OGH 7Ob615/93

OGH7Ob615/9313.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Josef P*****, infolge der Revisionsrekurse seiner Sachwalterin Dr.Eva W*****, und der Firma E*****, vertreten durch Dr.Amhof und Dr.Damian Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 29.September 1993, GZ R 396/93-105, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 19.August 1993, GZ SW 246/91-101, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs der Firma E***** wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs der Sachwalterin wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Josef P***** ist Eigentümer zahlreicher Liegenschaften. Mit Beschluß vom 4.10.1991 wurde für ihn Dr.Eva W***** zur einstweiligen Sachwalterin bestellt, wobei ihr Wirkungskreis unter anderem mit der Verwaltung des Liegenschaftsvermögens festgelegt wurde. Mit Beschluß vom 23.6.1993 wurde Dr.Eva W***** gemäß § 273 ABGB zur Sachwalterin bestellt. Der Kreis der von ihr zu besorgenden Angelegenheiten wurde mit der Vertretung vor Ämtern, Behörden und öffentlichen Institutionen, der Verwaltung der Liegenschaften des Betroffenen und der finanziellen Oberaufsicht bestimmt. Die Verwaltung des Pensionseinkommens wurde Josef P***** überlassen.

Am 3.4.1993 beantragte Dr.W*****, die im Alleineigentum des Josef P***** stehende Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** von einem gerichtlich zu bestellenden Sachverständigen schätzen zu lassen, weil Kaufanbote über 10 Mill.S und 8 Mill.S vorlägen. Die vom Erstgericht eingeholten Gutachten wiesen einen Verkehrswert der Liegenschaft von 7,411.000,-- S und der Möbel einschließlich der Kachelöfen von S 1,465.000,-- aus. Am 19.7.1993 erwirkte Dr.W***** die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Antrages auf Einräumung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung. Am 6.8.1993 beantragte Dr.W*****, den Verkauf dieser Liegenschaft an die Firma E***** um S 10 Mill. zu genehmigen.

Mit Beschluß vom 19.8.1993 genehmigte das Erstgericht diesen Kaufvertrag. Da der Betroffene die Liegenschaft nicht mehr zu Wohnzwecken benötige, deren Erhaltung aber sehr kostenintensiv sei, erscheine es aus finanzieller Sicht für den Betroffenen wesentlich günstiger, die Liegenschaft zu veräußern. Der gebotene Kaufpreis sei im Hinblick auf den Schätzwert und die Tatsache, daß Kaufobjekte in dieser Größe und mit diesem Wert nur eine begrenzte Käuferschicht ansprächen, für den Betroffenen vorteilhaft.

Dieser Beschluß wurde an den Betroffenen persönlich, an die Sachwalterin und an den Rechtsvertreter der Doris S*****, die ursprünglich die Sachwalterbestellung für Josef P***** angeregt und im Verfahren mehrere Anträge gestellt hatte, zugestellt. Doris S***** ist nach dem Akteninhalt die Adoptivtochter des Betroffenen.

Doris S***** erhob gegen den Genehmigungsbeschluß Rekurs mit der Begründung, daß die Liegenschaft wesentlich mehr wert sei, worauf der anläßlich des Abschlusses der Feuerversicherung im Jahr 1991 ermittelte Neubauwert von S 24,125.380,-- hinweise. Es hätte ein weiterer Sachverständiger beigezogen werden müssen. Außerdem sei die zu erwartende Wertsteigerung der Liegenschaften durch den Beitritt Österreichs zur EU zu berücksichtigen. Deshalb sei es wenig zweckmäßig, von mehreren in Frage kommenden Liegenschaften gerade diejenige Liegenschaft zu veräußern, die den höchsten Verkehrswert repräsentiere.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs dahin Folge, daß es den Genehmigungsbeschluß aufhob und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil die Rechtsprechung zur Frage der Rekurslegitimation von Verwandten im Zusammenhang mit einer Vertragsgenehmigung nicht einheitlich sei. Das Gericht zweiter Instanz vertrat diesbezüglich die Auffassung, daß nach der neueren Rechtsprechung in besonders gelagerten Fällen zur Wahrung der Interessen eines Pflegebefohlenen nicht nur diesem selbst, sondern auch den nächsten Verwandten ein Rekursrecht zustehe. Selbst wenn die Tochter des Betroffenen in ihrer Rechtssphäre nicht beeinträchtigt sei und mit dem Rechtsmittel auch eigene Interessen verfolge, könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß es ihr auch um die Wahrung der Interessen ihres Vaters gehe. Ihre Rechtsmittellegitimation sei daher zu bejahen. Inhaltlich führte das Gericht zweiter Instanz aus, daß zwar der Einwand der Rekurswerberin gegen den Kaufpreis unberechtigt sei, daß aber gemäß § 232 ABGB zu prüfen sein werde, ob ein Notfall vorliege bzw. ob der Verkauf zum offenbaren Vorteil des Pflegebefohlenen sei.

