OGH 12Os57/94

OGH12Os57/9419.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerd Josef L***** wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 13. Juli 1992, GZ 17 U 182/92-6, sowie gegen den gleichzeitig mit dieser Strafverfügung gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 7 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Strafverfahren AZ 17 U 182/92 des Bezirksgerichtes Klagenfurt gegen Gerd Josef L***** verletzen das Gesetz:

1. die Strafverfügung vom 13.Juli 1992, ON 6, durch das Versäumnis der Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. Februar 1992, GZ 15 E Vr 656/91-28, in den Bestimmungen der §§ 31, 40 StGB;

2. der zugleich gefaßte Beschluß auf Verlängerung der im Verfahren AZ 17 U 483/90 des Bezirksgerichtes Klagenfurt bestimmten, infolge zwischenzeitigen Widerrufs der dort gewährten bedingten Strafnachsicht mit rechtskräftigem Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.Februar 1992 nicht mehr wirksam gewesenen Probezeit in dem sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Die Strafverfügung und der bezeichnete Beschluß werden aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Klagenfurt die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Gerd Josef L***** wurde mit (rechtskräftiger) Strafverfügung des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 21.November 1990, GZ 17 U 483/90-3, des Vergehens des Verstrickungsbruchs nach § 271 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 80 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 15 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Diese Strafe wurde gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit - gemäß § 488 Z 7 (§ 458 Abs 2 und 3) StPO gekürzt ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.Februar 1992, GZ 15 E Vr 656/91-28, wurde L***** der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB (I 1 und 2), des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (II 1 bis 3), der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 StGB (III) und des Verstrickungsbruches nach § 271 StGB (IV 1 und 2) schuldig erkannt und nach § 147 Abs 1 StGB unter Anwendung der §§ 28, 43 a Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 200 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Von dem dieser Verurteilung zugrunde liegenden Tathandlungen fielen - soweit die Tatzeiten exakt erweisbar waren - lediglich jene zu den Fakten II 3 und IV 2 in die mit der eingangs erwähnten Vorverurteilung bestimmte Probezeit. Gleichzeitig faßte das Landesgericht Klagenfurt gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluß auf Widerruf der bedingten Nachsicht der zu AZ 17 U 483/90 des Bezirksgerichtes Klagenfurt ausgesprochenen Geldstrafe. Diese (dem Bezirksgericht Klagenfurt mitgeteilten - ON 31) Entscheidungen erwuchsen in Rechtskraft (ON 29).

Gerd Josef L***** wurde schließlich mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 13.Juli 1992, GZ 17 U 182/92-6, des - im Juni 1991, sohin vor dem letzterwähnten Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt begangenen - Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt und zu 50 Tagessätzen zu je 350 S Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 25 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Mit zugleich gefaßtem Beschluß wurde vom Widerruf der zu AZ 17 U 483/90 des Bezirksgerichtes Klagenfurt gewährten bedingten Strafnachsicht gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Im Zeitpunkt der Erlassung dieser Strafverfügung war der zwischenzeitig ergangene Widerrufsbeschluß des Landesgerichtes Klagenfurt im davon betroffenen Akt 17 U 483/90 des Bezirksgerichtes Klagenfurt bereits aktenkundig (ON 5), dieser Akt ersichtlich auch dem (in derselben Gerichtsabteilung angefallenen) Akt 17 U 182/92 (vgl dort S 3 des Antrags- und Verfügungsbogens) angeschlossen.

Im Sinn der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde trifft es zu, daß im Verfahren AZ 17 U 182/92 des Bezirksgerichtes Klagenfurt sowohl die Strafverfügung als auch der zugleich gefaßte Beschluß gemäß § 494 a StPO dem Gesetz widerstreiten:

Was zunächst die Strafverfügung vom 13.Juli 1992 anlangt, wäre beim Strafausspruch im Hinblick auf die Tatbegehung vor dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.Februar 1992 gemäß §§ 31, 40 StGB unter entsprechender Bedachtnahme mit (bloßer) Zusatzstrafe vorzugehen gewesen. Wenngleich im konkreten Fall die von § 31 StGB unter Nichtigkeitssanktion gezogene Grenze nicht überschritten wurde, der Strafausspruch somit nicht mit Nichtigkeit behaftet ist, unterblieb jedenfalls eine gesetzeskonforme Berücksichtigung (auch) des Tatzusammenhanges mit dem durchwegs auf wirtschaftliche Schwierigkeiten zurückzuführenden übrigen Deliktskomplex, was sich - abgesehen von dem denkmöglichen Einfluß auf die Strafbemessung - schon aus tilgungsrechtlicher Sicht für den Verurteilten nachteilig auswirkte.

Dazu kommt, daß der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt auf Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht unter Verlängerung der Probezeit wegen des rechtskräftig vorausgegangenen Widerrufs eben dieser bedingten Nachsicht keine Rechtswirksamkeit entfalten konnte, weil diese im Zeitpunkt der letzten Beschlußfassung nicht mehr zum aktuellen Rechtsbestand zählte (ua EvBl 1989/64). Die dem Grundsatz "ne bis in idem" widerstreitende Absprache über einen (hier difform) erledigten Entscheidungsgegenstand verletzt vielmehr das Gesetz in dem sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 292 StPO insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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