OGH 6Ob13/94

OGH6Ob13/9428.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Abhandlung des Nachlasses nach der am 21.Dezember 1991 gestorbenen Rosa Reinelde G*****, wegen Feststellung der Erbhofeigenschaft im Sinne des § 1 AnerbenG, infolge des Revisionsrekurses der Miterben 1. Maria G*****, und 2. Josef G*****, beide vertreten durch Dr.Norbert Kohler, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 17. November 1993, GZ A 1458/92-30, ergangenen rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 21.Januar 1994, AZ 1 R 35/94(ON 38), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung

Die am 21.Dezember 1991 im 94.Lebensjahr als Witwe verstorbene Erblasserin hinterließ vier volljährige Kinder. Deren jeweils zu einem Viertel des Nachlasses ohne Rechtswohltat des Inventars abgegebenen Erbserklärungen hat das Abhandlungsgericht ausdrücklich entgegengenommen.

Der Nachlaß besteht nach dem gemeinschaftlichen eidesstättigen Vermögensbekenntnis sämtlicher Erben aus sechs im Alleineigentum der Erblasserin gestandenen Liegenschaften mit durchaus landwirtschaftlich genutztem Gutsbestand sowie dem Hälfteanteil an einer Liegenschaft mit dem Hausgrundstück und einem dieses umschließenden 3.624 m2 großen landwirtschaftlichen Grundstück. Der zweite Hälfteanteil an dieser Liegenschaft steht im Eigentum des jüngsten Sohnes der Erblasserin.

Zwischen diesem und seinem ältesten Bruder einerseits sowie den beiden übrigen Miterben andererseits ist die Erbhofeigenschaft des in den Nachlaß gefallenen landwirtschaftlichen Betriebes strittig.

Das Abhandlungsgericht stellte nach Einholung einer Stellungnahme der Landwirtschaftskammer beschlußmäßig fest, daß es sich bei dem in den Nachlaß gefallenen land- und wirtschaftlichen Betrieb um einen Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG handle.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Abhandlungsgericht eine neuerliche nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung auf. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters erklärte das Rekursgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Nach der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer ist im Zusammenhang mit dem übrigen Akteninhalt davon auszugehen, daß die im Alleineigentum der Erblasserin gestandenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücke im Gesamtausmaß von rund 5 1/4 ha gemeinsam mit landwirtschaftlich genutzten Grundstücken im Gesamtausmaß von 2 1/4 ha, die im Alleineigentum des jüngsten Sohnes der Erblasserin stehen, und einem in seinem Eigentum stehenden Waldgrundstück im Ausmaß von rund 36 a von der im gemeinschaftlichen Eigentum der Erblasserin und ihres jüngsten Sohnes stehenden Liegenschaft mit einem Gutsbestand von knapp 0,4 ha und dem Wohnhaus aus als einheitlicher, hauptsächlich der Milchtierhaltung gewidmeter landwirtschaftlicher Betrieb bewirtschaftet wurde, wobei noch Wiesen und Weiden im Gesamtausmaß von ca 18 ha als Pachtgründe mitbewirtschaftet wurden.

Dazu überband das Rekursgericht dem Abhandlungsgericht für das von diesem durch Erörterung mit den Erben, Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Landwirtschaftskammer und Einholung eines danach allenfalls nötig erscheinenden Sachverständigengutachten zu ergänzenden Verfahren unter anderem die Rechtsansicht, daß zur Beurteilung der Erbhofeigenschaft nicht nur die im Alleineigentum der Erblasserin gestandenen Grundstücke, sondern alle im Rahmen der betrieblichen Organisation bewirtschafteten Gründe zu berücksichtigen seien; und zwar nicht nur die im Miteigentum der Erblasserin und ihres jüngsten Sohnes gestandene Liegenschaft mit der Hofstelle, sondern auch die im Alleineigentum des Sohnes stehenden Liegenschaften, soweit diese mit dem Hof eine wirtschaftliche Einheit bilden (das heißt nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer der Bewirtschaftung im Rahmen eines einheitlichen Betriebes gewidmet wurden); unter dieser Voraussetzung aber auch die zugepachteten Flächen. Unter den im § 2 Abs 3 Anerbengesetz erwähnten mit dem Erbhof "verbundenen Nutzungsrechten" seien auch die auf Pachtvertrag beruhenden Nutzungsrechte nicht bloß vorübergehender Dauer zu begreifen.

