Hauses ein Einkommen von monatlich S 1.000,--.

Mit der am 1.8.1983 eingebrachten Klage begehrt der Kläger von der beklagten Partei die Abgabe der Willenserklärung, sie sei schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft EZ ***** der KG L*****, bestehend aus dem Grundstück Nr.***** Baufläche, Grundstücksadresse ***** zugunsten des Klägers Dr.Heinz P*****, einzuwilligen. In eventu wurde ein Zahlungsbegehren über S 294.400,-- s. A. gestellt. Der Kläger stützte sein Hauptbegehren auf seine mit Leopoldine B***** geschlossene Vereinbarung, wonach er mit deren Ableben das Eigentum an der genannten Liegenschaft erlangen sollte. Er habe die versprochene Gegenleistung, nämlich die von ihm erzielte Mietzinsdifferenz, die er durch die optimale Untermietung lukrierte, Leopoldine B***** zur Gänze zufließen lassen. Das Eventualbegehren (das sind die bisher geleisteten Zahlungen) wurde auf den Titel der Bereicherung gegründet.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, es sei keine Kaufvereinbarung zustandegekommen, weil es an der Ernstlichkeit sowie an der notwendigen Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der behaupteten Vereinbarung mangle. Eine Vereinbarung dieser Art hätte im übrigen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsaktes bedurft. Das Eventualbegehren wurde sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Hauptbegehrens. Es folgerte rechtlich, daß die zwischen dem Kläger und Leopoldine B***** geschlossene Vereinbarung als "Kauf auf den Todesfall" zu werten sei, für den keine Formvorschriften bestünden. An der Ernstlichkeit der Vereinbarung auf seiten Leopoldine B***** sei nicht zu zweifeln. Die spätere letztwillige Verfügung Leopoldine B***** vom August 1977 zeuge zwar davon, daß sie im Verlauf der Zeit wechselnde Absichten hinsichtlich des Hauses gehabt habe, diese Verfügung setze aber die frühere Kaufvereinbarung nicht außer Kraft.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es bewertete den Streitgegenstand, über den es entschied, als mit S 300.000,-- übersteigend. Leopoldine B***** habe im Dezember 1974 dem Kläger rechtsverbindlich gegen Überlassung der von ihm aus der Untervermietung der klägerischen Wohnung zu erzielenden Reinerlöse ihr Haus auf den Todesfall überlassen. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, daß es dabei Leopoldine B***** am ernstlichen Willen gefehlt habe. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei diese Wohnung untervermietet gewesen, die Gegenleistung des Klägers sei daher für beide Teile auch für die Zukunft vollkommen klar gewesen. Aber auch die Gegenleistungen des Klägers im Falle eines Untermieterwechsels seien eindeutig umrissen gewesen. Der Kläger hätte jeweils die Differenz zwischen dem Hauptmietzins und dem von ihm erzielten Untermietzins zur Gänze an die Klägerin abzuführen gehabt. Daß er hiebei die Verpflichtung gehabt habe, die Wohnung nicht leerstehen zu lassen, um die Verstorbene um ihre Gegenleistung zu bringen und hiebei einen möglichst günstigen Untermietzins zu erzielen, sei zwar nicht ausdrücklich festgestellt worden, ergebe sich aber allein schon aus der Übung des redlichen Verkehrs. Der Untermietzinsausfall ab August 1981 sei darauf zurückzuführen, daß nach dem Auszug des letzten Untermieters die Wohnung vom Kläger "repariert" werden mußte. Die beklagte Partei habe gar nicht behauptet, daß darin eine Verletzung der Vereinbarung vom Dezember 1974 gelegen gewesen wäre. Die letztwillige Verfügung vom August 1977 habe den Vertrag vom 9.Dezember 1974 nicht einseitig ändern können.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene, nach dem vor Inkrafttreten der WGN 1989 geltenden Revisionsrecht zu behandelnde Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Die Frage, ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung für notwendig hält, gehört der Beweiswürdigung an und ist nicht revisibel (vgl. MGA ZPO14 § 503/59 ff). Hat das Berufungsgericht aufgrund der vom Erstgericht aufgenommenen Beweise keine Bedenken gegen dessen Beweiswürdigung, so war es selbst unter Heranziehung neuer Argumente zu keiner Beweiswiederholung verpflichtet (vgl. AnwBl. 1990, 465, zuletzt 10 ObS 141/92). Die behauptete Aktenwidrigkeit, die Gegenstand des hier keine Berücksichtigung findenden Wiederaufnahmsverfahrens war, stellt sich inhaltlich nur als unzulässige Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung dar, weil die Feststellung, daß der Kläger am 23.12.1974 zwei Briefe geschrieben hat, durch die Aussage des Klägers gedeckt war. Die Folgerung des Berufungsgerichtes, daß Leopoldine B***** akzeptiert hat, daß ihr während der Renovierung der klägerischen Wohnung keine periodischen Zahlungen zukamen, geht aus dem Geamtzusammenhang der erstgerichtlichen Feststellungen hervor (vgl. AS 7 des Ersturteiles). Die Behandlung der Beweisrüge der Beklagten durch das Berufungsgericht steht auch nicht mit den Denkgesetzen im Widerspruch. Die weiteren behaupteten Aktenwidrigkeiten stellen sich inhaltlich zur Gänze als unzulässige Beweisrügen dar.

Besteht das Entgelt für eine in das Eigentum zu überlassende Sache in periodischen Teilzahlungen auf Lebenszeit des Verkäufers, so liegt kein Kaufvertrag im Sinne der §§ 1054 ff ABGB, sondern ein den Bestimmungen der §§ 1284 ff ABGB unterliegender Vertrag vor, der allerdings, soweit die letztzitierten Bestimmungen keine Sondervorschriften enthalten, nach den Regeln des Kaufvertrages zu beurteilen ist (vgl. MGA ABGB33 § 1284/6 ff). Die Bestimmungen über den Leibrentenvertrag sind grundsätzlich dispositives Recht (vgl. Krejci in Rummel ABGB2 §§ 1284 bis 1286 Rz 4 f mwN). Nach den zitierten Bestimmungen ist für die Qualifikation als Leibrentenvertrag die Zusicherung einer periodischen zumindestens bestimmbaren Geld- oder Naturalleistung gegen die Zusicherung, dem Leistungspflichtigen eine einmalige Kapitalzahlung bzw. eine vermögenswerte Sache zu übereignen, erforderlich. Ein Vertrag ist dann ausreichend bestimmt, wenn sich die Leistungen aus dem Vertrag selbst, allenfalls unter Berücksichtigung der gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB entnehmen lassen (vgl. SZ 54/112). Eine Erklärung ist dann bestimmt, wenn ihr die wesentlichen Rechtsfolgen, die der Erklärende anstrebt, entnehmbar sind (3 Ob 626/83 ua). Bestimmbar ist eine Leibrente auch dann, wenn sie auf (erzielbare) Erträgnisse abstellt (vgl. EvBl. 1953/438). Daß Leopoldine B***** mit den vom Kläger erzielten Untervermietungsgewinnen einverstanden war und dies dem Sinn der getroffenen Vereinbarung vom Dezember 1974 entsprach, ergibt sich aus der jahrelangen unbeanstandeten Entgegennahme dieser Beträge. Was am Wiener Untervermietungsmarkt erzielbar gewesen wäre, ist eine Tatfrage, die aber zweifellos lösbar gewesen wäre. Damit ist aber auch die Bestimmbarkeit der Leibrentenleistung für den Fall einer vertragswidrigen Untervermietung zu Schleuderpreisen bzw. einer vertragswidrigen Unterlassung der Untervermietung gegeben. Bei einer Leibrentenvereinbarung ist auch nicht nötig, daß sich die Vertragspartner über den Wert der hinzugebenden Sache einig sind (vgl. Krejci aaO Rz 22 mwN).

