OGH 4Ob35/94

OGH4Ob35/9426.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Harald Schmidt I, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Dr.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 9.Februar 1994, GZ 2 R 28/94-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. Dezember 1993, GZ 10 Cg 300/93w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Beide Parteien betreiben den Einzelhandel mit Fotoartikeln, die Klägerin in I*****, die Beklagte ua im Einkaufszentrum "S*****" in I*****.

In einer als Zeitungsbeilage verteilten, 12 Seiten starken, kleinformatigen Werbezeitschrift hat die Beklagte für eine größere Anzahl von Produkten "Angebote gültig vom 18.11. bis 23.11.1993 bzw so lange der Vorrat reicht" - jeweils mit Abbildung und Preisangabe - veröffentlicht. Seite 8 oben enthielt folgende Einschaltung:

Während des Zeitraumes vom 18. bis zum 23.11.1993 waren in der I***** Filiale der Beklagten keine Filme "Kodacolor VR 100" vorrätig. Die Zentrale der Beklagten hatte dieser Filiale die Anweisung erteilt, statt dessen einen Film Agfacolor XRG 100 mit 36 Bildern einschließlich Negativentwicklung und 24 Kleinbild-Ausarbeitungen 9 x 13 oder für den Fall, daß auch diese Filme ausgehen sollten, den gleichen Film mit 24 Aufnahmen zum gleichen Preis zu verkaufen.

Einem Testkäufer der Klägerin, der am 18.11.1993 den Fachmarkt der Beklagten in I***** aufsuchte und sich dabei auf das Zeitungsinserat berief, wurde ein Film "Agfacolor XRG 100" mit 36 Aufnahmen um S 59 verkauft und eine Tasche für die Filmentwicklung mitgegeben, die für einen Farbfilm mit 24 Aufnahmen zur Filmentwicklung und Ausarbeitung von Farbbildern 9 x 13 berechtigt. Der Testkäufer wurde nicht darauf hingewiesen, daß ein Film "Kodacolor VR 100" binnen einem oder zweier Tage beigeschafft werden könnte.

Zumindest zwischen 16. und 22.9.1993 verkaufte die Beklagte die Filme Agfacolor XRG 100/ 135-36 im Dreierpaket um S 89. Der Normalpreis für einen Film Kodacolor VR 100/135-24 beträgt ohne Entwicklung S 29, für einen Film Agfacolor XRG 100/135-36 ohne Entwicklung S 59 und für einen Film Agfacolor XRG mit 24 Aufnahmen ohne Entwicklung S 39.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Fotoartikeln zu Zwecken des Wettbewerbs Filme einer bestimmten Marke blickfangartig hervorgehoben unter dem Anschein eines besonders günstigen Angebotes anzukündigen, wenn tatsächlich Filme einer anderen Marke verkauft werden. Da Filme ua nach subjektiver Vorliebe für eine bestimmte Marke gekauft würden, werde das Publikum durch die - bildliche - Ankündigung einer anderen als der tatsächlich verkauften Filmmarke über die Beschaffenheit des Angebots in Irrtum geführt. Ein solches Anlocken sei überdies sittenwidrig.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe die in der Werbung angekündigten Kodacolor VR 100-Filme ausreichend auf Lager gehabt, jedoch damit rechnen müssen, daß sie in manchen Filialen, darunter in I*****, an dem einen oder anderen Tag nicht (mehr) vorrätig wären. Sie habe ihre I*****Filiale daher angewiesen, in einem solchen Fall dem Kunden den Film Agfacolor XRG 100/135-36 anzubieten. Sollte der Kunde auf dem Kodacolor-Film bestehen, sei die Bestellung gegen Auslieferung einen oder spätestens zwei Werktage später entgegenzunehmen. Auch der Testkäufer hätte in einem solchen Fall den verlangten Film erhalten. Der Film Kodacolor VR 100 sei ältere Technologie und habe nur 24 Aufnahmen, wogegen der Ersatzfilm "Agfacolor XRG" der neueren Technologie entspreche und 36 Aufnahmen aufweise. Dem Kunden sei somit ein weit teureres Produkt zum gleichen Preis verkauft worden.

