OGH 8Ob514/94

OGH8Ob514/9413.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Jelinek, Dr. Rohrer und Dr. Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Arnulf Summer und Dr. Nikolaus Schertler, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Dietmar M*****, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen (restlicher) S 198.165,-- sA (Revisionsinteresse S 195.165 sA) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Revisionsgericht vom 22. September 1993, GZ 3 R 168/93-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 31. März 1993, GZ 5 Cg 100/92x-24, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.836,20 (einschließlich S 1.472,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anna und Werner H***** waren je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, auf dem sich ein im Jahre 1900 erbautes Haus mit 7 Wohnungen befindet.

Der Beklagte war Mieter des gesamten Hauses. Er bezahlte einen Mietzins von S 6.500 incl. Mehrwertsteuer. Das Mietverhältnis begann im Juli oder August 1988 und war auf 15 Jahre befristet. Der Beklagte hatte im Haus diverse Renovierungsarbeiten vorgenommen; wesentliche Umbauarbeiten, die die Substanz des Hauses betroffen hätten, wurden nicht gemacht.

Die Vertragsverhandlungen, die schließlich am 22. März 1991 zum Abschluß eines Kaufvertrages zwischen den bisherigen Eigentümern und der klagenden Partei führten, wurden seitens der bisherigen Eigentümer vom Beklagten geführt. Im Kaufvertrag wurde u.a. festgehalten, daß die Käuferin Kenntnis davon hat, daß das Kaufobjekt mit Mietrechten belastet ist. Am 23. Mai 1991 wurde die klagende Partei als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Zwischen der klagenden Partei und dem Beklagten wurde vereinbart, daß dieser der klagenden Partei das von den Untermietern geräumte Objekt am 30. Mai 1991 übergibt; zu diesem Zweck schloß er am 24. Mai 1991 hinsichtlich fünf Wohnungen einen gerichtlichen Räumungsvergleich ab. Für die getätigten Investitionen und für die Räumung des Objektes bezahlte die klagende Partei dem Beklagten am 28. Mai 1991 S 700.000,--. Dieser Betrag wurde nicht aufgeschlüsselt. Es wurde nicht darüber gesprochen, welcher Betrag auf die Ablöse von Investitionen und welcher Teil auf die Räumung des Objektes entfällt; nach dem Willen der Streitteile sollte der größere Teil dieses Betrages die Gegenleistung für die Räumung des Objektes durch den Beklagten sein.

Von den Voreigentümern des Hauses erhielt der Beklagte als Ablöse für die getätigten Investitionen und für die Aufgabe des Mietverhältnisses ebenfalls einen höheren Geldbetrag, und zwar S 900.000,--. Davon hatte die klagende Partei keine Kenntnis. Welche Vereinbarung zwischen den Streitteilen getroffen worden wäre, wenn die klagende Partei Kenntnis davon gehabt hätte, daß der Beklagte für die Investitionsablöse und die Aufgabe des Mietverhältnisses bereits vom Voreigentümer S 900.000,-- enthalten hat, kann nicht festgestellt werden.

Ende Mai 1991 trat die klagende Partei an die Benützer der Wohnungen heran, teilte ihnen mit, daß das Mietverhältnis mit dem Beklagten aufgelöst worden sei und daß sie daher nunmehr die Wohnungen als Untermieter des Beklagten rechtsgrundlos benützten. Sie räumte ihnen aber die Möglichkeit ein, zu den von ihr aufgestellten Bedingungen (erhöhter Mietzins) ein Hauptmietverhältnis unter gleichzeitigem Abschluß eines gerichtlichen Räumungsvergleiches zu begründen. Die Bewohner waren nicht bereit, diese Verträge zu akzeptieren und vertraten den Standpunkt, sie hätten mit dem Beklagten Hauptmietverträge abgeschlossen. Als die klagende Partei den Beklagten davon in Kenntnis setzte, bat sie dieser, von den Räumungsvergleichen keinen Gebrauch zu machen, sondern mit den Bewohnern in Vertragsverhandlungen zu treten. Da die Mieter nicht bereit waren, die Wohnungen freiwillig zu räumen, war die klagende Partei mit dieser Vorgangsweise einverstanden. Eine Vereinbarung des Inhaltes, der Beklagte werde der klagenden Partei den Teil des Geldes zurückbezahlen, der sich aus der Differenz des mit den Untermietern vereinbarten und des auf dem freien Wohnungsmarkt erzielbaren möglichen Mietzinses ergibt, wurde nicht getroffen. Es wurde auch nicht über einen Schaden gesprochen, der der klagenden Partei aus dieser Vorgangsweise entstehen könnte.

Nach Verhandlungen der klagenden Partei mit den Benützern der Wohnungen kam es zum Abschluß von Mietverträgen, in jenen sich die Mieter zur Zahlung eines höheren als des bisher gezahlten, aber niedrigeren als den von der klagenden Partei ursprünglich geforderten Mietzins verpflichteten, der aber pro Wohnung mehrere tausend Schilling betrug.

Mit der vorliegenden Klage macht die klagende Partei einen Schaden in Höhe von S 195.695,-- geltend, der ihr aus der nicht erfolgten Räumung der Wohnungen entstanden sein soll. Überdies seien ihr vereinbarungsgemäß zustehende Kautionsbeträge in Höhe von S 17.100 zu bezahlen; letztere sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Ihre Forderung auf Zahlung von S 195.665,-- begründete sie zunächst nur mit der behaupteten Vereinbarung, von den Räumungsvergleichen keinen Gebrauch zu machen , sondern sich mit den Untermietern zu einigen, wenn der Beklagte den Teil des Geldes zurückbezahle, der sich aus der Differenz der mit den Untermietern vereinbarten und der auf dem freien Wohnungsmarkt erzielbaren möglichen Mietzinse ergebe; dieses Vorbringen hält sie im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich ihr erst später, nämlich in der Tagsatzung vom 29. Jänner 1993 erstattetes Vorbringen (ON 20 S 1), der Beklagte habe ihr arglistig verschwiegen, daß die Verkäufer des Hauses für dieselbe Leistung, nämlich für die geräumte Übergabe des Hauses und die getätigten Investitionen S 900.000,-- an ihn bezahlt hätten. Hätte sie davon Kenntnis gehabt, hätte sie dem Beklagten den Betrag von S 700.000,-- nicht geleistet. Sie fordere daher diese rechtsgrundlose irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld vorerst im Ausmaß des Klagebegehrens zurück. Im übrigen stützte sie sich auf alle erdenklichen Rechtsgründe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens aus diversen Gründen, die für das Revisionsverfahren großteils nicht mehr relevant sind.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei - nach Fällung eines Teilanerkenntnisurteiles von S 14.600,-- betreffend die Kautionen - die geforderten restlichen S 198.165,-- sA zu. Es meinte, der klagenden Partei stehe gegenüber dem Beklagten aus dem Titel der Bereicherung ein Rückforderungsanspruch zu, weil dieser entgegen der Vereinbarung der Streitteile die Räumung des Objektes von den Untermietern nicht durchgeführt habe. Dadurch sei die Grundlage der Leistung, welche Grund für die Bezahlung des größeren Teiles des Betrages von S 700.000,-- gewesen sei und der daher jedenfalls in der Klagsforderung Deckung finde, weggefallen, weshalb der Beklagte zum Rückersatz verpflichtet sei.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung des Beklagten das erstgerichtliche Urteil dahingehend ab, daß es der klagenden Partei lediglich S 2.500,-- (restliche Kaution) zusprach, das Mehrbegehren von S 195.665,-- aber abwies und die Revision für nicht zulässig erklärte. In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefaßt betrachtet aus, aus der Vorgangsweise der klagenden Partei sei zu folgern, daß sie zumindest konkludent auf die Räumung der Wohnungen verzichtet habe. Dies habe zur Folge, daß sie sich auch nicht mehr mit Erfolg auf die Nichterfüllung der vom Beklagten vertraglich übernommenen Verpflichtung, für die Räumung der Wohnungen zu sorgen, berufen und daher aus der Nichterfüllung der Verpflichtung auch keinen Schadenersatzanspruch im Sinne des § 920 ABGB (- entgegen der Ansicht des Erstgerichtes handle es sich hier nicht um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch -) ableiten könne. Da nicht vereinbart worden sei, daß der Beklagte wegen des Wegfalles der Räumungsverpflichtung einen Teil der S 700.000,-- zurückzuzahlen habe, entbehre das Rückforderungsbegehren mit Ausnahme des noch offenen Kautionsrestes der Grundlage. Der Umstand, daß der Beklagte von den Verkäufern für die Räumung der Wohnungen und für seine Investitionen ebenfalls Geld verlangt und einen Betrag von S 900.000,-- erhalten habe, rechtfertige keinen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch der klagenden Partei wegen irrtümlicher Doppelzahlung. Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre unter anderem das Fehlen einer vertraglichen Verpflichtung zu dieser Leistung. Werde die Leistung - wie hier - in Erfüllung eines Schuldverhältnisses erbracht, sei die Rückforderung aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung ausgeschlossen. Die von der klagenden Partei behauptete Irreführung durch den Beklagten könnte nur dann einen Rückforderungsanspruch der Klägerin begründen, wenn sie die zwischen ihr und dem Beklagten getroffene Vereinbarung wegen Irreführung angefochten hätte, was aber nicht geschehen sei.

Gegen den klagsabweisenden Teil des Urteils richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, das Urteil zur Gänze im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, die behauptete Irreführung könnte nur dann einen Rückforderungsanspruch begründen, wenn die klagende Partei die Vereinbarung wegen Irreführung angefochten hätte.

Es fehlt zwar - entgegen der Behauptung der Revisionswerberin - nicht oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die "Einwendung" arglistigen Verhaltens als Anfechtungserklärung ausreiche, um Ansprüche unter einem mit Leistungsklage geltend machen zu können; die Ansicht des Berufungsgerichtes widerspricht aber der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Bei Irreführung kann die Klage auf Irrtumsanfechtung mit der Klage auf Rückabwicklung verbunden werden; auch die reine Rückzahlungsklage reicht unter der Behauptung der Ungültigkeit des Geschäfts aus (Rummel in Rummel ABGB I**2 Rz 7 zu § 870 und Rz 19 zu § 871, jeweils mwN). Es genügt, wenn die den Irrtum bzw. die Arglist begründenden Tatsachen vorgetragen werden und deutlich ist, daß der Vertrag angefochten werden soll (EvBl 1972/123; ähnlich Fasching, JBl 1975, 515).

Das hiefür notwendige Vorbringen hat die klagende Partei in der Tagsatzung vom 29. Jänner 1993 unzweifelhaft erstattet, so daß die Revision wegen dieses im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Verfahrensfehlers des Berufungsgerichts zulässig ist. Die Abweisung des Klagebegehrens aus diesem Grund ist verfehlt.

Jedoch kann dem Klagebegehren aus folgendem Grund kein Erfolg beschieden sein:

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Beklagte nicht nur gegenüber den Voreigentümern, als deren Machthaber er bei den Verkaufsverhandlungen auftrat, sondern auch gegenüber der klagenden Partei zur Aufklärung darüber verpflichtet war, daß er von beiden Teilen, also den Verkäufern und der Käuferin, für die Aufgabe seiner Mietrechte und die Abgeltung seiner Investitionen beachtliche Geldbeträge verlangt und erhalten hat (zur Aufklärungspflicht im allgemeinen, hinsichtlich der generelle Aussagen kaum möglich sind, Rummel aaO Rz 4 zu § 870 mwN). Selbst wenn man hier eine solche Aufklärungspflicht der klagenden Partei durch den Beklagten bejaht und die Unterlassung dieser Mitteilung als arglistig im Sinn des § 870 ABGB beurteilt (Rummel aaO), bedarf es zur erfolgreichen Anfechtung des Vertrages des Nachweises der Kausalität der Täuschung (Rummel aaO Rz 3 mwN; Kerschner, JBl. 1988, 549; aA ohne nähere Begründung E JBl 1988, 581, der nicht zu folgen ist; der Sachverhalt rechtfertigt jedoch einen prima facie Beweis, siehe unten). Da es sich hiebei um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt, ist die klagende Partei hiefür beweispflichtig. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen, weil nicht festgestellt werden konnte, welche Vereinbarung getroffen worden wäre, wenn die klagende Partei von dem Umstand Kenntnis gehabt hätte (Ersturteil S 10, Berufungsurteil S 8). Diese Nichtfeststellbarkeit hat die klagende Partei nicht bekämpft, sodaß von ihr ausgegangen werden muß. Es besteht nämlich auch bei Nachweis der Täuschung keine Vermutung, daß der Getäuschte den Vertrag dann nicht oder nicht so geschlossen hätte, was aber Voraussetzung jeder Irrtumsanfechtung, auch der arglistigen (§ 870 ABGB) ist. Ein Anscheinsbeweis (hiezu ausführlich Reischauer in Rummel ABGB II**2 Rz 4 ff zu § 1296 mwN), daß die klagende Partei dem Beklagten die begehrte Zahlung nicht geleistet hätte, wenn sie gewußt hätte, daß auch die Voreigentümer dem Mieter höhere Geldbeträge für die Aufgabe der Mietrechte und die Abgeltung der Investitionen gezahlt hatten, scheidet hier aus: Einen solchen "Erfahrungssatz über typische Geschehensabläufe" (aaO Rz 4) gibt es nicht, so daß es bei der allgemeinen Beweislastverteilung bleiben muß, daß die getäuschte klagende Partei die Kausalität der Täuschung für die dem Beklagten versprochene und geleistete Zahlung nachweisen müßte, was ihr aber - wie ausgeführt - nicht gelungen ist.

Hieraus folgt aber auch, daß der klagenden Partei der begehrte Betrag auch nicht unter dem Gesichtspunkt des negativen Vertragsinteresses als Schadenersatz zugesprochen werden kann. Es trifft zwar zu, daß nach § 874 ABGB der arglistig Irregeführte auch ohne Anfechtung des Vertrages (die hier ohnedies erfolgte), das "Integritätsinteresse" stets verlangen kann (Rummel aaO Rz 3 f zu § 874 mwN; insb. SZ 50/53). Voraussetzung ist aber auch hier - wie bei jedem Schadenersatzanspruch - die Kausalität des schädigenden Verhaltens, die die klagende Partei nicht nachweisen konnte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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