OGH 10ObS74/94

OGH10ObS74/9426.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Edith Söllner und Oskar Harter (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hildegard S*****, Immobilienmaklerin, *****, vertreten durch Dr. Ernst Offer und Dr. Wolfgang Offer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Dezember 1993, GZ 5 Rs 107/93-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 31. August 1993, GZ 42 Cgs 82/93p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 18.8.1966 geschlossene Ehe der Klägerin mit dem Versicherten Georg S*****wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 26.1.1988 aus dem Verschulden des beklagten Mannes geschieden. Am selben Tag, unmittelbar vor der Verkündung dieses Urteiles, schloß die Klägerin mit ihrem Ehemann für den Fall der Rechtskraft des Scheidungsurteiles einen gerichtlichen Vergleich, dessen hier maßgeblicher Punkt 1 wie folgt lautete:

"Im gerichtlichen Vergleich des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 1.4.1981, 13 C 773/81, hat sich Joachim S*****, Drogist, *****, verpflichtet, seinem Bruder Georg S*****den Betrag von S 500.000,-- samt 12 % Zinsen seit 1.10.1978 zu bezahlen.

Im Zuge der auf Grund des vorgenannten gerichtlichen Vergleiches von Georg S*****gegen Joachim S*****eingeleiteten Lohnexekution zu E 1725/81 des Bezirksgerichtes Silz wurden vom Drittschuldner zugunsten des Joachim S***** Teilzahlungen geleistet, so daß die heute noch offene Schuld des Joachim S*****letztlich S 500.000,-- samt 12 % Zinsen seit 1.10.1984 beträgt.

Zur Abgeltung des Unterhaltsanspruches der Klägerin Hildegard S*****geb. T*****, geb. am 12.7.1946, gegen den Beklagten Georg S*****, geb. am 7.7.1935, tritt hiermit der Beklagte seine Forderung gegen Joachim S*****aus dem gerichtlichen Vergleich des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 1.4.1981, 13 C 773/81, im Betrag von restlich S 500.000,-- samt 12 % Zinsen seit 1.10.1984 an die Klägerin ab, wobei der Beklagte für die Richtigkeit und Einbringlichkeit haftet.

Die Klägerin verzichtet auf jedweden weiteren Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Gatten und verzichtet der Beklagte auf jedweden Unterhaltsanspruch gegenüber der Klägerin, dies auch für den Fall der Not und für den Fall geänderter Verhältnisse."

Mit 22.3.1988 beantragten die Klägerin und ihr geschiedener Ehegatte beim Bezirksgericht Silz, den Eintritt der Rechtsnachfolge auf seiten der betreibenden Partei im Exekutionsverfahren E 1785/81 zur Kenntnis zu nehmen. Im weiteren Verlauf erfolgten an die Klägerin durch Joachim S*****folgende Zahlungen: Februar bis April 1988 je S 6.517,--, Mai bis August 1988 jeweils S 6.237,--, September 1988 S 10.216,--, Mai 1990 S 1.269,10, Juni und Juli 1990 je S 2.148,30, Juli 1990 überdies S 55,40, August und September 1990 je S 2.203,70, im September 1990 zusätzlich S 2.480,90, Oktober 1990 bis Februar 1991 jeweils S 2.203,70, im Jänner zusätzlich S 526,80, März 1991 bis Jänner 1992 jeweils S 2.467,10, im September 1991 zusätzlich S 2.634,90, Jänner 1992 zusätzlich S 221,70, Februar 1992 S 2.688,80, März bis Dezember 1992 je S 1.291,--, im Mai 1992 zusätzlich S 2.572,20 und im Oktober 1992 zusätzlich S 2.245,--.

Der geschiedene Ehemann der Klägerin verstarb am 1.10.1992.

Mit Bescheid vom 25.2.1993 lehnte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft den Antrag der Klägerin vom 16.12.1992 auf Zuerkennung der Witwenpension nach ihrem geschiedenen Ehemann ab.

