Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Die am 24.4.1926 geborene Ehefrau des Klägers Karoline litt seit Jahren an einer atopischen Dermatitis vom Ekzemtyp, wobei Rötungen im Gesicht, an den Händen und an den Beinen auftraten. Sie begab sich in Behandlung mehrerer Fachärzte, die sie unter anderem mit Cortisonsalben behandelten. Diese Behandlungen brachten aber nur jeweils eine kurzfristige Besserung. In der Zeit vom 21. bis 31.8.1989 befand sie sich in stationärer Behandlung einer Universitätsklinik für Dermatolgie und Venerologie, wo wiederum eine atopische Dermatitis und Allergie diagnostiziert wurden. Für die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt wurde eine Therapieverordnung erstellt, die bei Auftreten schwerer Exazerbationen auch die lokale Anwendung von Kortikosteroiden vorsah. Trotz Behandlung mit den vorgeschriebenen Cremen und Meidung des Kontaktes mit sämtlichten Stoffen, hinsichtlich derer eine Allergie festgestellt wurde, traten immer wieder Exazerbationen auf, die vom praktischen Arzt konservativ mit Kalziumspritzen und Antihistaminika behandelt wurden. Am 21.11.1989 begab sich die Ehefrau des Klägers zu dem praktischen Arzt und Vertragsarzt der beklagten Gebietskrankenkasse Dr.P***** S*****, der nach ihrer Austestung mit der Elekroakupunkturmethode nach Dr.Voll eine Behandlung mit einer Vielzahl von individuell zusammengestellten homöopathischen Präparaten, Organpräparaten und Nosoden vornahm, die bereits nach der ersten zehnwöchigen Kur eine Besserung des Leidens bewirkte. Seit Abschluß dieser Behandlung am 24.9.1991 sind bei der Ehefrau des Klägers keine Exazerbationen mehr aufgetreten; es ist ihr wieder möglich, mit Putzmitteln in Kontakt zu kommen und Kosmetika, Zahnpasta, Haarshampoon und ähnliches zu verwenden. Lediglich die Nickelallergie ist verblieben.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung für die erfolgreiche Behandlung seiner Ehefrau bei dem genannten Arzt im Betrag von S 29.522,40, der sich aus S 16.000,-- Behandlungskosten und S 13.522,40 Medikamentenkosten zusammensetzt.
Mit Bescheid vom 19.9.1991 lehnte die beklagte Gebietskrankenkasse eine Kostenerstattung für die ärztliche Behandlung und die verordneten Mittel ab. Der in Anspruch genommene Arzt sei ein Vertragsarzt der Beklagten und könne nicht gleichzeitig als Wahlarzt tätig sein. Die verabreichten Mittel seien im Sinne der Richtlinien nicht notwendig gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Zahlung von S 29.522,40.
Die Beklagte beantragte die Abweisung dieses Begehrens. Ein Kostenersatz für Wahlarztkosten komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei dem genannten Arzt um einen Vertragsarzt der Beklagten handle, der nicht als Wahlarzt in Anspruch genommen werden könnte. Auch die Übernahme der Heilmittelkosten sei nach den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Arznei- und Heilmitteln sowie Heilbehelfen und aufgrund des erfolgversprechenden schulmedizinischen Therapiekonzeptes nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger einen Kostenzuschuß für die Behandlung seiner Ehefrau von S 13.522,40 (Medikamentenkosten) zu zahlen; hingegen wies es das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 16.000,-- (Arztkostenersatz) ab. Der Umstand, daß ein Heilmittel im Heilmittelverzeichnis nicht enthalten sei, könne für sich allein das Recht des Versicherten auf dieses Heilmittel nicht ausschließen, wenn es im speziellen Behandlungsfall den gesetzlich festgelegten Kriterien einer ausreichenden, zweckmäßigen und das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden Krankenbehandlung diene. Durch die schulmedizinische Therapie sei bei der Ehefrau des Klägers keine Besserung des Leidens eingetreten, während die alternative Behandlungsmethode jedenfalls eine Besserung wenn nicht Heilung des Hautleidens mit sich gebracht habe. Die verabreichten Heilmittel seien daher von der Beklagten zu ersetzen. Hingegen bestehe der Anspruch auf Arztkostenersatz nicht zu Recht. Nehme der Anspruchsberechtigte die ärztliche Hilfe durch einen Vertragsarzt in Anspruch, so könne er für diese keinen Ersatzanspruch gegen den Versicherungsträger geltend machen. Mit der Abgabe des Krankenscheines seien sämtliche von der Beklagten zu übernehmenden Arztkosten abgegolten.
