European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0120OS00062.9400000.0519.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 1. März 1994, AZ 8 Bs 78,79/94, soweit damit der Beschwerde des Josef H* gegen Punkt 3 des Beschlusses des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Jänner 1994, GZ 29 Vr 3478/87‑212 (auf Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens) nicht Folge gegeben wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 353 Z 2 StPO.
Insoweit wird der Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck, der im übrigen unberührt bleibt, aufgehoben und dem Beschwerdegericht die neuerliche Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.
Gründe:
Der am 7.November 1937 geborene Josef H* wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 14.April 1989, GZ 29 Vr 3478/87‑91, unter anderem des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB (Punkt I./ des Urteils) rechtskräftig schuldig gesprochen und zu einer ‑ zwischenzeitig bereits verbüßten (S 7/IV) ‑ Freiheitsstrafe verurteilt. Diesem Schuldspruch zufolge hat er am 28.August 1985 von W* aus als Betriebsleiter und Geschäftsführer der ‑ von seiner nunmehrigen Gattin Ruth H* (vormals P*) betriebenen - Firma "T*" Angestellte der "M* Gesellschaft mbH" in der Bundesrepublik Deutschland betrügerisch zur Vornahme von Reparaturarbeiten an einem von der Firma "T*" geleasten LKW sowie zur Herausgabe dieses Fahrzeuges nach dessen Reparatur veranlaßt und hiedurch der "M* Gesellschaft mbH" einen Schaden von S 208.283,50 zugefügt.
In seinem ‑ der Sache nach erneut auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens in diesem Faktum gerichteten ‑ Antrag vom 12.Dezember 1993 (ON 204/III) berief sich der Verurteilte Josef H* auf die von Ruth H* nunmehr im Zuge eines zivilgerichtlichen Verfahrens vor dem Bezirksgericht Spittal/Drau als Rechtshilfegericht zu AZ Hc 150/93 abgelegte Zeugenaussage (ON 205). Ruth H*, die sich im Strafverfahren gegen ihren Ehegatten Josef H* der Aussage gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO aF entschlagen hatte und daher zur Sache nicht gehört werden konnte (S 52/II), behauptete bei ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme in diesem Zivilverfahren ‑ insoweit in Übereinstimmung mit der entsprechenden Verantwortung des Josef H* im vorliegenden Strafverfahren (vgl insbesondere S 60/I) ‑, Josef H* habe den Reparaturauftrag an die Firma "M* Gesellschaft mbH" erst erteilt, nachdem ihm von Johann Ho* als dem Geschäftsführer der Leasinggeberin "Ho* Nutzfahrzeuge GesmbH" ausdrücklich die Übernahme der Reparaturkosten durch diese Firma zugesagt worden sei (S 313, 317, 319 und 321/III); darüber hinaus bestritt Ruth H* im Rahmen dieser Zeugenaussage auch den Abschluß eines Leasingvertrages und behauptete, daß dieser LKW ihrer Firma nur probeweise zur Benützung überlassen worden sei (S 313/III).
Diese Aussage steht mit dem Josef H* im Strafverfahren belastenden Vorbringen des Zeugen Johann Ho*, welcher ausgesagt hatte, von der Reparatur erst nachträglich erfahren, somit keine vorherige Zahlungszusage erteilt und namens seiner Firma bloß im Kulanzwege nachträglich einen geringen Kostenbeitrag im Ausmaß von S 20.000,‑- geleistet zu haben (S 65 und 66 sowie 127/I), in einem deutlichen Widerspruch.
Vom Landesgericht Innsbruck wurde (ua) dieser Wiederaufnahmeantrag mit Beschluß vom 24.Jänner 1994, GZ 29 Vr 3478/87‑212 (Punkt 3./) - zum Teil unter unzutreffender Wiedergabe der Äußerungen der Zeugin Ruth H* im Strafverfahren ‑ abgewiesen.
Der (auch) dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 1.März 1994, AZ 8 Bs 78,79/94 (ON 218/IV) nicht Folge. Hiebei berichtigte das Beschwerdegericht zwar die erwähnten unzutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes über das Aussageverhalten Ruth H*s im Strafverfahren (vgl S 43/IV), es nahm jedoch nur auf die den Bestand eines Leasingverhältnisses am verfahrensgegenständlichen LKW bestreitenden Angaben dieser Zeugin Bezug und sprach ‑ ohne auf deren weitere Behauptungen einzugehen, daß Johann H* vor Erteilung des Reparaturauftrages die Übernahme der Reparaturkosten durch seine Firma zugesagt hätte ‑ dieser Zeugenaussage unter Hinweis auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung die (objektive) Eignung ab, die Unrichtigkeit der den Verurteilten belastenden Zeugenaussagen zu dem vom Wiederaufnahmeantrag betroffenen Schuldspruch wegen Vergehens des schweren Betruges (Pkt I./) zu widerlegen.
