OGH 10ObS81/94

OGH10ObS81/9414.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing.Robert Eheim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ferat M*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Alfred Steinbuch, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.Dezember 1993, GZ 33 Rs 123/93-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11. Juni 1993, GZ 4 Cgs 86/93v-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf eine Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren ab.

Es traf auf Grund des Pensionsaktes und der Befunde und Gutachten eines Sachverständigen für Chirurgie/Orthopädie sowie für Psychiatrie/Neurologie folgende Tatsachenfeststellungen:

"Beim Kläger besteht im wesentlichen ein unauffälliger orthopädischer Befund ohne Behinderungen und ohne entzündliche Veränderungen. Die Fingerbeweglichkeit ist uneingeschränkt. Es besteht kein Bandscheibenvorfall, aber auch keine Bandscheibenvorwölbung. Ebenso besteht eine Einschränkung der Beweglichkeit des Knies, ebensowenig bestehen auch Behinderungen des rechten Beines. Es findet sich auch ein organ-neurologisch regelrechter Befund. Die Arbeitsfähigkeit des Klägers ist daher nicht eingeschränkt."

Deshalb sei der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht eingetreten.

In der Berufung machte der Kläger Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Es verneinte die behaupteten Verfahrensmängel (Unterlassung der Vernehmung des Klägers als Partei und Nichteinholung eines weiteren Gutachtens) und erachtete die Beweis- und die Rechtsrüge als nicht gesetzgemäß ausgeführt.

In der nach § 46 Abs 3 ASGG zulässigen Revision macht der Kläger Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend und beantragt, das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es, allenfalls auch das erstgerichtliche Urteil, aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit).

a) Der Revisionswerber rügt zunächst, daß zu den Befundaufnahmen bei den ärztlichen Sachverständigen und zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vor dem Erstgericht kein Dolmetscher für die Muttersprache des Klägers beigezogen wurde. Eine entsprechende Mängelrüge wurde in der Berufung nicht erhoben. Sie darf daher nach stRsp des erkennenden Senates (SSV-NF 5/120 mwN) in der Revision nicht nachgetragen werden.

b) Hingegen darf die Ablehnung der sachlichen Behandlung einer in der Berufung geltend gemachten Rechtsrüge als Mangel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (SSV-NF 5/18 uva).

Dieser Verfahrensmangel läge aber nur vor, wenn die Berufung eine gesetzgemäß ausgeführte Rechtsrüge enthielte, ohne die das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung der Sache nicht überprüfen darf (Fasching, ZPR2 Rz 1775). Dazu wäre bestimmt und kurz zu begründen gewesen (§ 467 Z 3 ZPO), warum das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt oder infolge eines Rechtsirrtums eine entscheidungswesentliche Tatsachenfeststellung unterlassen hat.

Der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wurde lediglich dahin ausgeführt, die Arbeitsfähigkeit des Klägers wäre schon deshalb nicht mehr gegeben, weil das Erstgericht festgestellt habe, daß eine Einschränkung der Beweglichkeit des Knies bestehe.

Diese Rechtsrüge geht jedoch nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Sie widerspricht der erstgerichtlichen Feststellung, daß die Arbeitsfähigkeit des Klägers - infolge seines nicht pathologischen körperlichen und geistigen Zustandes - nicht eingeschränkt ist. Aus dem Zusammenhang aller Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, nach denen "im wesentlichen ein unauffälliger orthopädischer Befund ohne Behinderungen und ohne entzündliche Veränderungen besteht... und ebenso eine Einschränkung der Beweglichkeit des Knies besteht, ebensowenig auch Behinderungen des rechten Beines", ergibt sich eindeutig, daß die das Knie betreffende Feststellung einen offenkundigen Schreibfehler enthält. Sie müßte richtig lauten:

"Ebenso besteht keine Einschränkung der Beweglichkeit des Knies". Das wird auch bei einem Vergleich dieser Feststellung mit den ihr zugrunde liegenden Befunden des Sachverständigen für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (ON 5 AS 11) und des Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie (ON 6 AS 13) über die unteren Extremitäten des Klägers bestätigt. Der erstgenannte Sachverständige fand alle Gelenke aktiv und passiv frei, ohne Entzündungszeichen und ohne pathologische Geräusche, der zweitgenannte stellte ua keine Parese und keine neurogenen Atrophien fest.

Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Erstgericht mangels gesetzgemäßer Ausführung der Rechtsrüge richtigerweise nicht überprüft.

Deshalb kann auch der im § 503 Z 4 ZPO bezeichnete Revisionsgrund, daß das Urteil des Berufungsgerichtes auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruht, nicht vorliegen (SSV-NF 5/18 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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