Das Berufungsgericht gab der nur gegen den abweisenden Teil vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge. Als Wahlärzte könnten nur Nicht-Vertragspartner der Krankenkasse mit einem Anspruch auf Kostenerstattung der bezahlten Rechnung in Anspruch genommen werden. Ein Anspruch auf Kostenerstattung bei Inanspruchnahme eines Vertragspartners des Krankenversicherungsträgers als "Privatpatient" sei ausgeschlossen, weil es sich dabei um keine "anderweitige Krankenbehandlung" iSd § 131 ASVG handle. Da eine Erstattung von Wahlarztkosten bei Inanspruchnahme eines Vertragsarztes grundsätzlich ausgeschlossen sei, komme der vom Erstgericht nicht geprüften Frage, ob die Ehefrau des Klägers dem genannten Vertragsarzt einen Krankenkassenscheck übergeben und dieser eine Verrechnung mit der Beklagten vorgenommen habe, keine entscheidende Bedeutung zu. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, inwieweit ein Vertragsarzt als Wahlarzt in Anspruch genommen werden könne, fehle.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.
Die Beklagte erstattete fristgerecht eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision keine Folge zu geben. Diese Revisionsschrift war nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen. Ohne daß vorher ein Verbesserungsauftrag ergangen wäre, wurde eine weitere (gleichlautende), nunmehr durch Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehene Revisionsbeantwortung am 17.12.1993 zur Post gegeben. Damit ist die ursprünglich rechtzeitige Revisionsbeantwortung als ausreichend verbessert anzusehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber auch berechtigt.
Der Revisionswerber führt aus, die Beklagte habe noch im Verfahren erster Instanz bestritten, daß sie die Kosten der Behandlung nach der Elektroakupunkturmethode Dr.Voll zu übernehmen habe. Dies bedeute, daß der praktische Arzt für die Durchführung dieser alternativen Heilbehandlung als Vertragsarzt gar nicht in Anspruch genommen werden hätte können. Die Inanspruchnahme eines Vertragsarztes sei daher aufgrund der ungerechtfertigten Ablehnung der Leistung nicht möglich gewesen. Wenn der Krankenversicherungsträger die Erbringung der notwendigen Sachleistung ungerechtfertigt verweigere, habe er den Marktpreis für die erbrachte Leistung zu erstatten. Der Krankenversicherungsträger dürfe durch die ungerechtfertigte Ablehnung der Kostenübernahme nicht besser gestellt werden, als wenn er diese Kosten sofort übernommen hätte.
Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§ 338 ASVG) oder die eigenen Einrichtungen (Vetragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung (ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe) in Anspruch, so gebührt ihm nach § 131 Abs 1 ASVG der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung in der Höhe des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Die ärztliche Hilfe wird nach § 135 Abs 1 ASVG durch Vertragsärzte, durch Wahlärzte (§ 131 Abs 1) oder durch Ärzte in eigenen hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger gewährt. Bei der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe durch einen Vertragsarzt oder in eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers hat der Erkrankte einen Krankenschein vorzulegen (§ 135 Abs 3 ASVG). Nach diesen Bestimmungen hat ein Versicherter also die Möglichkeit, Vertragsärzte, Wahlärzte und Ärzte der eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des leistungszuständigen Krankenversicherungsträgers in Anspruch zu nehmen; damit wird dem Grundsatz der sogenannten freien Arztwahl entsprochen. Unter Vertragsarzt ist ein freiberuflich tätiger Arzt zu verstehen, der von den Sozialversicherungsträgern unter Vertrag genommen und so verpflichtet wurde, die Krankenbehandlung der Versicherten gegen ein Entgelt zu übernehmen, das vom Sozialversicherungsträger zu leisten ist (vgl § 338 ff ASVG). Bei Inanspruchnahme einer "anderweitigen Krankenbehandlung" - worunter aufgrund der Bestimmungen der §§ 135 Abs 1 und 3 und 338 ff ASVG zunächst die Behandlung durch einen freiberuflich tätigen Arzt, der zum Krankenversicherungsträger in keinem Vertragsverhältnis steht und der vom Gesetzgeber als "Wahlarzt" bezeichnet wird, verstanden werden kann -, sind die Kosten der wahlärztlichen Hilfe also zunächst vom Versicherten selbst zu begleichen. Diesem steht sodann gegenüber dem Krankenversicherungsträger ein Anspruch auf Kostenerstattung in der Höhe des Betrages zu, der bei Inanspruchnahme eines Vertragspartners des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Diesen gesetzlichen Anordnungen liegt die offenkundige Absicht des Gesetzgebers zugrunde, unter Wahrung der freien Arztwahl einerseits den Versicherten jedenfalls die Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen zu ermöglichen, ohne selbst zur Honorierung des Arztes herangezogen zu werden, ihn dadurch also zu schützen, und andererseits auch das Funktionieren des für diesen Zweck notwendigen Vertragsarztsystems zu gewährleisten. Daraus wurde gefolgert, daß ein Vertragsarzt nicht gleichzeitig auch als Wahlarzt im Sinne des ASVG in Anspruch genommen werden könne und daher auch eine Kostenerstattung bei Inanspruchnahme eines Vertragsarztes schon von Gesetzes wegen ausgeschlossen sei (Erkenntnis des VfGH vom 4.12.1992, G 155/92-V 54/92).
Diese Auffassung vertrat bereits das seinerzeit als letzte Instanz in Leistungsstreitsachen berufene Oberlandesgericht Wien (SSV 15/86; JBl 1977, 104; JBl 1982, 556 ua; vgl MGA ASVG 55. ErgLfg 765 FN 4 zu § 131; zustimmend offenbar auch Binder in Tomandl, SV-System 5.ErgLfg 211 bei FN 29 und Selb in Tomandl, 6. ErgLfg 614).
Hingegen vertreten Krejci (Probleme des individuellen Kassenarztvertrages, ZAS 1989, 119 f) und Schrammel (Der sogenannte "kassenfreie Raum", in Tomandl, Sachleistungserbringung durch Dritte in der Sozialversicherung, 70 ff, 94 f) den Standpunkt, daß auch Vertragsärzte hinsichtlich Leistungen, die nicht Gegenstand der jeweiligen Honorarordnungen oder von diesen Ärzten nicht als Einzelleistungen verrechenbar sind, als Wahlärzte mit Kostenerstattungsanspruch des Versicherten tätig werden können. Dieser Auffassung ist vor allem Grillberger (Privathonorierung von Vertragsärzten? in SozSi 1991, 526 ff, 531 ff) entgegengetreten. Schon aus dem Wortlaut der oben zitierten Bestimmung des § 131 Abs 1 ASVG ergebe sich, daß ein Wahlrecht des Versicherten nur zwischen Sachleistungserbringung bei Inanspruchnahme eines Vertragsarztes und Kostenerstattung bei Behandlung durch den Wahlarzt bestehe. Suche der Versicherte einen Vertragsarzt auf, habe er gegenüber dem Krankenversicherungsträger also nur Anspruch auf die Erbringung der Sachleistung. Werde mit dem Vertragsarzt eine private Behandlung vereinbart, gebühre keine Kostenerstattung. Nehme der Versicherte zwar eine Krankenbehandlung im Sinne des ASVG in Anspruch, lege dem Vertragsarzt aber keinen Krankenschein vor, dokumentiere er damit, auf seinen Sachleistungsanspruch anläßlich der Behandlung durch einen Vertragsarzt zu verzichten. Daher solle er auch nicht im nachhinein einen Kostenersatzanspruch erlangen. Dies sei zwar insoweit unbestritten, als es um Leistungen gehe, die aufgrund des jeweiligen Gesamtvertrages vom Vertragsarzt als Sachleistung zu erbringen sind, dh direkt mit dem Krankenversicherungsträger verrechnet werden. Ein Anspruch auf Kostenerstattung sei aber auch für Krankenbehandlungen bei Vertragsärzten ausgeschlossen, die nicht aufgrund des Gesamtvertrages erbracht werden. Wie sich aus den oben dargestellten Bestimmungen der §§ 131 und 135 ASVG ergebe, stelle das Gesetz die Wahlärzte eindeutig in einen klaren und ausschließlichen Gegensatz zu den Vertragsärzten. Ebenso spreche der verbindliche § 27 Abs 2 der Mustersatzung für die nach dem ASVG eingerichteten Krankenversicherungsträger (SozSi 1992, 582, 590) aus, daß als Wahlarzt ein Arzt anzusehen ist, der zur Kasse in keinem Vertragsverhältnis steht. Diese Auslegung finde auch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze: Der Versicherte sollte nämlich bei der Auswahl des ihm zusagenden Arztes nicht auf den Kreis der Vertragsärzte der Versicherungsträger beschränkt sein (599 BlgNR 7. GP 53). Bezweckt gewesen sei also die Ausdehnung der Wahlfreiheit auf die Nicht Vertragspartner. Die Bestimmung sei den Forderungen der Ärzteschaft entgegengekommen, die die Zulassung aller freiberuflich tätigen Ärzte im Rahmen der Sozialversicherung verlangte. Mit § 131 ASVG sollte verhindert werden, daß die Wahlärzte praktisch völlig von der Behandlung der Sozialversicherten ausgeschlossen werden. Keinesfalls sei hingegen bezweckt gewesen, den Vertragsärzten mit Hilfe der Kostenerstattung ein zusätzliches Einkommen im außervertraglichen Bereich zu sichern. Auch Grillberger (aaO 533) gelangt zu dem Ergebnis, daß der Versicherte, der eine Krankenbehandlung iSd § 133 Abs 2 ASVG bei einem Vertragsarzt in Anspruch nimmt, keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Versicherungsträger habe.
In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen (Kletter, Kostenerstattungen und Sachleistungsvorsorge, SozSi 1994, 27 ff, 32), daß die Eröffnung von Kostenerstattungsansprüchen für eine Leistungserbringung von Vertragsärzten, die die angeführten Ziele und damit den Gesamtvertrag unterlaufen, das Sachleistungssystem (möglichst wirtschaftliche Behandlung, Angebotssteuerung und Kostenbegrenzung) ernstlich gefährden würden.
Entscheidend ist zunächst die Beantwortung der Frage, ob die in den Gesamtverträgen normierte Behandlungspflicht die gesamte ärztliche Tätigkeit der Vertragsärzte regelt und die Vertragsärzte für die Behandlung von Versicherten ausschließlich auf die Honorarabrechnung mit dem Krankenversicherungsträger verwiesen sind oder ob auch im Rahmen der Behandlung von Versicherten ein sogenannter kassenfreier Raum besteht. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gesamtverträge den Vertragsärzten eine umfassende Behandlungspflicht auferlegen (vgl § 10 Abs 2 des Muster-Gesamtvertrages; in:
Dragaschnig-Souhrada, Schiedskommissionen und Vertragspartnerrecht, 85). Die ärztliche Behandlung ist im Gesamtvertrag dahin näher umschrieben, daß die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein muß, das Maß des Notwendigen jedoch nicht überschreiten darf (ebenso § 133 Abs 2 ASVG). Die vertragsärztliche Behandlung hat in diesem Rahmen alle Leistungen zu umfassen, die aufgrund der ärztlichen Ausbildung und der dem Vertragsarzt zu Gebote stehenden Hilfsmittel zweckmäßigerweise außerhalb einer stationären Krankenhausbehandlung durchgeführt werden können. Die einen integrierenden Bestandteil des Gesamtvertrages bildende Honorarordnung unterscheidet zwischen Grundleistungsvergütung einerseits und Sonderleistungstarifen andererseits. Dabei stellt sich die Frage, ob grundsätzlich alle ärztlichen Leistungen, die im Sonderleistungstarif nicht enthalten sind, als mit der Grundleistung abgegolten anzusehen sind.