Der Erstrichter erließ die einstweilige Verfügung. Werde statt eines in einer Werbezeitschrift angekündigten Markenartikels dann ein anderer Markenartikel zum selben Preis verkauft, weil der angekündigte Markenartikel überhaupt nicht vorrätig sei, liege eine Täuschung vor. Auf eine Benachteiligung des Kunden komme es in diesem Zusammenhang nicht an, sei doch anzunehmen, daß zumindest ein Teil der Verbraucher Erzeugnisse einer bestimmten Marke gegenüber anderen Markenprodukten bevorzuge, so etwa grundsätzlich lieber Filme der Marke Kodak als Filme der Marke Agfa kaufe oder umgekehrt. Solche Kunden würden aber auf Grund eines Inserates mit der Ankündigung eines bestimmten Markenartikels in das Verkaufslokal der Beklagten gelockt, um erst dort zu erfahren, daß dieser Markenartikel gar nicht verkauft werde, sondern ein gleichartiger Artikel einer anderen Marke. Die Beklagte habe damit gegen §§ 1 und 2 UWG verstoßen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Filme verschiedener Marken wiesen Unterschiede nicht nur in bezug auf standardisierte Eigenschaften wie Filmempfindlichkeit, Format und Anzahl der Bilder, sondern auch in bezug auf Eigenschaften, die von der subjektiven Vorliebe abhängig seien, wie etwa der Intensität der Farben auf. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde daher das Angebot eines bestimmten Markenfilmes mit der Erwartung verbinden, einen Film eben dieser Marke zu bekommen, und sich deswegen für das konkrete Angebot interessieren. Für diesen nicht zu vernachlässigenden Teil der potentiellen Kunden zähle die Marke eines angebotenen Filmes somit zu den wesentlichen Angaben, die den Kaufentschluß beeinflussen können. Stehe - wie hier - von vornherein fest, daß der konkret angebotene Film nicht verfügbar ist, sei das Angebot irreführend im Sinn des § 2 UWG; hiebei komme es nicht darauf an, ob der anstelle des angepriesenen tatsächlich abgegebene Film vorteilhafter ist, weil jedenfalls jene Kunden durch falsche Angaben in das Geschäftslokal der Beklagten gelockt worden seien, die - unabhängig vom Preis - auf Grund ihrer besonderen Vorliebe nur einen Film der in der Werbung angeführten Marke erwerben wollten. Ein unmittelbarer Gewinn der Beklagten müsse damit nicht unbedingt verbunden sein. Noch weniger komme es darauf an, ob der Testkäufer der Klägerin mit der Abwicklung des Geschäftes zufrieden war. Da feststehe, daß die Beklagte in dem von ihr angekündigten Zeitraum in der I***** Filiale überhaupt keinen der angebotenen Filme vorrätig hatte, komme es auf den Hinweis in der Werbung, daß die Angebote nur gültig seien, "so lange der Vorrat reicht", nicht an. Die Beklagte habe somit gegen § 2 UWG - allerdings nicht gleichzeitig auch gegen § 1 UWG - verstoßen. Der Spruch der einstweiligen Verfügung sei nicht zu beanstanden. Die Wendung "blickfangartig hervorgehoben" beziehe sich auf die vorangehende Wortfolge "Filme einer bestimmten Marke". Sie solle zum Ausdruck bringen, daß sich die Beklagte nicht auf das Angebot irgendeines beliebigen Markenfilmes beschränkt, sondern deutlich erkennbar einen Film der Marke "Kodacolor VR 100" angekündigt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund - daß nämlich Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehlt, ob die angesprochenen Verkehrskreise durch die unrichtige Ankündigung des Verkaufs einer bestimmten Markenware in einen für den Kaufentschluß ausschlaggebenden Irrtum geführt werden können - zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die von einem Gewerbetreibenden angepriesenen Waren müssen - von zufälligen Lieferschwierigkeiten oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen im Einzelfall abgesehen - in genügender Menge auch tatsächlich vorhanden und zu haben sein. Wird nämlich im Einzelhandel der Verkauf bestimmter Waren werbemäßig angekündigt, dann erwartet der Kunde, daß sie für eine gewisse Zeitdauer in einer ausreichenden Menge vorhanden sind und die Nachfrage gedeckt ist; andernfalls wird er über die Vorratsmenge irregeführt und damit verleitet, andere Waren zu kaufen, die vorrätig sind (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 934 Rz 360 zu § 3 dUWG; ÖBl 1979, 129; SZ 53/3; ÖBl 1980, 126; ÖBl 1983, 136; ÖBl 1992, 129 ua); wird insbesondere in einer Zeitung oder - wie hier - in einer Zeitungsbeilage geworben, dann erwartet der Verkehr, daß die angekündigte Ware im Zeitpunkt des Erscheinens der Werbeankündigung (schon und noch) vorrätig ist (Baumbach-Hefermehl aaO 935 Rz 361; ÖBl 1992, 129; 4 Ob 1100/93).

