OGH 7Ob31/93

OGH7Ob31/9327.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Gerhard F*****, und 2. Anna F*****, ***** beide vertreten durch Dr.Hansjörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei V***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,187.706,71 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2.Juli 1993, GZ 4 R 177/93-15, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 2.April 1993, GZ 3 Cg 557/92b-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 23.025,42 (darin enthalten S 3.837,57 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 26.1.1981 geborene Robert F*****, der Sohn der Kläger, drang am frühen Abend des 11.7.1989 gemeinsam mit dem am 26.3.1984 geborenen Markus K***** in ein etwa 250 m von der elterlichen Wohnung entferntes, unbewohntes Gebäude ein, indem die Kinder die Stadeltür aufzwängten. Vom Stadel gelangten sie in den Keller des anschließenden Wohnhauses, in dem Holz gelagert war. Dort zündeten sie mit einem Feuerzeug und Streichhölzern Holzreste an, wodurch das Gebäude am 12.7.1989 gegen 1,30 Uhr in Brand geriet. Robert F***** war vorher schon öfters im Gebäude gewesen und hatte auch schon im Keller des Wohnhauses Papier angezündet. Es kann nicht festgestellt werden, woher die Kinder das Feuerzeug und die Zündhölzer hatten. Weiters kann nicht festgestellt werden, daß die Kläger von diesen Vorfällen informiert worden wären oder sonstige Hinweise erhalten und somit von diesen Aktivitäten ihres Sohnes gewußt hätten. Der Erstkläger hatte bei der beklagten Partei eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (AHB) 1984 zugrundelagen. Seine Ehegattin und der mj. Robert F***** waren mitversichert. Nach Art.22 AHB 1984 bestand die Obliegenheit, alle Maßnahmen Dritter zur gerichtlichen Durchsetzung von Schadenersatzforderungen dem Versicherer unverzüglich, spätestens jedoch binnen einer Woche ab Kenntnis anzuzeigen. Die beklagte Partei lehnte Versicherungsschutz für die Kläger ab. Sie vertrat den Standpunkt, sie sei infolge Prämienzahlungsverzuges leistungsfrei. Mit rechtskräftigem Urteil zweiter Instanz, das am 22.10.1992 zugestellt wurde, wurde rechtskräftig festgestellt, daß die beklagte Partei den Klägern gegenüber aus dem Schadensereignis vom 11./12.7.1989 Versicherungsschutz im Rahmen des bestehenden Haushaltsversicherungsvertrages zu gewähren habe. Noch während des Deckungsprozesses wurde von der V***** Versicherung auf Gegenseitigkeit (V*****), dem Feuerversicherer der durch den Brand geschädigten Eheleute Friedrich und Doris K*****, die Regreßklage wegen S 1,064.709,-- s.A. eingebracht und als Regreßgrund angeführt, daß die Eltern ihre Aufsichtspflicht gegenüber ihrem Sohn vernachlässigt hätten. Am 24.4.1992 erging zugunsten der V***** ein Versäumungsurteil, gegen das sich die jetzigen Kläger nicht zur Wehr setzten, sodaß es rechtskräftig wurde. Dieses Versäumungsurteil war zwischen den Klägern und der V***** in keiner Weise abgesprochen. Die beklagte Partei wurde von den Klägern weder von der Klagsführung durch die V***** noch von der Tatsache, daß ein Versäumungsurteil gefällt wurde, verständigt. Die Verständigung unterblieb ausschließlich deshalb, weil die beklagte Partei die Deckung abgelehnt hatte. Die beklagte Partei erfuhr von diesem Versäumungsurteil erst nach dessen Rechtskraft.

