OGH 13Os64/94(13Os78/94)

OGH13Os64/94(13Os78/94)11.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Czedik-Eysenberg als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander B***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 12.Jänner 1994, GZ 7 Vr 1297/93-14, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit diesem Urteil (gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO) gefaßten Widerrufsbeschluß, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Fabrizy und des Verteidigers Dr.Denck, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander B***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt.

Danach hat er in Oberwart, Wien und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider

1./ im Jahre 1992 Suchtgift in einer insgesamt großen Menge, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, in Verkehr gesetzt, und zwar

a./ durch wiederholten Verkauf von Heroinverschnitt in einer Menge von zumindest 5 Gramm an Franz S*****;

b./ durch den Verkauf von Heroinverschnitt in einer nicht mehr feststellbaren Menge an Uwe St***** und Evelyn St*****, "die in der Zwischenzeit an einer Überdosis verstorben sind";

2./ in der Zeit zwischen Sommer 1990 und Herbst 1993 wiederholt Suchtgift, nämlich nicht mehr feststellbare, von Punkt 1./ des Schuldspruchs nicht umfaßte Mengen an Cannabiskraut erzeugt sowie Heroin, Kokain, Opiumtee, Cannabisharz und Cannabiskraut erworben und besessen.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich inhaltlich nur gegen den Schuldspruch wegen § 12 Abs 1 SGG (Punkt 1./) richtet.

Mit seiner Verfahrensrüge (Z 4) bringt der Beschwerdeführer vor, daß das Beweisverfahren nicht fair geführt worden sei, weil er nur zu seinen Einkommensverhältnissen, nicht aber zu seiner finanziellen Unterstützung durch andere Personen befragt worden sei.

Dieser Nichtigkeitsgrund ist nur dann gegeben, wenn während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK, oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist. Ein solches Zwischenerkenntnis vermag der Beschwerdeführer nicht anzugeben. Die Vernehmung seiner Mutter als Zeugin zu den ihm gewährten finanziellen Zuwendungen hat er nie beantragt. Der Verfahrensrüge fehlt daher schon die formelle Voraussetzung. Im übrigen hat der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung - auf Befragen des öffentlichen Anklägers - angegeben, von seiner Mutter finanziell unterstützt zu werden (AS 260), sodaß sich sein Beschwerdevorbringen auch als inhaltlich unbegründet erweist.

Mit seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteilsfeststellungen zum Verkauf von Heroin durch ihn an Franz S***** sowie an Uwe St***** und Evelyn St*****, ohne jedoch sich aus den Akten ergebende Bedenken, geschweige denn solche erheblicher Art, gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzeigen zu können. Die Rüge bekämpft teils unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter, welche der in der Hauptverhandlung geänderten Aussage des Zeugen Franz S***** (mit mängelfreier Begründung) die Glaubwürdigkeit abgesprochen haben (US 5 ff), teils beruft sie sich nicht einmal auf die Aktenlage, sondern - unter gleichzeitiger Stellung von im Rechtsmittelverfahren unzulässigen Beweisanträgen - auf angeblich nach der Urteilsfällung abgegebene Erklärungen einer Belastungszeugin im privaten Kreis. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund ist aber nur dann gegeben, wenn sich erhebliche Bedenken aus den Akten ergeben, sodaß sich die Tatsachenrüge an dem (dem Erstgericht zur Verfügung gestandenen) Akteninhalt zu orientieren hat, der mit den getroffenen Feststellungen zu vergleichen ist (13 Os 149/93).

Unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 10 (sachlich nur Z 10) des § 281 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die Urteilsannahme, daß er eine große Menge Suchtgift in Verkehr gesetzt habe, und strebt damit die rechtliche Unterstellung der zu Punkt 1./ des Schuldspruchs festgestellten Taten unter die Strafbestimmung des § 16 (Abs 1) SGG an. Zu seinen Ausführungen, daß eine große Menge an Heroin erst ab 5 Gramm Reinsubstanz gegeben sei, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu verweisen, wonach die verbrechensqualifizierende (sogenannte) Grenzmenge für das genannte Suchtgift nicht höher als mit 1,5 Gramm anzunehmen ist (RZ 1989/22 = EvBl 1988/131 uva). Im übrigen räumt die Rechtsrüge zwar gesetzestreue Feststellungen des Erstgerichts zum Vorsatz des Angeklagten in bezug auf die "große Menge" Suchtgift ein, meint aber, daß solche zum Vorsatz einer bewußt kontinuierlichen Begehung der einzelnen Suchtgiftverkäufe fehlen. Damit übersieht sie jedoch die diesbezüglichen, ohnehin noch mit ausreichender Deutlichkeit im Urteil enthaltenen Konstatierungen (US 8 ff) zum Gesamtvorsatz, der mit dem hohen und vor allem auch laufenden Finanzierungsaufwand des auf Grund seiner Sucht in großer Geldnot befindlichen Angeklagten auch ausreichend begründet wurde.

Auch die Strafzumessungsrüge (Z 11) ist nicht berechtigt. Es genügt der Hinweis, daß der Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB bereits bei Begehung zweier strafbarer Handlungen - vorliegend des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und des Vergehens nach § 16 SGG laut Schuldspruch des Erstgerichtes - gegeben ist (Leukauf-Steininger, Komm3, § 33 RN 2).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 12 Abs 1 SGG unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr. Darüber hinaus erkannte es gemäß § 13 Abs 2 SGG auch auf eine anteilsmäßige Wertersatzstrafe und zog gemäß § 16 Abs 3 SGG den noch vorhandenen Suchtgiftvorrat ein.

Bei Ausmessung der Freiheitsstrafe wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, den raschen Rückfall des Angeklagten innerhalb der Probezeit und den langen Tatzeitraum, als mildernd hingegen, daß der Angeklagte die Straftaten im wesentlichen zur Finanzierung und zur Befriedigung seiner Sucht begangen hat.

Zugleich mit dem Urteil wurde gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO die mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 4.Juli 1990, AZ 7 Vr 232/90, Hv 7/90, gewährte bedingte Strafnachsicht einer zweijährigen Freiheitsstrafe widerrufen.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Ziel einer Strafmilderung bzw der Gewährung bedingter Nachsicht nach § 43 Abs 1 StGB, überdies erhebt der Angeklagte Beschwerde gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gefaßten Beschluß. Er beantragt vom Widerruf der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe abzusehen.

Auch diesen Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.

Die Berufungsargumentation des Angeklagten, die sich nur gegen die Freiheitsstrafe richtet und wonach bei seinem eigenen Suchtgiftkonsum Dritte keinen Schaden erlitten hätten, übersieht das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG und die dabei ihm zur Last liegende Weitergabe großer Mengen von Heroin; zwei seiner Abnehmer sind in der Zwischenzeit sogar an einer Suchtgiftüberdosis gestorben. Die verhängte Freiheitsstrafe ist vom Schöffengericht angesichts der genannten Strafzumessungsgründe keineswegs zu hoch bemessen worden.

Da bereits in der Vergangenheit (mehrmals gewährte) bedingte Strafnachsicht den Rückfall des Angeklagten in gleichartig strafbares Verhalten nicht zu verhindern vermochte, liegen auch weder die Voraussetzungen für eine (abermalige) bedingte Nachsicht der Strafe noch für das Absehen vom Widerruf der früher gewährten bedingten Strafnachsicht vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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