Daß die Beklagte mit der Sorgfalt eines redlichen Kaufmanns alles in ihrer Macht Stehende getan hätte, um einen der normalen Nachfrage genügenden Warenvorrat anbieten zu können und das Fehlen eines ausreichenden Warenvorrates auf unvorhersehbaren Umständen, für die die Beklagte nicht schlechthin verantwortlich ist, beruhte - in welchem Falle kein Verstoß gegen § 2 UWG vorläge, weil die Ankündigung ja ursprünglich richtig war und die von ihr angesprochenen Verkehrskreise gar nicht erwarten konnten, daß sie sich auf Fälle beziehe, in denen die Ware aus Gründen höherer Gewalt oder sonst ohne Verschulden des Werbenden nicht zum Verkauf gestellt werden kann (Baumbach-Hefermehl aaO 936 Rz 363 a; ÖBl 1992, 129), hat die Beklagte nicht geltend gemacht; in erster Instanz hat sie sich vielmehr nur darauf berufen, daß sie ihrer I***** Filiale die Anweisung gegeben habe, bei Fehlen des in der Werbung angekündigten Markenfilmes einen anderen Film anzubieten. Damit hat sie aber selbst zugegeben, daß sie gar nicht versucht, alle von ihr im Werbeprospekt angekündigten Waren in allen ihren Filialen bereitzuhalten, sondern in Kauf genommen hat, daß in manchen Filialen solche Waren nicht vorrätig sind.

Bei dieser Sachlage kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg - wie sie es erstmals im Revisionsrekurs macht - ins Treffen führen, daß das Publikum bei einer Werbung, in der eine Vielzahl von Waren als Beispiel für die Angebotsvielfalt und die Leistungsfähigkeit des Werbenden angepriesen werden, in Rechnung stelle, daß es bei der Disposition für einen nicht im Mittelpunkt der Anzeige stehenden Artikel zu einer vereinzelten Fehlleistung kommen könne (BGH GRUR 1987, 52 - "Tomatenmark"; GRUR 1987, 371 - "Kabinettwein"; Baumbach-Hefermehl aaO 937 Rz 363 d). Ob der Rechtsansicht des BGH, daß dann, wenn ein einzelner in der Zeitungswerbung eines Lebensmittelmarktes (und offenbar auch eines sonstigen Unternehmens, das tausende Artikel führt) unter mehr als 20 Artikeln angeführter und dort nicht besonders herausgestellter Artikel nicht lieferbar ist, darin nicht notwendig eine Irreführung des Verkehrs liegen muß, sofern dem ein Dispositionsfehler des werbenden Unternehmens zugrunde liegt, weil ja den von der Werbung angesprochenen Verkehrskreisen nicht unbekannt ist, daß es in solchen Unternehmen unvermeidlich zu vereinzelten Fehlleistungen kommen kann (GRUR 1987, 52 - "Tomatenmark"; GRUR 1987, 371 - "Kabinettwein"), gefolgt werden kann, bedarf hier keiner Prüfung. Hier hat sich ja für die Beklagte nicht erst nachträglich herausgestellt, daß auf Grund irgendeines Dispositionsfehlers die eine oder andere der angekündigten Waren nicht vorrätig war; vielmehr hat sie - wie den Feststellungen zu entnehmen ist - von Anfang an bewußt in Kauf genommen, daß zumindest der angekündigte Kodacolor-Film in I***** nicht vorhanden ist. Von einem Sachverhalt, welcher der unverschuldeten Lieferunfähigkeit gleichzuhalten wäre, kann in einem solchen Fall nicht gesprochen werden (Baumbach-Hefermehl aaO 937 Rz 363 d; vgl OLG Frankfurt GRUR 1989, 685).

Das Publikum konnte durchaus darauf vertrauen, daß (auch) der angekündigte Farbbilm Kodacolor - jedenfalls am ersten Tag des Angebotszeitraumes - in den in der Werbung aufgezählten Zweigstellen der Beklagten erhältlich ist. Daran kann der Umstand nichts ändern, daß im gleichen Werbefaltblatt auch noch mehr als 25 andere Artikel angeboten worden waren.

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß die Marke einer Ware jedenfalls für einen nicht unbeträchtlichen Teil des Publikums keineswegs nebensächlich, sondern für den Kaufentschluß ausschlaggebend ist. Das gilt auch für Farbfilme. Gerade die Marke "Kodacolor" übt - wie gerichtsbekannt ist - eine erhebliche Anziehungskraft aus. Die Werbeankündigung der Beklagten war daher geeignet, Kunden nur wegen dieser Markenware zum Aufsuchen eines Geschäftslokals der Beklagten zu bewegen, wo sie dann veranlaßt wurden, eine andere Ware - nämlich einen Farbfilm einer anderen Marke - zu kaufen. Der von der Beklagten veranlaßte Irrtum war daher zweifellos relevant, bestand doch zwischen dem Umstand, daß die durch die Handlung hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entsprach, und dem Entschluß der angesprochenen Verkehrskreise, sich mit dem Angebot zu befassen, ein Zusammenhang (SZ 54/97; ÖBl 1987, 18; MR 1990/235; WBl 1993, 266 uva).

Für die Beklagte ist demnach nichts daraus zu gewinnen, daß sie denjenigen Kunden, die auf Grund der beanstandeten Werbung einen Kodacolor-Film verlangten, einen - sonst allenfalls neueren - Agfacolor-Film angeboten hat.

Die Beklagte hat somit gegen § 2 UWG verstoßen.

Da der Name der Marke - "Kodacolor" - auf Seite 8 der Werbezeitschrift auf den ersten Blick zu sehen ist, kann man in diesem Zusammenhang durchaus von einer blickfangartigen Hervorhebung sprechen. Der Spruch der einstweiligen Verfügung ist daher nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte mit ihrem Rechtsmitteleventualantrag allein den Wegfall der Worte "blickfangartig hervorgehoben" anstrebt, übersieht sie, daß die Klägerin damit mehr erlangen würde, als sie begehrt hat (§ 405 ZPO), könnte sie doch dann Exekution auch in Fällen führen, in denen die Marke nicht blickfangartig hervorgehoben wurde.

Dem Revisionsrekurs mußte mithin ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 40, 50 Abs 1, 52 ZPO, jener über die Kosten der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.

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