Mit ihrer am 23.12.1992 eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Zahlung von S 1,187.706,71 (das ist das im Regreßprozeß zuerkannte Kapital samt Kosten und kapitalisierten Zinsen) zu ihren Gunsten an die V*****. Da die beklagte Partei den Versicherungsschutz rechtswidrig verwehrt habe, seien die Kläger berechtigt gewesen, über die gegen sie erhobenen Schadenersatzansprüche frei zu disponieren. Im übrigen sei das Unterlassen der Verständigung der beklagten Partei nicht kausal für die Sachfälligkeit der beklagten Partei gewesen, weil diese auch im Fall der Bestreitung nicht zu verhindern gewesen wäre.

Die beklagte Partei wendete Leistungsfreiheit aufgrund der Verletzung der Obliegenheit, sie von der Klagsführung und der Erlassung des Versäumungsurteiles zu verständigen, ein. Bei Bestreitung der Regreßklage der V***** wäre es zu einer Klagsabweisung gekommen, weil von einer Verletzung der Aufsichtspflicht der Kläger gegenüber ihrem mj. Sohn keine Rede sein könne. Die beklagte Partei habe nach Deckungsablehnung niemals zu erkennen gegeben, daß sie keinen Wert mehr auf die Erfüllung dieser Obliegenheit lege. Die Kläger hätten leichtfertig gehandelt. Es bestehe der Verdacht, daß das Versäumungsurteil zwischen der V***** und den Klägern abgesprochen gewesen und die Verständigung der beklagten Partei von der Klagseinbringung bewußt unterlassen worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Kläger seien zwar ungeachtet der Deckungsablehnung verpflichtet gewesen, die beklagte Partei von der Klagsführung seitens der V***** zu verständigen. Sie hätten daher eine Obliegenheit verletzt, aber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt, sodaß die Obliegenheitsverletzung keine Leistungsfreiheit nach sich ziehe. Da der beklagten Partei jedoch die Möglichkeit genommen gewesen sei, Einwendungen im Haftpflichtprozeß zu erheben, sei das dort ergangene Versäumungsurteil für die beklagte Partei nicht bindend. Die Haftungsfrage der klagenden Parteien sei somit unter Berücksichtigung der von der beklagten Partei erhobenen Einwendung, daß die Kläger die Aufsichtspflicht nicht verletzt hätten, zu prüfen. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht liege nicht vor.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das Urteil dahin ab, daß der Klage - mit Ausnahme eines Teiles des Zinsenbegehrens (Zinseszinsen bis zum Tag der Klagsbehändigung) - stattgegeben wurde. Das Verhalten der Kläger, ein Versäumungsurteil in Haftpflichtprozeß ergehen zu lassen, sei nicht anders zu beurteilen als eine Anerkennung der Regreßforderung. Die AHB 1984 enthielten zwar in Art.22 Abs.3 lit.c ein Anerkenntnisverbot im Sinn des § 154 Abs.2 VersVG. In der unbegründeten Deckungsverweigerung sei jedoch ein Verzicht auf das Anerkenntnisverbot zu erblicken. Die daraus folgende Konsequenz, daß unter Umständen auch unbegründete Ansprüche mit Bindungswirkung gegen den Versicherer befriedigt würden, gelte nur dann nicht, wenn eine augenscheinlich leichtfertige Schadensregulierung durch den Versicherungsnehmer vorgenommen worden sei. Der Versicherungsnehmer hafte in einem solchen Fall dem Versicherer also nur für grobe Fahrlässigkeit bei der vorgenommenen Schadensregulierung. Soweit demnach Anerkenntnis oder Vergleich nicht zur Leistungsfreiheit führten, schade es dem Versicherungsnehmer auch nicht, wenn er im Zusammenhang mit dem erlaubten Anerkenntnis andere Obliegenheiten, insbesondere die Anzeigeobliegenheit, verletze. Es sei entgegen der in SZ 52/196 vertretenen Auffassung des Obersten Gerichtshofes nicht einzusehen, weshalb der Versicherer einen Anspruch auf Einhaltung der Obliegenheit zur Meldung allfälliger, gegen den Versicherungsnehmer eingeleiteter Schritte haben sollte, obwohl in der rechtswidrigen Verweigerung des Deckungsschutzes seitens des Versicherers die Überlassung der Regulierung des Schadensfalles durch den Versicherungsnehmer selbst gesehen werde. Auch der von Schauer, Einführung in das österreichische Vertragsversicherungsrecht2 310, und in einer unter anderem in VersE 1462 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vertretenen einschränkenden Auffassung über die Bindungswirkung der Entscheidung im Haftpflichtprozeß für den Deckungsprozeß - daß nämlich die Bindungswirkung davon abhängig sei, daß der Versicherer verständigt und ihm Gelegenheit zur Nebenintervention geboten worden sei - sei nicht zuzustimmen. Sofern dem Versicherungsnehmer nicht der Vorwurf der Leichtfertigkeit gemacht werden könne, trete die Bindungswirkung des Urteils im Haftpflichtprozeß für den Deckungsprozeß grundsätzlich auch dann ein, wenn der Versicherer am Haftpflichtprozeß nicht mitgewirkt habe oder - mangels Verständigung - gar nicht mitwirken habe können. Ein leichtfertiges, also grob fahrlässiges Verhalten, für das die beklagte Partei beweispflichtig sei, sei den Klägern nicht nachzuweisen gewesen. Daß grundsätzlich eine Haftung der Kläger wegen Vernachlässigung der Obsorge ihres Sohnes im Zusammenhang mit dessen Brandstiftung im Sinn des § 1309 ABGB in Frage komme, bestreite die beklagte Partei selbst nicht. Sie behaupte nur, daß ein achtjähriges Kind nicht so vollkommen beaufsichtigt werden könne, daß ein solcher Schaden hätte verhindert werden können. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen wie auch die Beweisergebnisse ließen aber die Frage durchaus offen, ob nicht den Klägern doch ein Vorwurf in dieser Hinsicht gemacht werden könne. Das Erstgericht habe in entscheidenden Fragen lediglich Negativfeststellungen getroffen. Richtig sei auch, daß sich nach dem Inhalt der Erhebungen der Sicherheitsbehörden die Möglichkeit ergebe, daß Robert F***** zur Zeit der Tat zurückgeblieben und "geistig und sprachlich auf dem Niveau eines Sechsjährigen" gewesen sei. Das Erstgericht habe dies zwar nicht festgestellt, doch auch nicht ausgeschlossen. Unsicherheiten in dieser Beziehung gingen infolge der Beweislastverteilung zu Lasten der beklagten Partei. Da somit nicht abschließend beurteilt werden könne, daß den Klägern keine Verletzung der Obsorgepflicht im Sinn des § 1309 ABGB unterlaufen sei, könne erst recht nicht den Klägern der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden, weil sie es für zwecklos hielten, sich gegen die Klage zu wehren.

