OGH 7Ob37/93

OGH7Ob37/9313.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margit N*****, vertreten durch Dr.Nikolaus Schirnhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 71.500,- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.September 1993, GZ 1 R 55/93-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 27. November 1992, GZ 14 C 2376/92z-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 (darin enthalten S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat mit der beklagten Partei eine Betriebsunterbrechungs-Versicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsunterbrechungs-Versicherung für freiberuflich Tätige zugrundelagen.

Art 1 Abs 1 dieser Allgemeinen Bedingungen beschreibt den Gegenstand der Versicherung und hat folgenden Wortlaut:

"Soweit eine gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes durch ein Schadenereignis (Abs 2 bis 6) verursacht wird, ersetzt der Versicherer nach den folgenden Bestimmungen den dadurch entstehenden Unterbrechungsschaden (Art 2)"

Nach Abs 2 lit d der Allgemeinen Bedingungen gilt als Schadenereignis im Sinne des Abs 1 auch die gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes infolge Krankheit der den Betrieb verantwortlich leitenden Person. Abs 6 definiert die Krankheit als einen nach den medizinischen Begriffen anomalen körperlichen oder geistigen Zustand, auch wenn er als Folge eines Unfalles eintritt, soferne daraus eine völlige (100 %ige) Arbeitsunfähigkeit entsteht, so daß die den Betrieb verantwortlich leitende Person ihre berufliche Tätigkeit nach objektivem ärztlichem Urteil in keiner Weise ausüben kann auch nicht ausübt, also weder mitarbeitend noch aufsichtsführend oder leitend in ihrem Beruf tätig ist und sein kann.

Nach Abs 10 der Allgemeinen Bedingungen besteht aber für Unterbrechungsschäden im Zusammenhang mit Krankenhausaufenthalten oder ärztlichen Eingriffen, die nicht unmittelbar der Behebung von Krankheitszuständen dienen, sondern z.B. kosmetischen Behandlungen, einer Entwöhnungskur oder der Beseitigung der Unfruchtbarkeit sowie für Unterbrechungsschäden im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Entbindung oder darauf zurückzuführende Beschwerden oder infolge von Kur- und Erholungsaufenthalten kein Anspruch auf Versicherungsleistungen.

Die Klägerin wurde am *****1991 - in der 22.Schwangerschaftswoche - wegen eines Potter-Syndroms in die Krankenanstalt "***** Frauenklinik der Stadt *****" aufgenommen und nach einem Abgang der Leibesfrucht und Vornahme einer Curettage am *****1991 wieder entlassen. Das Potter-Syndrom ist als pathologischer Zustand anzusehen, der nur im Status der Gravidität auftreten kann. Es äußerst sich in einer Fehlbildung bzw. Störung der Kindesentwicklung und letztlich in einem Absterben der Leibesfrucht in der Gebärmutter, sodaß eine akute Gefährdung für das Leben der schwangeren Frau entsteht.

Die Klägerin begehrt aufgrund ihrer Betriebsunterbrechungs-Versicherung eine Versicherungsleistung von S 71.500,-, weil sie ihre berufliche Tätigkeit aus Krankheitsgründen vom 2.7.1991 bis 25.8.1991 nicht habe ausüben können.

Die beklagte Partei beantragte unter Hinweis auf die Ausschlußklausel des Art 1 Abs 10 der Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsunterbrechungs-Versicherung, wonach für Unterbrechungsschäden im Zusammenhang mit Schwangerschaft kein Anspruch auf Versicherungsleistungen bestehe, die Abweisung des Klagebegehrens.

Beide Vorinstanzen haben ausgehend von eingangs wiedergegebenen Sachverhalt die Klage abgewiesen.

Das Erstgericht erörterte rechtlich, der Unterbrechungsschaden sei im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft aufgetreten, wofür nach dem klaren Wortlaut der Versicherungsbedingungen kein Anspruch auf Versicherungsleistungen bestehe. Die Ausschlußklausel erfasse nicht nur Unterbrechungsschäden, die aus einer "normalen" Schwangerschaft entstünden, sondern auch daraus resultierende Erscheinungen mit eigenem Krankheitswert.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes. Es sei zwar ein im primären Risikobereich des versicherten Risikos gelegenes Schadenereignis im Sinne von Art 1 Abs 2 lit d der vereinbarten Versicherungsbedingungen eingetreten, doch sei der beklagten Partei der Nachweis eines sekundären Risikoausschlusses gelungen. Um einen solchen handle es sich nämlich bei der in Art 1 Abs 10 vereinbarten Schwangerschaftsausschlußklausel. Diese Risikoausschlußklausel erfasse auch das bei der Klägerin aufgetretene Potter-Syndrom, weil es nur im Zustand der Gravidität auftreten könne. Die beiden Ursachen Gravidität und Potter Syndrom stünden im Verhältnis der konkurrierenden Verursachung, weil nur beide gemeinsam den Schaden herbeigeführt haben bzw. keine von beiden Ursachen allein den Unterbrechungsschaden hätte herbeiführen können. Die Gravidität als Schadensursache sei aber jedenfalls vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Bei Konkurrenz einer ausgeschlossenen Ursache mit einer gedeckten Ursache sei in der Regel anzunehmen, daß sich die Ausschlußklausel durchsetzen solle. Die ausgeschlossene Ursache verdränge eine gedeckte Mitursache dahin, daß der Versicherungsschutz entfalle. Auch wenn man das Potter Syndrom als gedeckte Ursache ansehen wolle, komme dennoch die Ausschlußklausel zum Tragen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur verfahrensgegenständlichen Ausschlußklausel Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Stattgebung des Klagebegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben bzw. sie zurückzuweisen.

Die Revision ist zulässig, weil zur Bestimmung des Art 1 Abs 10 der Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsunterbrechungs-Versicherung für freiberuflich Tätige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorhanden ist; sie ist aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei der Betriebsunterbrechungs-Versicherung um eine Sachversicherung handelt, bei der der Betrieb und nicht die Person des Betriebsinhabers versichert ist (SZ 59/227, VR 1991, 236).

Der Umfang des versicherten Risikos ergibt sich aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die nach nunmehriger Rechtsprechung so auszulegen sind, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen mußte, wobei allerdings Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen. In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (vgl VR 1990, 57; 1990, 315).

Nach den Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsunterbrechungs-Versicherung für freiberuflich Tätige wird ein durch die gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes entstehender Unterbrechungsschaden dann ersetzt, wenn er durch ein im Abs 2 bis 6 des Art 1 beschriebenes Schadenereignis verursacht wurde. Als derartiges Schadenereignis gilt nach Abs 2 lit d die gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes infolge Krankheit der den Betrieb verantwortlich leitenden Person. Mit dieser "primären Risikoabgrenzung" wird daher klargestellt, daß eine durch einen Krankheitsfall der den Betrieb verantwortlich leitenden Person hervorgerufene Betriebsunterbrechung unter das versicherte Risiko fällt. Neben dieser "primären Risikobegrenzung" (vgl Prölss/Martin25 VVG 356, ÖJZ 1964, 19) kann aber durch einen "sekundären Risikoausschluß" auch ein Stück der primären Risikoabgrenzung durch einen sekundären Risikoausschluß vom Versicherungsschutz herausgebrochen werden (vgl Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht2, 99). Auf einen derartige "sekundären Risikoausschluß" hat sich auch die beklagte Partei berufen.

Nach Abs 10 der Allgemeinen Bedingungen besteht nämlich für Unterbrechungsschäden im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Entbindung oder darauf zurückzuführende Beschwerden kein Anspruch auf Versicherungsleistung.

Nach den oben dargelegten Auslegungsregeln für Allgemeine Versicherungsbedingungen kann aber die in dieser Bestimmung festgelegte Ausschlußklausel von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer nur dahin verstanden werden, daß damit sämtliche im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft auftretenden pathologischen Zustände (und nicht nur die normalerweise damit einhergehenden Beschwerden, wie dies die Revision vermeint) vom versicherten Risiko ausgeschlossen werden sollten. Risikoausschlußklauseln, durch die bestimmte, an sich in den durch die Versicherungsart gedeckten Gefahrenbereich fallende Gefahren ausgesondert werden sollen, verfolgen nämlich im allgemeinen den Zweck, ein für den Versicherer nicht überschaubares und nicht berechenbares Risiko auszuklammern, das eine vernünftige, wirtschaftliche Prämienkalkulation sehr stark erschweren oder gar unmöglich machen und sich vor allem mit dem Bestreben nicht vertragen würde, die Beiträge möglichst niedrig und damit für die Masse der in Betracht kommenden Versicherungskunden akzeptabel zu gestalten. Nach dem Zweck der verfahrensgegenständlichen Ausschlußklausel sollten daher alle Risken, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft auftreten können, vom Versicherungsschutz ausgenommen werden.

Berücksichtigt man, daß das bei der Klägerin aufgetretene Potter-Syndrom nur im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft möglich ist und gerade die im Zusammenhang damit auftretenden Beschwerden dem Versicherungsschutz nicht unterliegen sollten, dann erweckt die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch die Vorinstanzen keinerlei Bedenken. Es entspricht auch der Lehre, daß ein Ausschluß schon dann eingreift, wenn eine der adäquaten Ursachen des Schadens zu den ausgeschlossenen - wie hier die Beschwerden im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft - zählt (Prölss-Martin aaO 368, Bruck/Möller/Sieg8 § 49 Anm 153).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

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