Die Zeit der Übergabe des Kaufgegenstandes richtet sich nach der Parteienvereinbarung (vgl. Aicher in Rummel ABGB2 § 1047 Rz 7). Gegen die Rechtswirksamkeit einer Vereinbarung, daß die Sache erst im Todesfall des Begünstigten zu übergeben ist, besteht aufgrund der im ABGB herrschenden Vertragsfreiheit kein Bedenken (vgl. SZ 27/105 sowie NZ 1989, 218). Nach herrschender Rechtsprechung (vgl. SZ 27/239), die von der Lehre in diesem Punkt allerdings nicht voll geteilt wird (vgl. Krejci aaO Rz 13), hat bei Vereinbarung einer Leibrente in Höhe des Mietzinsertrages eines Hauses das Leerstehen von Wohnungen keinen Einfluß auf die Verpflichtung zur Zahlung der periodischen Leistung durch den Leibrentenverpflichteten. Stellt der Leibrentenverpflichtete in einem solchen Fall die Zahlung ein, so ist der Berechtigte vor Übergabe der versprochenen Sache zum Rücktritt, danach aber nur mehr zur Geltendmachung der einzelnen nicht bezahlten Leistungen berechtigt (vgl. SZ 45/112 sowie AnwBl. 1988, 168). Ein derartiger Rücktritt ist aber von der beklagten Partei nicht geltend gemacht worden, darüber hinaus ist es im Rahmen der Vertragsfreiheit den Parteien jederzeit möglich, zu vereinbaren, daß die Leibrentenzahlung für die Zeit der Renovierung einer Wohnung zu entfallen hat, ohne daß dies an der Rechtswirksamkeit der getroffenen Vereinbarung etwas ändert. Es wäre Sache der Verstorbenen gewesen, bei nicht notwendig langem Leerstehen der klägerischen Wohnung von ihren oben dargelegten Rechten Gebrauch zu machen.

Es liegt auch kein nach den §§ 603, 956 ABGB zu beurteilendes Rechtsgeschäft vor. Wie sich allein schon aus den zwar nicht festgestellten, jedoch unbestrittenen Leistungen des Klägers an Leopoldine B***** ergibt, lag der getroffenen Vereinbarung Entgeltlichkeit zugrunde. Für die behauptete Unentgeltlichkeit bzw. für das Fehlen einer adäquaten Gegenleistung wäre die Beklagte beweispflichtig gewesen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, sind nach österreichischem Recht entgeltliche Verfügungen über Vermögensbestandteile, die erst mit dem Tode eines Vertragspartners wirksam werden sollen, zulässig; sie unterliegen nicht den für unentgeltliche Verfügungen auf den Todesfall geltenden besonderen Beschränkungen (§ 956 ABGB; Arb 9925; SZ 23/227; SZ 22/2; Petrasch in Rummel ABGB2 § 1249 Rz 2; Schubert in Rummel ABGB2 § 956 Rz 4; Gschnitzer-Faistenberger, Erbrecht2, 98). Die unterschiedliche Behandlung derartiger Rechtsgeschäfte gegenüber unentgeltlichen Verfügungen auf den Todesfall ist darin begründet, daß durch unentgeltliche Verfügungen die Interessen der Erben und der Nachlaßgläubiger in höherem Grade gefährdet sind, als im Falle einer entgeltlichen Verfügung. Ein Schenkungswille Leopoldine B***** wurde nicht erwiesen, vielmehr ist davon auszugehen, daß sie und der Kläger von allem Anfang an die zu erbringenden Leistungen subjektiv als äquivalent empfunden haben. Es lag sohin zum Todeszeitpunkt Leopoldine B***** eine schuldrechtliche Bindung auf Schaffung des Eigentumsrechtes am gegenständlichen Grundstück zugunsten des Klägers vor.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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