Das Gericht zweiter Instanz erklärte die Revision für zulässig, weil die Entscheidung der in SZ 52/196 und VersE 1462 vertretenen Ansicht widerspreche.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Die Entscheidung der zweiten Instanz entspricht der sowohl in der deutschen Rechtsprechung und Lehre als auch in der österreichischen Rechtsprechung vertretenen Ansicht, daß die unbegründete Deckungsverweigerung als Verzicht auf die Einhaltung des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbotes anzusehen ist (VR 1991, 107 = VersR 1991, 570 = SZ 63/93 mwN; Prölss-Martin VVG25, 99, 741 je mwN). Versagt der Versicherer zu Unrecht den Versicherungsschutz, so geht das dem Versicherer zustehende Prozeßführungsrecht auf den Versicherten über, welcher nun seinerseits die vom Geschädigten gegen ihn geltend gemachten Ansprüche regulieren muß. Der Versicherte ist daher berechtigt, die Haftpflichtforderung durch Urteil (auch Versäumungsurteil) feststellen zu lassen, sie anzuerkennen oder über sie einen Vergleich abzuschließen. Dem Versicherer gegenüber haftet in einem solchen Fall der Versicherungsnehmer nur für grobe Fahrlässigkeit der von ihm vorgenommenen Schadensregulierung (EvBl. 1976/8 mwN).

Lehnt der Versicherer zu Unrecht den Versicherungsschutz ab, so begeht der Versicherungsnehmer - im Gegensatz zur Ansicht des Gerichtes erster Instanz - keine Obliegenheitsverletzung, wenn er ohne Mitwirkung des Versicherers die Haftpflichtforderung durch Urteil (auch Versäumungsurteil) feststellen läßt oder durch Vergleich oder Anerkenntnis an der Feststellung mitwirkt (vgl. auch VersR 1974, 405). Daß der Versicherer dennoch bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers bei der Schadensregulierung leistungsfrei wird, ist darin begründet, daß der Versicherungsnehmer als wider Treu und Glauben handelnder Vertragspartner des Versicherers die nachteiligen Folgen seines Handelns zu tragen hat. Daß dem Versicherungsnehmer in einem solchen Fall nur grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz schaden, beruht auf der Überlegung, daß der Versicherungsnehmer, der nach Ablehnung der Deckung anerkennt, jenem Versicherungsnehmer, der die Obliegenheit des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbotes verletzt, gleichgestellt sein soll (Bruck-Möller-Johanssen8 IV 101 f).

Diesem Grundsatz steht die Entscheidung SZ 52/196 insoweit nicht entgegen, als dort lediglich betont wird, daß der Versicherungsnehmer nicht schlechthin einerseits die vertragliche Verpflichtung des Versicherers in Anspruch nehmen und andererseits jegliche eigene Vertragspflicht leugnen könne. Der Versicherer könne sich dann nicht auf die in der Unterlassung der Schadensmeldung (der Meldung der Klagseinbringung) liegende die "Obliegenheitsverletzung" berufen, wenn sich aus seinem Verhalten ergebe, daß er auch weitere Schadensmeldungen unter keinen Umständen zur Kenntnis nehmen werde. Im vorliegenden Fall wurden die Kläger - anders als in dem der Entscheidung SZ 52/196 zugrundeliegenden Sachverhalt - nicht aufgefordert, die beklagte Partei über den zu erwartenden Prozeß auf dem laufenden zu halten. Die Kläger konnten auch nicht erwarten, daß die beklagte Partei nun auf einmal Deckung gewähren und damit doch noch für die Abwehr der gegen die Kläger im Haftpflichtprozeß erhobenen Ansprüche Sorge tragen werde. Die beklagte Partei wußte nämlich ohnehin längst von der an die Kläger herangetragenen Forderung und mußte mit einer Klagsführung gegen die Kläger rechnen. Sie hatte zudem auch noch Berufung gegen das ihre Deckungspflicht feststellende Urteil erster Instanz erhoben. Die Entscheidung SZ 52/196 spricht daher schon aufgrund des hier wesentlich anders gelagerten Sachverhaltes nicht für den Prozeßstandpunkt der beklagten Partei. Im übrigen führt auch diese Entscheidung letztlich aus, daß das dem Versicherer zustehende Prozeßführungsrecht auf den Versicherten übergehe, wenn der Versicherer zu Unrecht den Versicherungsschutz versage; der Versicherungsnehmer hafte dem Versicherer gegenüber nur für grobe Fahrlässigkeit bei der von ihm vorgenommenen Schadensregulierung.

