OGH 11Os68/94

OGH11Os68/9424.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Czedik-Eysenberg als Schriftführer, in der Strafsache gegen Laszlo C***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den gemäß § 494 a Abs 6 StPO gefaßten Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 13.Jänner 1994, GZ U 469/93-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 13.Jänner 1994, GZ U 469/93-7, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 53 Abs 1 und Abs 2 StGB, sowie in dem im XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem - in gekürzter Form (§§ 488 Z 7, 458 Abs 2 und 3 StPO) ausgefertigten - Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Eisenstadt vom 26.Juni 1990, GZ 7 E Vr 382/90-5, wurde der am 8. August 1957 geborene ungarische Staatsangehörige Laszlo C***** (zu I/1) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen (zu I/2) der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und (zu II/1 und 2) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 28.Oktober 1993 (ON 12) wurde diese Strafe gemäß § 43 Abs 2 StGB endgültig nachgesehen.

Mit rechtskräftiger Strafverfügung des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 13.Jänner 1994, GZ U 469/93-7 wurde Laszlo C***** wegen des am 19. Oktober 1993, sohin erst nach Ablauf der vorerwähnten Probezeit begangenen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Aus Anlaß dieser Entscheidung wurde "gemäß § 494 a Abs 6 StPO vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht des Urteiles vom 26.Juni 1990 des Landesgerichtes Eisenstadt, GZ 7 E Vr 382/90, abgesehen, die Probezeit hingegen auf fünf Jahre verlängert" (S 65).

Der Ausspruch in der Strafverfügung über das Absehen vom Widerruf und die Verlängerung der Probezeit steht, wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Da die vor dieser Beschlußfassung gemäß § 494 a Abs 3 StPO gebotene Einsichtnahme in den Akt des Landesgerichtes Eisenstadt, AZ 7 E Vr 382/90, unterlassen wurde, blieb zunächst unberücksichtigt, daß die bezügliche Freiheitsstrafe bereits mit Beschluß vom 28.Oktober 1993, GZ 7 E Vr 382/90-12, endgültig nachgesehen worden war. Die Entscheidung des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 13.Jänner 1994, vom Widerruf abzusehen und die Probezeit zu verlängern, verstößt demnach (zum Nachteil des Verurteilten) gegen die Sperrwirkung, die der einer materiellen Rechtskraft fähige (JBl 1989, 400 = EvBl 1989/64) und einer Behebung bzw Abänderung nur im Rechtsmittelweg zugängliche Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt über die endgültige Strafnachsicht entfaltet hatte. Abgesehen davon hat das Bezirksgericht Eisenstadt übersehen, daß die Voraussetzungen für einen Widerruf der bedingten Strafnachsicht bzw für eine Verlängerung der Probezeit nach dem Absehen vom Widerruf nicht vorlagen, hat doch Laszlo C***** die neue Straftat (§ 88 Abs 1 StGB) erst am 19.Oktober 1993, also nach Ablauf der Probezeit (am 26.Juni 1993) begangen. Somit war eine Entscheidung des Bezirksgerichtes Eisenstadt gemäß § 53 Abs 1 oder Abs 2 StGB gar nicht aktuell (vgl auch § 56 StGB).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte