OGH 12Os26/94

OGH12Os26/9414.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Czedik‑Eysenberg als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ernst G* wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Jänner 1994, GZ 3 a Vr 13854/93‑35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Raunig, und des Verteidigers Dr.Petrofsky, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0120OS00026.9400000.0414.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst G* des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 14.Oktober 1992 in Wien Eva Maria G* durch gefährliche Drohung, nämlich die sinngemäße Äußerung, wenn sie weiter im zweiten Bezirk der Prostitution nachgehen wolle, müsse sie ihm täglich 500 S Standgeld bezahlen, sonst würde er sie "umhacken", wobei er ihr eine kräftige Ohrfeige versetzte, zu Handlungen zu nötigen versucht, die sie am Vermögen schädigen sollten, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer nominell auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch überdies mit Berufung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) erhobene, der Sache nach eine Nichtigkeit nach der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO relevierende Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe entgegen der Vorschrift des § 252 Abs 1 StPO die polizeilichen Angaben der Zeugen Eva Maria G* und Hans Hermann T* verlesen, ohne daß die in den Z 1 oder 4 dieser Gesetzesstelle normierten Verlesungsvoraussetzungen gegeben gewesen seien, ist nicht stichhältig; denn die Vernehmung dieser Zeugen ist ‑ der Beschwerde zuwider ‑ keineswegs bloß wegen Nichtbefolgens von Ladungen unterblieben, sondern war nicht durchführbar, weil sie trotz umfangreicher Erhebungen (ON 28, 30, 32 und 33) nicht ausgeforscht werden konnten. Die Verlesung der mit diesen Zeugen aufgenommenen sicherheitsbehördlichen Protokolle gemäß § 252 Abs. 1 Z 1 StPO war somit zulässig und nicht von der Zustimmung der Prozeßparteien abhängig.

Aber auch das weitere Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) geht fehl.

Das Erstgericht hat den Schuldspruch des Beschwerdeführers nicht nur auf die Angaben der Zeugen Eva Maria G* und Hans Hermann T* vor der Polizei gestützt, sondern auch alle anderen entscheidungswesentlichen Verfahrensergebnisse berücksichtigt und auf dieser Grundlage, vor allem unter eingehender Würdigung des Verhaltens dieser Zeugen bei der Anzeigeerstattung, die widersprüchliche Verantwortung des Angeklagten, mit dessen Täterpersönlichkeit es sich ausführlich auseinandersetzte, als widerlegt erachtet. Mit dem Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe im Hinblick auf die Zugehörigkeit sowohl des Angeklagten als auch der genannten Zeugen zum Zuhälter‑ und Prostituiertenmilieu die Möglichkeit unberücksichtigt gelassen, daß die Zeugen den Angeklagten fälschlich bezichtigt haben könnten, wird kein formeller Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt, sondern vielmehr nach Art einer Schuldberufung in einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Weise die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes kritisiert. Gleiches gilt für die Behauptung des Angeklagten, seine wechselnde Verantwortung sei durch das Bestreben erklärbar, schon im Hinblick auf seine Vorstrafen jede neuerliche gerichtliche Verurteilung hintanzuhalten, und lasse auch sonst keine für ihn nachteiligen Schlußfolgerungen zu, weil damit lediglich der Beweiswert seiner Einlassung erörtert wird.

Es versagt aber auch die Rechtsrüge, in der der Beschwerdeführer zunächst unter Hinweis auf die vom Erstgericht getroffene Feststellung, derzufolge sich Eva Maria G* zur Tatzeit in Begleitung des Hans Hermann T* befand, die objektive Eignung der ihm als gefährliche Drohung angelasteten Äußerung in Abrede stellt, der Genannten begründete Besorgnis einzuflößen (nominell Z 10, sachlich Z 9 lit a).

Bei der rechtlichen Beurteilung dieser ‑ vom Erstgericht in tatsächlicher Beziehung als tätergewollte Drohung mit einer Verletzung am Körper beurteilten ‑ Äußerung des Beschwerdeführers ist zunächst von einem auf einen besonnenen Durchschnittsmenschen abzustellenden objektiven Maßstab auszugehen; es sind aber auch in der Person des Bedrohten gelegene Umstände mitzuberücksichtigen. Davon ausgehend hat das Schöffengericht mit dem Hinweis auf die ‑ nicht zuletzt aus den zahlreichen einschlägigen Vorstrafen abgeleitete ‑ Neigung des Angeklagten zur Gewalttätigkeit, aber auch auf die von ihm im vorliegenden Fall (durch Versetzen einer kräftigen Ohrfeige) demonstrierte Gewaltbereitschaft sowie auf seine Einbindung in das Zuhältermilieu zutreffend dargelegt, daß vom Tatopfer die Verwirklichung des angedrohten Übels, nämlich die Zufügung einer nicht unerheblichen Körperverletzung im Falle der Verweigerung der geforderten Zahlungen nach Lage des Falles auch tatsächlich zu erwarten war (Kienapfel BT II3 § 144 StGB RN 34; Leukauf‑Steininger Komm3 § 74 Z 5 RN 21).

Als rechtlich verfehlt erweist sich aber auch die in der Rechtsrüge sinngemäß vertretene Auffassung, eine Nötigung im Sinn des § 144 Abs. 1 StGB durch gefährliche Drohung setze in objektiver Hinsicht voraus, daß das Tatopfer tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt werde. Zur Herstellung des Tatbestandes der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB genügt vielmehr die ‑ vom Erstgericht zutreffend bejahte ‑ objektive Eignung der im konkreten Fall als Nötigungsmittel eingesetzten Drohung, der bedrohten Person begründete Besorgnis einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB); auf den tatsächlichen Eintritt einer nachhaltigen Beunruhigung des Tatopfers kommt es nicht an.

Soweit der Angeklagte in diesem Zusammenhang schließlich erneut die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin Eva Maria G* in Zweifel zu ziehen trachtet, unternimmt er abermals den ihm auch bei Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes verwehrten Versuch der Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war somit ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 144 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Dabei wertete es den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist, als mildernd, als erschwerend hingegen die einschlägigen Vorstrafen.

Der eine Strafherabsetzung und eine uneingeschränkte bedingte Strafnachsicht anstrebenden Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe nicht nur vollständig erfaßt, sondern auch ihrem Gewicht nach zutreffend gewürdigt. Soweit der Berufungsantrag damit begründet wird, daß die Vorgangsweise des Angeklagten in seinem Lebensbereich nicht unüblich und eher den Alltäglichkeiten zuzuordnen sei, werden keine für die angestrebte Strafkorrektur hinreichenden Grundlagen aufgezeigt. Bei der aktuellen Sachkonstellation, insbesondere der von ungehemmter einschlägiger Aggressionsbereitschaft geprägten Täterpersönlichkeit des Beschwerdeführers bedarf es zur Erreichung des Strafzwecks im hier aktuellen Kriminalitätsbereich schon aus spezialpräventiver Sicht der Verhängung von Sanktionen, die dem Tatunrecht und dem schon in der gesetzlichen Strafdrohung (sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen Störwert entsprechend Rechnung tragen. Diesen Erfordernissen wird die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe in angemessener Weise gerecht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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