Die Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes (unberechtigte Deckungsverweigerung durch den Haftpflichtversicherer) unter dem rechtlichen Aspekt der Bindungswirkung des im Haftpflichtprozeß ergangenen Urteiles für den Deckungsprozeß kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Als Grundsatz hat zwar zu gelten, daß die Bindungswirkung des Haftpflichturteiles für den Versicherer im Deckungsprozeß zu bejahen ist, sofern sich der Versicherer am Haftpflichtprozeß beteiligt hatte oder vergeblich zur Intervention

aufgefordert worden war (VersR 1985, 51; VersR 1990, 1376 = ZVR

1991/20 = VR 1991/251 = EvBl. 1990/97 mwN aus österreichischer und

deutscher Judikatur und Lehre). Diese Bindungswirkung ergibt sich aus der Rechtsnatur und dem Zweck des Haftpflichtversicherungsvertrages und ist von der Rechtskraftwirkung des § 411 ZPO zu unterscheiden (VersR 1990, 1376, vgl. auch Bruck-Möller-Johanssen aaO, 95). In dem Ausnahmefall, daß der Versicherer die Deckung versagt hat, kommen daher keine anderen als die oben angestellten Erwägungen zum Tragen, daß nämlich nun dem Versicherungsnehmer bei Inanspruchnahme durch die Schadenersatzklage des Geschädigten die Disposition über den Haftpflichtanspruch überlassen bleibt, wobei der Versicherungsnehmer nur nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig zum Nachteil des Versicherers agieren darf.

Eine dieser Ansicht widerstreitende Meinung läßt sich entgegen den Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz weder der unter anderem in VersE 1462 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes noch den Ausführungen Schauers aaO entnehmen. Diese Belegstellen gehen nämlich vom Normalfall und nicht von dem hier vorliegenden Ausnahmefall aus, daß der Versicherer Deckung verwehrt und damit die Disposition dem Versicherungsnehmer überlassen hat. Im übrigen weist Schauer selbst aaO, 311 darauf hin, daß eine Ausnahme vom zitierten Grundsatz dann anerkannt werde, wenn der Versicherer bereits seine Leistungspflicht abgelehnt hat und nun der Versicherungsnehmer den Schaden mit dem Geschädigten - sei es auch im Rahmen des Haftpflichtprozesses - selbst reguliert.

Das Gericht zweiter Instanz hat daher mit grundsätzlich richtiger Argumentation die Bindungswirkung des im Haftpflichtprozeß ergangenen Versäumungsurteiles auf den Deckungsprozeß unter der weiteren Voraussetzung bejaht, daß den Klägern weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit am Zustandekommen des sie zum Schadenersatz verurteilenden Erkenntnisses vorzuwerfen ist.

Die Verneinung grob fahrlässigen Verhaltens der Kläger durch die Untergerichte ist zu billigen. Insoweit ist auf die Begründung des Gerichtes zweiter Instanz zu verweisen, der die Revision nichts Überzeugendes entgegenzuhalten vermag (§ 510 Abs.3 ZPO). Für die Kläger war nicht von vornherein damit zu rechnen, daß sie jedenfalls im Haftpflichtprozeß obsiegen würden. Abgesehen davon, daß die rechtliche Beurteilung der Frage der Aufsichtspflicht der Eltern im konkreten Einzelfall trotz vorhandener allgemeiner Rechtssätze hiezu nicht mit Sicherheit vorherzusehen ist, verblieben auch gewisse Risken in der Beweisführung zur Frage, ob die Kläger nicht doch von den mehrfachen Umtrieben ihres Kindes in dem letztlich in Brand gesteckten Objekt und womöglich auch von den Zündeleien wußten oder wissen mußten. Da die beklagte Partei trotz ihrer bereits erfolgten Verurteilung in erster Instanz und trotz Kenntnis von der drohenden Inanspruchnahme der Kläger auf ihrer Leistungsfreiheit beharrte und die Kläger auch nicht aufgefordert hatte, sie dennoch von einer Klagsführung zu verständigen, kann das Unterlassen der Verständigung und das Unterlassen der Bestreitung der Haftpflichtklage, die mit einem zumindest zunächst von den Klägern zu tragenden, erheblichen Kostenaufwand verbunden gewesen wäre, nicht als grob fahrlässiges Verhalten qualifiziert werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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