Gemäß § 342 Abs 2 ASVG ist die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit grundsätzlich nach Einzelleistungen zu vereinbaren. Mit dieser Regelung sollte eine Abkehr von der früher üblichen Pauschalvergütung und mehr Leistungsgerechtigkeit bei der Entlohnung der Ärzte bewirkt werden (Grillberger aaO 529). Der Gesetzgeber hat damit dem System der Honorierung nach Einzelpositionen den Vorrang gegeben. Nach Grillberger (aaO 530) könne aus dem Vorrang der Einzelleistungsvergütung nicht geschlossen werden, daß es nach dem Gesamtvertrag verwehrt sei, ein Pauschalhonorar zu vereinbaren, mit dem alle jene ärztlichen Leistungen abgegolten werden, die nicht als Einzelleistung (Sonderleistung) in der Honorarordnung tarifisiert seien, weshalb durch die Grundleistungsvergütung des Gesamtvertrages alle Leistungen abgegolten würden, die nicht Gegenstand einer Sonderleistungsvergütung seien. Grillberger betrachtet den Gesamtvertrag als abschließende Regelung für alle ärztlichen Leistungen, die ein Vertragsarzt gegenüber einem Versicherten erbringt (ebenso Kletter aaO).
Dieser Auffassung kann nicht uneingeschränkt beigetreten werden. Eine wertende Betrachtung der Regelungen der Honorarordnung für Grundleistungen einerseits und Sonderleistungen andererseits ergibt, daß die wesentlichen ärztlichen Tätigkeiten, die über den mit der Behandlung jedes Patienten verbundenen Grundaufwand hinausgehen, im Rahmen des Sonderleistungstarifes abgegolten werden. So ist etwa für eine ausführliche therapeutische Aussprache zwischen Arzt und Patienten bereits ein Sondertarif vorgesehen; mit der Grundvergütung sind daher diesbezüglich nur ganz kurze therapeutische Aussprachen abgegolten. Haben aber die Vertragsparteien neben einer Grundleistungsvergütung für Leistungen bestimmten Umfanges Sonderleistungstarife festgelegt, so kann nicht unterstellt werden, daß neue, damals noch nicht für Rechnung der Kasse zu erbringende Leistungen, die in ihrem Aufwand und Inhalt solchen entsprechen, für die ansonsten Sonderleistungstarife vorgesehen wurden, mit dem Grundleistungstarif abgegolten werden sollen. Dies würde im Ergebnis dazu führen, daß alle neuen Untersuchungs- und Therapiemethoden, die unter Umständen beträchtliche Kosten für Geräte und einen Zeitaufwand erfordern, der sonst mit Sonderleistungstarifen honoriert wird, mit dem Grundleistungstarif abgegolten werden. Für den Krankenversicherungsträger entstünden damit keine zusätzlichen Aufwendungen, sodaß diese Mehrleistungen letztlich ohne Anspruch auf zusätzliches Honorar von den Vertragsärzten zu tragen wären. Ein solches Verständnis kann dem Gesamtvertrag nicht unterstellt werden. Die Bestimmungen über die ärztliche Behandlungspflicht im Gesamtvertrag sind daher im Zusammenhang mit der Honorarordnung zu sehen: Leistungen, die im Zeitpunkt der grundsätzlichen Einigung über die Positionen der Honorarordnung auf Kosten des Krankenversicherungsträgers nicht zu erbringen waren, die jedoch später Gegenstand des Kataloges der Leistungen wurden, auf die die Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger Anspruch haben, sind, sofern sie in ihrem Umfang und ihrer Qualität den Leistungen entsprechen, für die Sondertarife vorgesehen sind, nicht Gegenstand des Gesamtvertrages und damit auch nicht Gegenstand der aus diesem erfließenden Behandlungpflicht der Vertragsärzte (so zutreffend Bundesschiedskommission 27.10.1993, R 1-BSK/92, veröffentlicht in SSV-NF 7/A 7).
Die Unvollständigkeit der Gesamverträge kann den Anspruch des Versicherten auf Leistungen der Krankenbehandlung nicht schmälern. Der Gesamtvertrag ist ein dem Gesetz nachrangiges Gestaltungsmittel, das den gesetzlichen Anspruch auf Krankenbehandlung nicht einschränken oder beseitigen kann. Der Senat hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich betont, daß die in der Honorarordnung aufgezählten vertragsärztlichen Leistungen zwar ein Indiz für die Beurteilung darstellen, ob eine Krankenbehandlung zweckmäßig ist und das Maß des Notwendigen nicht übersteigt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, daß die Gesamtverträge nur unter den Vertragsparteien bindend sind und daher den Anspruch des Versicherten nicht begrenzen können (SSV-NF 3/154 = SZ 62/210); dem ist der Verfassungsgerichtshof gefolgt (SozSi 1992, 573). Die Judikatur hat damit die Existenz sogenannter kassenfreier Räume anerkannt (vgl dazu zuletzt Windisch-Graetz, Kassenfreier Raum und Anstaltspflege ? ZAS 1994, 37 mwN). Auch Grillberger, der zu diesem Problem eine andere Ansicht vertritt, gesteht zu (aaO 533), daß nach dem Modell der gesetzlichen Krankenversicherung kassenfreie Räume zwar nicht erwünscht seien, letztlich aber nur dann verhindert werden könnten, wenn dem Krankenversicherungsträger die vollständige Sicherstellung des Anspruches auf Krankenbehandlung im jeweiligen Gesamtvertrag gelinge. Nowendige, in den Gesamtverträgen aber nicht vorgesehene Leistungen ist der Versicherte auch dann zu fordern berechtigt, wenn sich die Vertragspartner (Vertragsärzte) - gestützt auf den Vertrag und daher von ihrer Seite berechtigt - weigern, diese Leistungen auf Kosten der Krankenversicherung zu erbringen (Schrammel, Veränderungen des Krankenbehandlungsanspruches durch Vertragspartnerrecht ? ZAS 1986, 145 f).
Fraglich dabei ist, ob der Versicherte auch dann Anspruch auf Kostenerstattung hat, wenn er von einem Vertragsarzt keine vertraglichen, sondern außervertragliche Leistungen begehrt, also Leistungen, die in der Honorarordnung nicht vorgesehen sind. Wie oben ausgeführt, begründet § 131 Abs 1 ASVG einen Kostenerstattungsanspruch, wenn der Versicherte nicht die Vertragspartner der Sozialversicherung zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung in Anspruch nimmt. Außervertragliche Leistungen werden aber gerade nicht als Sachleistungen erbracht. Ein Begehren auf Sachleistung kann vom Versicherten nur dann wirksam gestellt werden, wenn der Vertragsarzt aufgrund des Gesamtvertrages diese Leistung auf Rechnung des Versicherungsträgers bewirken muß. Leistungen, die nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Tätigkeit sind, können auch von einem Arzt, der in einem Vertragsverhältnis zum Krankenversicherungsträger steht, als Sachleistung nicht erbracht werden. Kann er die Leistung nach seinem Wissensstand erbringen und gehört sie zur Leistungspflicht der Sozialversicherung, dann nimmt der Versicherte auch beim Vertragsarzt eine "anderweitige" Krankenbehandlung in Anspruch. Demnach darf ein Versicherter einen Vertragsarzt privat im Hinblick auf eine spätere Kostenerstattung in Anspruch nehmen, wenn es sich um Leistungen handelt, die er auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers nicht erbringen darf (ebenso zutreffend Bundesschiedskommission aaO).
Dem hält Grillberger (aaO 532 f) entgegen, daß der Satzteil "zu Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung" in § 131 Abs 1 ASVG eine bloß klarstellende Formulierung ohne eigenständigen normativen Gehalt sei. Das Gesetz unterscheide nur zwischen Vertragspartnern und Nichtvertragspartnern, während die Wahlärzte in einem klaren und ausschließlichen Gegensatz zu den Vertragsärzten stünden. Für diese Auffassung scheint § 27 Abs 2 der Mustersatzung 1992 zu sprechen, wonach als Wahlarzt ein Arzt anzusehen ist, der zur Kasse in keinem Vertragsverhältnis steht. Diese Bestimmung ist aber nur dann mit dem Gesetz vereinbar, wenn das Gesetz tatsächlich den strikten Gegensatz zwischen Vertragsarzt und Wahlarzt statuiert, was aber nach den obigen Ausführungen gerade nicht anzunehmen ist. Grillberger beruft sich zur Begründung seiner These auch auf die Gesetzesmaterialien; der Versicherte sollte bei der Auswahl des ihm zusagenden Arztes nicht auf den Kreis der Vertragsärzte der Versicherungsträger beschränkt sein, weshalb § 131 ASVG dem Schutz dem Nichtvertragsärzte diene und bewirke, daß das Einkommen der Vertragsärzte vermindert werde, weil ihnen Patienten von Wahlärzten "weggenommen würden". Würde man auch Vertragsärzten mit Hilfe der Kostenerstattung ein zusätzlichen Einkommen verschaffen, so ginge dies zu Lasten der Nichtvertragsärzte, deren Einkommenschancen durch die erhöhte Konkurrenz niedriger würden. Grillberger geht also offenbar davon aus, daß der historische Gesetzgeber den Nichtvertragsärzten einen bestimmten Teil der von der Krankenversicherung geschuldeten Krankenbehandlung reservieren wollte. Nowendige Heilbehandlungen, die (noch) nicht Gegenstand eines Gesamtvertrages geworden sind, dürften danach ausschließlich bei Wahlärzten in Anspruch genommen werden.
Diese Ansicht kann nicht überzeugen. Folgte man ihr nämlich, dann könnten Wahlärzte gegen Kostenerstattung sowohl "vertragsärztliche" als auch außervertragliche Leistungen erbringen; den Wahlärzten stünde die gesamte von der Krankenversicherung zu gewährende Krankenbehandlung offen. Die Vertragsärzte wären demgegenüber auf jene Leistungen beschränkt, die Gegenstand des Gesamtvertrages geworden sind. Die darüber hinausgehende Versorgung der Versicherten wäre ihnen praktisch - mangels Kostenerstattungsanspruches - verwehrt. Das ASVG bietet keine Grundlage für die Annahme, daß der Gesetzgeber eine derartige Differenzierung beabsichtigte. Die Regelung des § 131 Abs 1 ASVG kann daher nur für den Anwendungsbereich eines Gesamtvertrages verstanden werden: Nur in diesem Bereich stehen sich Wahl- und Vertragsärzte gegenüber. Handelt es sich jedoch um Leistungen, die nicht Gegenstand eines Gesamtvertrages sind, so kann die zitierte Bestimmung überhaupt nicht zur Anwendung kommen, weil in diesem Bereich Vertragsärzte nicht zur Verfügung stehen.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die schulmedizinische Therapie bei der Ehefrau des Klägers keine Besserung ihres Leidens bewirken konnte, während die in Anspruch genommene alternative Behandlungsmethode jedenfalls eine Besserung, wenn nicht sogar Heilung des Hautleidens mit sich gebracht hat. Die Erstattung der Behandlungskosten der im konkreten Fall angewandten und offenbar nicht Gegenstand des Gesamtvertrages bildenden Therapie kann daher nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß der in Anspruch genommene Arzt Vertragsarzt der Beklagten sei. Es ist auch nicht richtig, daß es der Ehefrau des Klägers freigestanden wäre, den praktischen Arzt, der ein Vertragsarzt der Beklagten ist, mittels Vorlage eines Krankenscheines als Vertragsarzt ohne jede Kostenbelastung in Anspruch zu nehmen. Der Anspruch auf Kostenersatz besteht daher dem Grunde nach zu Recht.
Die Rechtssache ist jedoch nicht spruchreif, weil Art und Umfang der von dem praktischen Arzt entfalteten Tätigkeit bisher weder erörtert noch festgestellt wurden. Insoweit bedarf es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz, weshalb das angefochtene Urteil und das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben und die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen waren.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
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