Die Rechtsmittelwerber wenden sich gegen die mit dem rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß dem Abhandlungsgericht überbundene Rechtsansicht hinsichtlich der zugepachteten Flächen.

Dazu ist klarzustellen:

Rechtliche Beurteilung

Den anerbenrechtlichen Erbteilungsvorschriften sind nur Erbhöfe unterworfen. Als Erbhof begreift das Gesetz einen mit einer Hofstelle versehenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der im Eigentum des Erblassers, im gemeinschaftlichen Eigentum des Erblassers und seines Ehepartners oder im gemeinschaftlichen Eigentum des Erblassers und eines seiner Kinder oder Eltern steht, wenn der Durchschnittsertrag eines solchen Betriebes das gesetzlich umschriebene Mindestmaß nicht unterschreitet und das Höchstmaß nicht übertrifft.

Während die höferechtliche Begriffsbestimmung nach § 1 TirHG grundsätzlich auf die Betriebsliegenschaft und die Erbteilungsregelung demgemäß auf das Eigentum des Erblassers an dieser abstellt, knüpft die Begriffsbestimmung nach § 1 AnerbenG - ebenso wie jene nach § 2 Abs 1 KtnErbHG - an den landwirtschaftlichen Betrieb und damit an das Eigentum am Unternehmen an.

Das Anerbengesetz zählt in seinem § 2 die (wesentlichen) Hauptbestandteile eines Erbhofes auf und nennt dabei im dritten Absatz ausdrücklich die mit dem Erbhof (= Unternehmen) verbundenen Nutzungsrechte neben Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, den Rechten des Unternehmenseigentümers aus seiner Mitgliedschaft an landwirtschaftlichen Genossenschaften sowie den etwa auf dem Erbhof (= auf der Betriebsliegenschaft) betriebenen Nebenunternehmen.

§ 3 Abs 3 KrtnHöfeG nennt dagegen als Hofbestandteile ausdrücklich "die mit dem Eigentum am Hof oder an seinen Teilen verbundenen Nutzungsrechte."

Kralik (ErbR 373) unterscheidet nicht nach den dargelegten Formulierungen des TirHG, KrtnErbhöfeG und AnerbenG und lehrt, daß zum Erbhof (geschlossenen Hof) nach allen drei Gesetzen außer dem Zugehör im Sinne der §§ 294 ff ABGB alles gehöre, "was dem landwirtschftlichen Betrieb gewidmet ist, also auch zB obligatorische Pachtrechte".

Kathrein (Anerbenrecht 20) führt zu § 2 AnerbenG in Anm 3 aus, daß es sich bei den mit dem Erbhof verbundenen Nutzungsrechten "selbstverständlich auch um privatrechtliche Ansprüche, insb obligatorische Pachtrechte, handeln" könne. Der Kommentator weist dazu allerdings auf die gegenteilige vom Obersten Gerichtshof in seiner in EvBl 1965/49 veröffentlichten Entscheidung geäußerte Rechtsansicht hin.

Weder die zitierte Rechtsprechungsansicht noch die zitierten Lehr- und Kommentarmeinungen sind näher begründet.

August Meyer hob in seinem 1958 erschienenen Kurzkommentar zum Anerbengesetz (§ 2 Anm 4) hervor, daß "ein Großteil der hier genannten Rechte" in der Regel mit einer Landwirtschaft oder einer Stammsitzliegenschaft untrennbar oder grundbücherlich derart verbunden wäre, daß ihre Zugehörigkeit zum Erbhof weder übersehen noch in Zweifel gezogen werden könne; diese Kommentarmeinung nimmt zwar zu den Pachtrechten nicht ausdrücklich Stellung, scheint sie aber nicht als erbhofbildende Bestandteile anzuerkennen.

Martin Meyer übernimmt in seinem zum novellierten Anerbengesetz erschienenen Kurzkommentar (§ 2 Anm 4) die zitierten Ausführungen seines Vaters.

Edlbacher (MGA Bd 43) beschränkte sich 1961 mit der Wiedergabe der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 76 BeilNR VIII.GP, 15. Nach diesen seien "unter den Nutzungsrechten in erster Linie die im Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten genannten Nutzungsrechte zu verstehen". Damit scheinen pachtvertragliche Nutzungsrechte nicht angesprochen.

