OGH Okt7/94

OGHOkt7/949.5.1994

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch die stellvertretende Vorsitzende Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß als Vorsitzende sowie durch die weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr.Bauer, Hon.Prof.Dr.Smolka, Dkfm.Blaha, Dkfm.Dr.Zeilinger in der Kartellrechtssache Wirkungskartell der Mitglieder der Vertriebsbindung der T***** Gesellschaft mbH, Kartellbevollmächtigter Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Antrag auf Genehmigung, infolge Rekurses des Kartellbevollmächtigten gegen den Beschluß des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 17.Jänner 1994, 3 Kt 283/91-39, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zwischen der T***** Gesellschaft mbH als österreichischer Generalimporteur für neue T*****-Fahrzeuge und T*****-Ersatzteile und ihren Händlern und Subhändlern besteht eine Vertriebsbindung. Mit Beschluß des Kartellgerichts vom 9.11.1990, Kt 1346/89, wurden die T***** Gesellschaft mbH und die (damals) 201 Mitglieder der Vertriebsbindung gemäß § 57 Abs 1 und 2 KartG 1988 aufgefordert, als Mitglieder eines Wirkungskartells die Genehmigung dieses Kartells zu beantragen. Dem Beschluß lag ein Antrag der Amtspartei Republik Österreich vom 17.11.1989 zugrunde; diesem Antrag ging die Anzeige der T***** Gesellschaft mbH gemäß § 20 Abs 1 KartG 1988 voraus (Kt 1038/89).

Am 25.3.1991 beantragte der Kartellbevollmächtigte, das Wirkungskartell zu genehmigen, sollte sich das Kartellgericht der Meinung der Republik Österreich anschließen, daß ein Wirkungskartell vorliege. Die Teilnehmer hätten keineswegs beabsichtigt, den Wettbewerb durch die Vertriebsbindung in irgendeiner Weise zu beschränken. Möglicherweise werde aber eine derartige Beschränkung tatsächlich bewirkt. Ein allenfalls vorliegendes Kartell erfülle aber jedenfalls die in § 23 KartG 1988 festgelegten Genehmigungsvoraussetzungen. Es verstoße keineswegs gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten und sei volkswirtschaftlich gerechtfertigt.

Das Kartellgericht holte ein Gutachten des paritätischen Ausschusses ein, der, nachdem die Vertriebsvereinbarungen auf seine Anregung hin mehrmals geändert worden waren, die volkswirtschaftliche Rechtfertigung der zwischen dem Generalimporteur und den Händlern getroffenen Vereinbarungen bejahte (s ON 18; 36).

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Kartellgericht den Genehmigungsantrag des Kartellbevollmächtigten ab.

Die zwischen der T***** Gesellschaft mbH und ihren Händlern und Subhändlern bestehenden Vertriebsvereinbarungen seien, trotz Vorliegens der Tatbestandsmerkmale eines als volkswirtschaftlich gerechtfertigt begutachteten Kartells, vertikale Vertriebsbindungen im Sinne des Art II a KartG 1988 idF KartGNov 1993 BGBl 693. Vertikale Vertriebsbindungen bedürften keiner Genehmigung; sie seien vom bindenden Unternehmer vor ihrer Durchführung unter Anschluß eines Vereinbarungsmusters dem Kartellgericht anzuzeigen. Die Regelungen für Kartelle (Abschnitt II des KartG) seien auf vertikale Vertriebsbindungen nicht anzuwenden. Ein Genehmigungsantrag durch den für alle Kartellmitglieder einschreitenden Kartellbevollmächtigten sei daher nicht vorgesehen. Aus diesem Grund könne der Genehmigungantrag auch nicht in eine Anzeige nach § 30 b KartG 1988 nF umgedeutet werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Kartellbevollmächtigten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Genehmigungsantrag stattgegeben werde. In eventu solle festgestellt werden, daß das angemeldete Kartell, das nach § 20 Abs 1 KartG 1988 gleichzeitig als Vertriebsbindung angezeigt worden sei, wie eine vertikale Vertriebsbindung nach § 30 a KartG 1988 idF KartGNov 1993 zu behandeln sei. Schließlich wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Der Kartellbevollmächtigte rügt das Fehlen von Feststellungen. Das Kartellgericht hätte feststellen müssen, daß das gegenständliche Verfahren bereits vor Inkrafttreten der KartGNov 1993 eingeleitet wurde und daß die T***** Gesellschaft mbH die Vertriebsbindung gemäß § 20 Abs 1 KartG 1988 zu Kt 1038/89 angezeigt hat. Daraus und aus § 147 KartG 1988, wonach anhängige Verfahren "nach diesem Bundesgesetz" fortzusetzen sind, folge, daß das Kartellgericht das Kartell genehmigen hätte müssen. Zumindest aber hätte das Erstgericht die nach § 20 Abs 1 KartG 1988 angezeigte Vertriebsbindung als vertikale Vertriebsbindung nach § 30 a KartG 1988 nF behandeln müssen.