Diesen Beschluß bekämpfen sowohl die Sachwalterin als auch die Firma E***** (Käuferin) mit Rekurs.

Rechtliche Beurteilung

Zum Rekurs der Firma E*****:

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt dem Vertragspartner Pflegebefohlener im Verfahren zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung von Verträgen keine Beteiligtenstellung zu (RZ 1993/77 mwN). Der Vertragspartner kann weder die Genehmigung noch deren Versagung erwirken, weil dieses Verfahren ausschließlich im Interesse des Pflegebefohlenen durchzuführen ist und das Pflegschaftsgericht bei der Entscheidung über die Vertragsgenehmigung allein dessen Interessen zu berücksichtigen hat. Der Vertragspartner ist schon naturgemäß nicht zur Wahrung der Interessen des Pflegebefohlenen berufen. Zudem würde der Vertragspartner eines Pflegebefohlenen gegenüber dem Vertragspartner einer eigenberechtigten Person, auf deren Entschluß er keinen Einfluß nehmen kann, in ungerechtfertigter Weise begünstigt, würde man ihm das Recht zur Bekämpfung eines Genehmigungs- oder Versagungsbeschlusses des Pflegschaftsgerichtes zubilligen (RZ 1993/77). Der Rekurs der Firma E***** war daher mangels Rekurslegitimation zurückzuweisen.

Zum Rekurs der Sachwalterin:

Ihr Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Es ist zwar richtig, daß die Rechtsprechung zur Frage der Rekurslegimation der nächsten Angehörigen im Pflegschaftsverfahren nicht einheitlich ist. In den weitaus überwiegenden Entscheidungen, die sich mit dieser Frage auseinandersetzen, wird jedoch seit jeher ein solches Rekursrecht bei Vorliegen bestimmter Umstände bejaht. Die Rekurslegimation setzt demnach voraus, daß es sich um einen besonders gelagerten Fall handeln und der Rekurs im Interesse des Pflegebefohlenen insbesondere deshalb notwendig sein muß, um Gefahren abzuwenden, die dem Pflegebefohlenen allenfalls auch von seinem gesetzlichen Vertreter drohen, weil die Angehörigen diese natürlichen Schutzpflichten in bestimmten Fällen nur durch eine Beschwerde gegen Verfügungen der Unterinstanzen zur Geltung bringen könnten (EvBl. 1974/57; EFSlg. 37.187; SZ 42/48; 7 Ob 510/86; 2 Ob 518/88 ua; in diesem Sinne auch RZ 1992/30 [am Ende]). In solchen Fällen ist das den nächsten Verwandten im § 217 ABGB eingeräumte Recht, dem Gericht im Interesse des Pflegebefohlenen Anzeige erstatten zu können, extensiv auszulegen und begreift das Recht in sich, ein Rechtsmittel zu erheben (vgl. EvBl. 1962/87 mwN aus Rechtsprechung und Lehre). In einigen älteren Entscheidungen wurde zwar den Verwandten ein solches Recht in Angelegenheiten der Vermögensverwaltung Pflegebefohlener nicht zugebilligt (EvBl. 1952/386; EvBl. 1962/87). Die neueren Entscheidungen bejahten ihr Rekursrecht jedoch insbesondere auch gegen Beschlüsse, in denen es um die Verfügung über Vermögensrechte und die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung von Verträgen, die das Vermögen Pflegebefohlener betrafen, ging (5 Ob 1493/73 = EvBl. 1974/57; 7 Ob 631/88 und andere).

Auch hier liegt ein solcher Ausnahmefall vor, in welchem die überwiegende und insoweit nahezu einhellige Rechtsprechung der letzten Zeit, der sich der erkennende Senat anschließt, den nächsten Verwandten ein Rekursrecht zubilligt. Denn den Ergebnissen des Verfahrens erster Instanz kann nicht entnommen werden, weshalb es tatsächlich zum Verkauf dieser wertvollen Liegenschaft des Betroffenen kommen soll, obwohl der Liegenschaftsbesitz an sich eine sichere Vermögensanlage darstellt. Die hiezu erstmals im Rekurs an den Obersten Gerichtshof aufgestellten Behauptungen der Sachwalterin finden im bisherigen Akteninhalt keine Bestätigung. Wenn daher die zweite Instanz die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses als notwendig angesehen hat, um den offenbaren Vorteil der Veräußerung für den Betroffenen zu erheben, kann darin kein Rechtsirrtum erblickt werden.

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