Rechtliche Beurteilung
In der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht der Generalprokurator hinsichtlich dieses Beschlusses des Oberlandesgerichtes Innsbruck zutreffend folgende schon dem Erstgericht bei der Begründung der Abweisung des Wiederaufnahmeantrages unterlaufene (ON 212) Gesetzesverletzung geltend:
Zunächst wird verkannt, daß von Josef H* in seinem Wiederaufnahmeantrag (ON 204) der Sache nach gar nicht geltend gemacht wurde, auf Grund eines (nach § 288 StGB strafbaren) falschen Zeugnisses (§ 353 Z 1 StPO) verurteilt worden zu sein; er berief sich vielmehr auf die ‑ seine leugnende Verantwortung in subjektiver Beziehung bestätigende und mit dem ihn belastenden Vorbringen des Zeugen Johann Ho* im Widerspruch stehende ‑ Zeugenaussage seiner Gattin Ruth H* in einem Zivilprozeß als neues Beweismittel (§ 353 Z 2 StPO). Abgesehen davon, daß von Josef H* demnach auch kein falsches Zeugnis im Sinne des § 353 Z 1 StPO "dargetan" werden mußte, ist im vorliegenden Fall allein entscheidend, ob dieser Zeugenaussage der Ruth H* (als neues Beweismittel im Sinne des § 353 Z 2 StPO) die Eignung zukommt, zu einer für den Wiederaufnahmswerber günstigeren Sachverhaltsbeurteilung zu gelangen. Bei Prüfung dieser Frage ist aber nicht anders vorzugehen als bei der Relevanzprüfung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung. Dies bedeutet, daß im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens eine Beurteilung des Beweiswertes eines (angebotenen) neuen Beweismittels (hier: der Glaubwürdigkeit der entlastenden Aussage der Zeugin Ruth H*) unzulässig ist; eine solche Würdigung ist vielmehr dem erkennenden Gericht nach den das österreichische Strafverfahrensrecht beherrschenden Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit vorbehalten. Dem über den Wiederaufnahmsantrag entscheidenden Gericht ist daher jede vorgreifende Beweiswürdigung verwehrt (vgl hiezu insbesondere Mayerhofer‑Rieder, StPO3, § 357, ENr 3c bis 5).
Unter Beachtung dieser Grundsätze war somit dem Gericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens jede Erörterung über den Beweiswert (die Glaubwürdigkeit) der von Ruth H* nunmehr in einem anderen Verfahren abgelegten Aussage verwehrt. In diesem Verfahrensstadium ist bloß die Frage zu prüfen, ob bei Berücksichtigung dieser Zeugenaussage in Verbindung mit den bisherigen Verfahrensergebnissen in einem neuen Erkenntnisverfahren eine andere Lösung der Beweisfrage (hier insbesondere zur subjektiven Tatseite) denkbar ist. Dies kann aber ‑ ohne eine entsprechende Würdigung des Wahrheitsgehaltes der Aussage der (neuen) Zeugin Ruth H* und der den Verurteilten (bisher) schwer belastenden Angaben des Zeugen Johann Ho* (auf den sich ua der Schuldspruch wegen Vergehens des schweren Betruges stützt) ‑ derzeit nicht ausgeschlossen werden. Die Vorwegnahme einer solchen Beweiswürdigung bei der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag ist aber ‑ wie bereits dargelegt ‑ unzulässig.
Die Eignung der Aussage der (neuen) Zeugin Ruth H* - ihre Glaubwürdigkeit vorausgesetzt ‑, im Betrugsfaktum zu einer anderen, für den Verurteilten günstigeren Beurteilung (insbesondere der subjektiven Tatseite) zu gelangen, ist deshalb nach Lage des Falles nicht vorweg zu verneinen.
Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 1.März 1994 verletzt somit ‑ insoweit er die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens betrifft ‑ das Gesetz in der Bestimmung des § 353 Z 2 StPO. Es war daher in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden.
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