Durch die KartGNov 1993 BGBl 693 wurden vertikale Vertriebsbindungen aus dem Anwendungsbereich der für Kartelle geltenden Bestimmungen herausgenommen. Sie sind im Abschnitt II a des KartG geregelt. Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind unabhängig davon anzuwenden, ob die vertikale Vertriebsbindung ein Kartell ist. Der Anwendungsbereich der neuen Regelung ist demnach weiter als der der Regelung vertikaler Vertriebsbindungen nach dem KartG 1988 aF. Die Novelle trägt damit der Kritik an der alten Regelung Rechnung (EB 1096 Beil 18.GP, 17; s auch Gugerbauer, Kommentar zum Kartellgesetz2 § 30 a Rz 1).

Vertikale Vertriebsbindungen - ausgenommen Preisbindungen - sind Verträge zwischen einem Unternehmer (bindender Unternehmer) und einem oder mehreren wirtschaftlich selbständig bleibenden Unternehmern (gebundene Unternehmer), durch die diese im Bezug oder Vertrieb von Waren oder bei der Inanspruchnahme oder Erbringung von Leistungen beschränkt werden (§ 30 a KartG 1988 nF). Sie sind vom bindenden Unternehmer vor ihrer Durchführung dem Kartellgericht unter Anschluß eines Musters der Vereinbarungen mit den einzelnen Mitgliedern anzuzeigen (§ 30 b KartG 1988 nF). Unerwünschte vertikale Vertriebsbindungen können auf Antrag unter vergleichbaren Voraussetzungen wie Kartelle untersagt werden (§ 30 c KartG 1988 nF); § 30 e KartG 1988 nF enthält eine Verordnungsermächtigung für Freistellungen. Nach Art IV KartGNov 1993 sind nach § 20 Abs 1 KartG 1988 aF angezeigte Vertriebsbindungen nach § 30 a KartG 1988 nF zu behandeln. Vertikale Vertriebsbindungen nach § 30 a KartG 1988 nF, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle bereits durchgeführt werden und noch nicht nach § 20 Abs 1 KartG 1988 aF angezeigt worden sind, sind bis 30.6.1994 nach § 30 b KartG 1988 nF anzuzeigen. § 147 KartG 1988 bestimmt, daß vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht anhängige Verfahren "nach diesem Bundesgesetz" fortzusetzen sind. Was mit Verfahren zu geschehen hat, deren Gegenstand die Genehmigung einer vertikalen Vertriebsbindung als Wirkungskartell ist, ist nicht ausdrücklich geregelt.

Solche Verfahren sind daher jedenfalls nach der neuen Regelung weiterzuführen. Danach ist eine Genehmigung vertikaler Vertriebsbindungen auch dann nicht vorgesehen, wenn die Vereinbarung die Tatbestandsmerkmale eines Kartells aufweist. Das schließt es aus, vertikale Vertriebsbindungen auch nach Inkrafttreten der Novelle 1993 als Kartell zu genehmigen. Dies muß auch dann gelten, wenn ein Untersagungsantrag nach § 30 c KartG 1988 nF abzuweisen wäre. Das Kartellgericht hat die Zulässigkeit vertikaler Vertriebsbindungen nur dann zu prüfen, wenn ein Untersagungsantrag vorliegt und, sind die Voraussetzungen für die Untersagung nicht gegeben, den Untersagungsantrag abzuweisen. Für die Genehmigung einer vertikalen Vertriebsbindung als Kartell ist nach der neuen Regelung kein Raum.

Zu prüfen bleibt, ob der Genehmigungsantrag als Anzeige nach § 30 b KartG 1988 nF aufgefaßt und zur Kenntnis genommen werden kann. Vertikale Vertriebsbindungen sind vom bindenden Unternehmer dem Kartellgericht anzuzeigen; den Genehmigungsantrag hat (hatte) der Kartellbevollmächtigte eingebracht (einzubringen). Nach § 54 KartG 1988 vertritt der Kartellbevollmächtigte die Kartellmitglieder und damit auch den bindenden Unternehmer. Ob eine Anzeige durch den Kartellbevollmächtigten somit auch eine Anzeige des bindenden Unternehmers ist, kann aber hier dahingestellt bleiben. Die T***** Gesellschaft mbH hat die zwischen ihr und ihren Händlern und Subhändlern bestehende Vertriebsbindung bereits vor Einbringung des Genehmigungsantrages zu § 20 Abs 1 KartG 1988 aF (Kt 1038/89) angezeigt. Sie hat damit ihre Anzeigepflicht nach der neuen Regelung erfüllt. Diese Anzeige ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; schon aus diesem Grund kann die vom Antragsteller gewünschte "Feststellung", wonach eine solche Anzeige erstattet wurde und die Vertriebsbindung eine vertikale Vertriebsbindung im Sinne des § 30 a KartG 1988 nF ist, nicht getroffen werden. Eine solche "Feststellung" sieht das Gesetz auch nicht vor; ihr Fehlen läßt die Rechtsposition des Antragstellers unberührt.

Das gleiche gilt aber auch für die Abweisung des Genehmigungsantrages: Dem Antragsteller wurde damit etwas versagt, dessen er nach der neuen Regelung nicht (mehr) bedarf; aus der Abweisung des Genehmigungsantrages erwachsen ihm auch für die Vergangenheit keine Nachteile. Der Antragsteller ist durch die angefochtene Entscheidung daher nicht beschwert. Die Beschwer ist aber nach ständiger Rechtsprechung eine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel. Fehlt die Beschwer, so ist das Rechtsmittel zurückzuweisen, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, rein theoretische Fragen zu entscheiden (KOG ÖBl 1991, 39 mwN).

Der Rekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.

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