Zur Bedeutung pachtvertraglicher, insbesondere landpachtvertraglicher Nutzungsrechte des Erblassers in seiner Eigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer ("Betriebseigentümer") ist nach Ansicht des erkennenden Senates folgendes zu unterscheiden:

Pachtvertragliche Nutzungsrechte werden vom Bewirtschafter landwirtschaftlicher Eigengründe seinem bäuerlichen Unternehmen eingegliedert und mit einer solchen Widmung zum Unternehmensbestandteil. Soweit erbrechtliche Rechtsnachfolge auf Bestandnehmerseite erfolgt, tritt im Anerbenfall der Hofübernehmer und nicht die Erbengemeinschaft in das Vertragsverhältnis ein. In diesem Verständnis ist Kralik und Kathrein zu folgen.

Eine andere Frage geht aber dahin, ob pachtvertragliche Nutzungsrechte erbhofeigenschaftsbegründend sein können, mit anderen Worten, ob einem land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, dem bei Abgang der pachtvertraglichen Nutzungsrechte die Erbhofqualität fehlte, unter Mitberücksichtigung eben dieser Nutzungsrechte Erbhofeigenschaft zuzubilligen wäre.

Diese Frage scheint vom Gesetzgeber nicht als solche bedacht worden zu sein und ist jedenfalls ausdrücklich nicht geregelt.

Wenn aber das Gesetz auf den landwirtschaftlichen Betrieb, das heißt auf das bäuerliche Unternehmen und dessen Durchschnittsertrag abstellt, dann ergibt sich daraus, daß nur solche Unternehmensbestandteile Berücksichtigung finden können, von denen mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß sie als charakterisierendes Einzelstück (insbesondere im Eigentum des Unternehmers stehende Betriebsgrundstücke) oder doch als funktionell in den Betrieb eingegliederte, je nach technischer Eigenart und Lebensdauer austauschbare Gattungssachen auf Dauer dem Unternehmen gewidmet bleiben werden. Das ist bei dinglichen Nutzungsrechten grundsätzlich vorauszusetzen, bei rein schuldrechtlichen Nutzungsrechten aber nur dann, wenn die Bestandgewähr nach der konkreten Vertragsgestaltung eines bestehenden Nutzungsvertrages oder nach der für die Zukunft zu erwartenden örtlichen Marktlage für die betreffende Art von Nutzungsobjekten wenigstens für eine mittelfristige Zeitspanne in einer kritischen Vorausschau gegeben erscheint. Als maßgebende Zeitspanne bietet sich die für die Nachtragserbteilung als erheblich festgesetzte zehnjährige Frist an, weil Veränderungen im Hofbestand nach Ablauf dieser Zeitspanne keine anerbenrechtlichen Folgen mehr nach sich ziehen sollen.

Entgegen der von den Rechtsmittelwerbern vertretenen Ansicht sind pachtvertragliche Nutzungsrechte - wie sie in der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer ohne nähere Ausführung erwähnt werden - bei der Ermittlung des für die Erbhofeigenschaft eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nach § 1 Abs 1 AnerbenG maßgebenden Durchschnittsvertrages nicht grundsätzlich außer Ansatz zu lassen, sondern vielmehr unter der Voraussetzung der dargelegten Bestandgewähr mitzuberücksichtigen.

Mit dieser näheren inhaltlichen Bestimmung ist der von den Rechtsmittelwerbern bekämpften rekursgerichtlichen Rechtsansicht beizutreten.

Der rekursgerichtliche Verfahrensergänzungsauftrag ist daher auch in Ansehung der pachtvertraglichen Nutzungsrechte aufrechtzuerhalten und nur insoweit auszudehnen, als auch die Umstände zu erörtern und festzustellen sein werden, aufgrund derer in heutiger Sicht für eine Zeit bis etwa 2001 mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen (oder nicht angenommen) werden kann, daß wirtschaftlich vertretbare Möglichkeiten der Zupachtung von Wiesen und Weiden zur Milchtierhaltung bestehen werden.

Dem Revisionsrekurs gegen den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß war daher ein Erfolg zu versagen.

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