In ihrer dagegen erhobenen rechtzeitigen Klage begehrt die Klägerin die Gewährung der Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß ab Antragstag. Die Voraussetzungen des § 136 Abs 4 GSVG seien gegeben. In dem genannten Vergleich habe sich der geschiedene Ehemann dergestalt zu Unterhaltszahlungen an die Klägerin verpflichtet, daß er ihr seine Forderung von S 500.000,-- gegenüber seinem Bruder abgetreten habe. Damals sei eindeutig festgestanden und gemeinsamer Parteiwille gewesen, daß die Klägerin auf Grund dieser Forderungsabtretung regelmäßige Zahlungen vom Verpflichteten erhalten werde und daß diese Zahlungen als Unterhaltszahlungen des geschiedenen Mannes anzusehen seien. Demgemäß habe also der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes Unterhalt auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches an die Klägerin geleistet, welche Unterhaltszahlung auch betraglich bestimmt bzw. bestimmbar gewesen sei. Überdies sei vor der Scheidung zwischen der Klägerin und ihrem Mann mündlich vereinbart worden, daß er ihr einen Unterhalt in der Form zu bezahlen habe, daß sie nach der Scheidung die aus dem genannten Vergleich eingehenden monatlichen Zahlungen von S 6.517,-- erhalten sollte. Zur Sicherung dieser Unterhaltsvereinbarung sei anläßlich des Vergleiches vereinbart worden, die damals noch offene Schuld des Bruders an die Klägerin abzutreten. Diese Abtretung sei ausdrücklich zur Abgeltung des Unterhaltsanspruches der Klägerin erfolgt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Todes ihres geschiedenen Ehemannes keinen laufenden Unterhaltsanspruch mehr gehabt. Sie habe auf jeden weiteren Unterhaltsanspruch über die Forderungsabtretung hinaus gegenüber dem Verstorbenen verzichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es konnte nicht feststellen, daß bereits vor der Streitverhandlung im Ehescheidungsverfahren am 26.1.1988 eine Vereinbarung der Streitteile bestanden hätte, wonach der beklagte Ehemann der Klägerin auch nach der Scheidung Unterhalt hätte leisten sollen.

Ausgehend von diesem Sachverhalt erachtete das Erstgericht die Voraussetzungen des § 136 Abs 4 GSVG als nicht gegeben. Der vorliegende gerichtliche Vergleich stelle eine Unterhaltsablöse dar. Eine weitergehende Verpflichtung zur Leistung regelmäßigen Unterhaltes könne dem Vergleich nicht entnommen werden. Der Beweis einer vertraglichen Verpflichtung des Ehemannes zur Unterhaltsleistung an die Klägerin vor Eingehung des Vergleiches sei nicht erbracht worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es billigte mit eingehender Begründung die erstgerichtliche Beweiswürdigung, auf Grund welcher nicht festgestellt werden konnte, daß die Ehegatten bereits vor der Ehescheidung eine Vereinbarung getroffen hätten, wonach der Ehemann der Klägerin auch nach der Scheidung Unterhalt leisten sollte. Ein anders lautender Parteiwille als jener, der im gerichtlichen Vergleich Niederschlag gefunden hätte, sei nicht festgestellt worden, auch keine andere dem gerichtlichen Vergleich vorangegangene und diesen modifizierende Vereinbarung. Damit sei ausschließlich auf den Punkt 1 des gerichtlichen Vergleiches Bedacht zu nehmen. Er lasse keine andere Deutung offen als jene, daß der Klägerin zur endgültigen und einmaligen Abfindung aller ihrer (allfälligen) Unterhaltsansprüche gegenüber dem Ehemann der im Vergleich genannte Kapitalbetrag zur Verfügung gestellt werden sollte. Damit sei aber die allein entscheidende Frage, ob nämlich der Klägerin zum Zeitpunkt des Todes ein Unterhaltsbeitrag auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches zugestanden sei, zu verneinen. Der Ehegatte der Klägerin habe es eben unternommen, seine Unterhaltsverpflichtung durch eine einmalige Abschlagszahlung zu erfüllen, wobei es nicht weiter von Bedeutung sei, ob diese Zahlung unter einem oder ratenweise oder wie hier durch laufende Zahlung aus einer Lohnpfändung getilgt werde. Berücksichtige man den Sinn und Zweck der Witwenpension, nämlich den Ausgleich des durch den Tod entfallenen Unterhaltsbetrages, so spreche auch diese Erwägung gegen die Gewährung der Witwenpension. In der wirtschaftlichen Situation der Klägerin habe sich durch den Tod ihres geschiedenen Ehemannes nichts geändert. Sie sei nach wie vor auf die Zahlungen von dessen Bruder angewiesen, sei es daß dieser freiwillige Zahlungen leiste, sei es daß die Zahlungen im Wege einer Lohnexekution einbringlich gemacht würden, wobei die unterschiedliche Höhe der zuletzt jeweils einbringlich gemachten Beträge zudem ein Hindernis in der Richtung der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des monatlich zu leistenden Unterhaltsbeitrages sein könne. In diesem Sinn habe der geschiedene Ehemann auch keine Zahlungsverpflichtung übernommen, der er bis zum Zeitpunkt des Todes noch nicht zur Gänze nachgekommen gewesen wäre und die bis zum Zeitpunkt des Todes noch nicht in vollem Umfang fällig geworden sei.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 136 Abs 4 GSVG (idF vor der 19. Novelle) gebührt die Witwenpension unter anderem der Frau, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden worden ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. Nach § 145 Abs 2 GSVG darf die Witwenpension nach § 136 Abs 4 dem gegen

den Versicherten zur Zeit seines Todes bestehenden ... aufgewerteten

Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag) ... nicht übersteigen.

