OGH 11Os65/94

OGH11Os65/9418.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Czedik-Eysenberg als Schriftführer, in der beim Landesgericht St.Pölten zum AZ 13 Vr 68/94 anhängigen Strafsache gegen Josef H***** ua wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Grundrechtsbeschwerde der Ljubica H***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 5. April 1994, AZ 26 Bs 145/94 (= ON 57 der Vr-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Ljubica H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die österreichische Staatsbürgerin Ljubica H***** befindet sich seit 3. Februar 1994 (175/I) in Haft. Gegen sie wird Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB geführt (1 und 1 verso, ON 3 und 348/I). Die Beschuldigte ist dringend verdächtig, im Jahr 1993 in St.Pölten und Thailand gemeinsam mit ihrem (ebenfalls in Untersuchungshaft befindlichen) Ehemann Josef H***** unter weiterer Beteiligung von Alexandra U***** und Ozren M***** Verfügungsberechtigte der Fa G***** Handelsgesellschaft mbH durch die Vorgabe, es werde eine Ladung (von 12.000 Tonnen) Zucker von Thailand nach Murmansk verschifft, und durch Vorlage von gefälschten Frachtpapieren, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Auszahlung des Kaufpreises von rund 3,8 Millionen US-Dollar veranlaßt und außerdem bevor diese Vorgangsweise den Verantwortlichen der Fa "G*****" bekannt wurde, diesen zusätzlich noch ca 700.000 US-Dollar als Akontozahlungen für ein weiteres fingiertes (Zucker-)Geschäft betrügerisch herausgelockt zu haben, wodurch das genannte Unternehmen in Höhe der bezeichneten Beträge am Vermögen geschädigt worden sei.

Am 7.Februar 1994 verhängte der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes St.Pölten über Ljubica H***** die Untersuchungshaft aus den Haftgründen nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO mit Wirksamkeit bis 17.Februar 1994 (ON 19; 349 verso). Nach durchgeführter Haftverhandlung (ON 23) ordnete er mit Beschluß vom 16. Februar 1994 die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den zuvor genannten Haftgründen bis 17.März 1994 an (ON 25).

Mit dem angefochtenen Beschluß, der dem Verteidiger am 12.April 1994 (3 i, 214/III) zugestellt wurde, gab das Oberlandesgericht der Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluß des Untersuchungsrichters vom 16.März 1994 (ON 41) nicht Folge und sprach aus, daß die Haftfrist am 5.Juni 1994 ende. Es erachtete den dringenden Tatverdacht und die Haftgründe der Flucht- und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a StPO) für gegeben und verneinte eine Unverhältnismäßigkeit der Haft sowohl in Ansehung der Bedeutung der Sache als auch hinsichtlich der zu erwartenden Strafe. Zum Haftgrund der Verdunkelungsgefahr wies es darauf hin, daß der Wegfall dieses Haftgrundes zufolge Ablaufes der Zweimonatefrist des § 194 Abs 1 StPO dem vom Untersuchungsrichter mit 16.Mai 1994 festgesetzten Ende der Haftfrist im Hinblick auf das Vorliegen der beiden weiteren Haftgründe nicht entgegenstünde.

Dagegen richtet sich die vom Verteidiger fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten, in der sie eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit "in erster Linie" darin erblickt, daß die Haftgründe der Flucht- und Tatbegehungsgefahr zu Unrecht angenommen worden seien; im übrigen hätte das Oberlandesgericht zufolge der Begrenzung des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr (am "3.April 1994") der seinerzeitigen Beschwerde insoweit stattgeben müssen. Außerdem sei die Dauer der Untersuchungshaft im Hinblick darauf, daß sie der Untersuchungsrichter zu den nachträglich eingelangten Aussagen des Mitbeschuldigten Ozren M***** noch nicht vernommen und selbst auch andere Zeugeneinvernahmen noch nicht durchgeführt habe, bereits unverhältnismäßig geworden. Mit dem Hinweis, von der Sicherheitspolizei würden gegen sie Anschuldigungen erhoben, die nicht der Realität entsprächen, bekämpft sie der Sache nach auch den dringenden Tatverdacht.

Die Grundrechtsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Zutreffend leitete das Oberlandesgericht den dringenden Tatverdacht in Richtung des Verbrechens des schweren Betruges aus den Ergebnissen der bisherigen sicherheitsbehördlichen Erhebungen, und zwar insbesondere den Angaben der beiden Geschäftsführer der Fa G***** Handelsgesellschaft mbH Ing.Alfred H***** (269/I) und Edward J.W***** (287/I) sowie aus den Angaben des Mitbeschuldigten Ozren M***** (ON 35) ab. Diese Verfahrensergebnisse sind - vorbehaltlich der abschließenden Beweiswürdigung in einem allfälligen Erkenntnisverfahren - geeignet, die Annahme einer höhergradigen Wahrscheinlichkeit zu tragen, daß die Beschuldigte an den ihr vorgeworfenen Betrugshandlungen (ua gemeinsam mit ihrem Ehegatten) mitgewirkt hat (9, 35, 41, 191, 221, 227, 233, 269, 271, 287/I; 5, 9, 35, 45, 51, 99/III).

Den Beschwerdeeinwänden zuwider hat das Oberlandesgericht auch den Haftgrund der Fluchtgefahr zu Recht angenommen, den es auf die Auslandskontakte der Beschuldigten und den begründeten Verdacht stützte, die Beschuldigten würden noch über größere Geldbeträge im Ausland verfügen. Wenn die Beschwerdeführerin demgegenüber auf ihre Verantwortung verweist, wonach sie als verheiratete Frau nur "ihren Gatten wiederholt in Hongkonk besucht" und "in erster Linie deshalb in Bangkok" gewesen sei, weil sie an der ehelichen Treue ihres Mannes gezweifelt und im übrigen "Urkunden nur deshalb nach Wien gebracht" habe, weil sie "mit der Diplomatenpost nicht übersendet werden konnten, so übergeht sie jene Verfahrensergebnisse, die in Richtung ihrer aktiven Beteiligung an den Betrugstaten weisen. Ihre Aufenthalte im fernöstlichen Ausland, aber auch in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (350a/I), in Verbindung mit den bisher nur teilweise nachvollziehbaren Bewegungen der nach den Vorwürfen von den Beschuldigten erlisteten, auch im Rahmen internationaler Kapitaldelinquenz außergewöhnlich hohen Geldbeträge rechtfertigen - neben den intensiven Auslandskontakten - die konkrete Befürchtung, daß sich die Beschuldigte im Fall ihrer Enthaftung der weiteren Strafverfolgung durch Flucht entziehen würde. Angesichts der Höhe der tatverfangenen Geldbeträge und des davon ausgehenden Fluchtanreizes kommt eine hinreichende Kompensation der Fluchtgefahr durch die Anwendung gelinderer Mittel nicht in Betracht.

Im Hinblick auf das Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr erübrigt es sich, bei Prüfung der Frage nach einer Grundrechtsverletzung auch noch auf den weiteren Haftgrund der Tatbegehungsgefahr einzugehen (ÖJZ-LSK 1993/51), dessen Vorliegen allerdings - entgegen dem Beschwerdevorbringen, (auch) dieser Haftgrund sei "rein illusorisch" - im Sinn der Ausführungen des Oberlandesgerichtes unter Bedacht auf die sich über mehrere Kontinente erstreckende Dimension der verfahrensgegenständlichen Betrugstaten und der solcherart bestehenden Gefahr der Begehung derartiger Verbrechen in einer kriminellen Organisation (§ 180 Abs 3 StPO nF), gleichfalls nicht zweifelhaft sein kann. Den durch Ablauf der Frist des § 194 Abs 1 StPO nicht mehr aktuellen Haftgrund der Verdunkelungsgefahr hinwieder hat das Oberlandesgericht ohnedies nicht mehr herangezogen (192 f/III).

Von einer Unangemessenheit der bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung (erst) ca zwei Monate währenden Untersuchungshaft kann unter Berücksichtigung der Strafdrohung des § 147 Abs 3 StGB, der eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht, keine Rede sein.

Auf die behaupteten Verfahrensmängel schließlich war nicht näher einzugehen, weil abgesehen davon, daß angesichts der besonderen Schwierigkeit der Untersuchung (auch) von Verdachtsgrundlagen, die sich auf außereuropäische Staaten erstrecken, sachlich unhaltbare Verzögerungen nicht zu erkennen sind, aus derartigen Verzögerungen eine Grundrechtsverletzung erst dann abgeleitet werden kann, wenn sie zu einer Unverhältnismäßigkeit der Haft führen (vgl EvBl 1993/115 ua), was aber - wie bereits dargelegt - hier noch nicht der Fall ist.

Da somit Ljubica H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt ist, war ihre Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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