Voraussetzung für den Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Witwenpension ist daher, daß die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes auf Grund eines der taxativ aufgezählten Rechtstitels nicht nur dem Grunde nach feststeht, sondern aus diesem auch die (monatliche) Anspruchshöhe bestimmt oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar ist (SSV-NF 4/161 ua, zuletzt 10 Ob S 224/93 = SSV-NF 7/114 - in Druck). Dem wird der aus Anlaß der Ehescheidung geschlossene gerichtliche Vergleich nicht gerecht. Nach dessen Inhalt war der Versicherte nicht verpflichtet, der Klägerin einen Unterhalt oder Unterhaltsbeitrag zu leisten; er hat sich von dieser Verpflichtung ("zur Abgeltung des Unterhaltsanspruches") vielmehr dadurch befreit, daß er der Klägerin eine ihm gegen seinen Bruder zustehende Forderung abtrat. Diese Forderung konnte sie auch nur mittels Lohnexekution in unterschiedlichen Teilbeträgen und bis zum Schluß der Verhandlung nicht gänzlich einbringlich machen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war Zweck der Forderungsabtretung, die allfällige Unterhaltsverpflichtung durch eine einmalige Abschlagszahlung zu erfüllen, ohne daß es von Bedeutung wäre, ob diese Abschlagszahlung unter einem oder ratenweise erfüllt werden sollte. Durch eine Unterhaltsabfindung in bestimmter Höhe unter Verzicht auf jeden weiteren Unterhaltsanspruch wird auch das für das Entstehen eines Leistungsanspruches aus der Hinterbliebenenversicherung notwendige sozialversicherungsrechtliche Risiko beseitigt: Nur periodische Unterhaltsleistungen unterliegen dem Risiko, durch Eintritt des Versicherungsfalles, nämlich durch den Tod des Versicherten zu entfallen; hingegen wird eine einmalige Unterhaltsabfindung durch den Tod des Versicherten nicht mehr berührt (zutreffend ASG Wien SVSlg. 38.400 = ZAS 1994 Jud Blg. 8).

Die Revisionswerberin kann sich aber auch nicht auf eine vor der Auflösung der Ehe eingegangene vertragliche Verpflichtung berufen, auf Grund derer der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte oder Unterhalt geleistet hat. Eine solche vertragliche Verpflichtung vor Scheidung der Ehe konnte von den Vorinstanzen eben nicht festgestellt werden; dem Revisionsgericht ist eine Überprüfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen verwehrt. Insoweit geht die Rechtsrüge nicht von den getroffenen Feststellungen aus, so daß ihr schon deshalb kein Erfolg beschieden sein kann.

Richtig ist, daß § 136 Abs 4 GSVG durch die 19. Novelle (BGBl 1993/336) dahin geändert wurde, daß einer geschiedenen Frau die Witwenpension auch dann gebührt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) geleistet hat und zwar "regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod, wenn die Ehe mindestens 10 Jahre gedauert hat" (lit d). Diese geänderte Fassung ist mit 1.7.1993 in Kraft getreten (§ 259 Abs 1 Z 4 GSVG) und gilt nach § 259 Abs 3 GSVG auch für Versicherungsfälle mit einem Stichtag vor dem 1. Juli 1993: Besteht nämlich ein Anspruch auf die Witwenpension erst auf Grund der durch die 19. GSVG-Novelle geänderten Bestimmungen, gebührt die Leistung ab 1.7.1993, wenn der Antrag bis zum 30.6.1994 gestellt wird, sonst ab dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten. Der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension besteht aber auch nach der dargestellten neuen Rechtslage nicht zu Recht:

Wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt, war ihr Anspruch auf regelmäßige Unterhaltszahlungen durch die einmalige Unterhaltsabfindung erloschen; ihr geschiedener Mann leistete keinen regelmäßigen Unterhalt oder Unterhaltsbeitrag zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs. Vom Schuldner der abgetretenen Forderung im Exekutionsweg hereingebrachte Zahlungen waren keine Unterhaltszahlungen des Versicherten, die dieser regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin geleistet hätte, und zwar weder rechtlich noch wirtschaftlich (vgl. den anders gelagerten Fall SSV-NF 6/132).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte