OGH 14Os49/94

OGH14Os49/9412.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gründl als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Innsbruck zum AZ 20 Vr 2375/89 anhängigen Strafsache gegen Eckhard Heinrich T***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143, 1. und 2. Fall, 15 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Eckhard Heinrich T***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 1. März 1994, AZ 7 Bs 92/94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Eckhard T*****wurde im oben bezeichneten Strafverfahren mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 1. Juli 1993 (ON 547/XVI) wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt und zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist infolge Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des genannten Angeklagten noch nicht rechtskräftig.

T***** wird seit 9. August 1991 (ON 94/III) - derzeit aus dem allein noch aktuellen Haftgrund der Fluchtgefahr - in Untersuchungshaft angehalten, nachdem er sich zuvor auf Grund des Haftbefehles vom 22. September 1989 (ON 6/I) in Frankreich in Auslieferungshaft befunden hatte.

Seinen Beschwerden gegen den Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft gaben die Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck am 12. September 1991 (ON 121/III) wie auch das Oberlandesgericht Innsbruck am 16. Oktober 1991 (ON 130/III) nicht Folge.

Bereits in der Haftprüfungsverhandlung vom 12. September 1991 (ON 119/III), aber auch in seiner Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz (ON 122/III), stellte Eckhard T***** die Gesetzmäßigkeit der seinerzeitigen Verhaftung sowie der Verhängung der Auslieferungshaft mit der Behauptung in Frage, daß der Tatverdacht im Haftbefehl unrichtig beurteilt worden sei.

Beide Beschwerdegerichte gingen bei Erledigung dieses Vorbringens davon aus, daß sich ihre Befugnis auf eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Untersuchungshaft beschränke. Die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die von den französischen Behörden verhängte Auslieferungshaft wie auch der zu dieser Auslieferungshaft führende Haftbefehl vom 22. September 1989 gesetzmäßig gewesen seien, falle nicht in ihre Kompetenz.

Am 21. Jänner 1994 beantragte der Angeklagte neuerlich unter Hinweis auf die behauptete Gesetzwidrigkeit des angeführten Haftbefehls vom 22. September 1989 seine Enthaftung.

Nach Durchführung einer Haftverhandlung gab das Landesgericht Innsbruck diesem Antrag mit Beschluß vom 10. Februar 1994 nicht Folge. Auch die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Innsbruck am 1. März 1994, AZ 7 Bs 92/94, abschlägig beschieden. Der Gerichtshof zweiter Instanz vertrat (abermals) die Auffassung, daß auf die Frage der Gesetzmäßigkeit des seinerzeitigen Haftbefehles im jetzigen Verfahrensstadium, in dem lediglich die Frage der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft Prüfungsgegenstand sein könne, nicht einzugehen sei.

Die dagegen ausgeführte Grundrechtsbeschwerde ist unzulässig.

Ohne die Voraussetzungen der Untersuchungshaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu bekämpfen, releviert die Beschwerde als Grundrechtsverletzung ausschließlich erneut den Umstand, daß seinerzeit bei Erlassung des - schließlich zur Verhängung der Auslieferungs- und in der Folge der Untersuchungshaft führenden - Haftbefehles vom 22. September 1989 der Tatverdacht unrichtig beurteilt worden sei.

Gemäß § 1 Abs 1 des (am 1. Jänner 1993 in Kraft getretenen) Grundrechtsbeschwerde-Gesetzes (GRBG) steht wegen Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzuges die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu. Die Grundrechtsbeschwerde ist gemäß § 4 Abs 1 leg.cit. binnen 14 Tagen ab dem Tag, an dem der Betroffene von der Entscheidung oder Verfügung Kenntnis erlangt hat, einzubringen. Wird die Entscheidung oder Verfügung schriftlich ausgefertigt und zugestellt, so endet die Frist nicht vor Ablauf von 14 Tagen ab dem Tag der Zustellung an den Betroffenen.

Da die Ausfertigung der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 16. Oktober 1991 dem Verteidiger des Beschwerdeführers am 21. Oktober 1991 zugestellt worden war, "endete" die Frist des § 4 Abs 1 GRBG schon (lange) vor Inkrafttreten des Grund- rechtsbeschwerde-Gesetzes. § 12 Abs 2 GRBG normiert zwar, daß ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Beschwerden erhoben werden können, ohne daß es darauf ankäme, wann die Grundrechtsverletzung erfolgt ist; Anlaß für eine Grundrechtsbeschwerde kann demnach an sich auch eine Haftentscheidung sein, die schon vor dem Inkrafttreten des Grundrechtsbeschwerde-Gesetzes getroffen wurde, wobei der Beginn der Beschwerdefrist ebenfalls vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen kann, doch darf die im § 4 Abs 1 des Gesetzes bestimmte Frist nicht vor dem 1. Jänner 1993 abgelaufen sein (vgl 15 Os 2/93). Im vorliegenden Verfahren war dies jedoch der Fall.

Die vom Gesetzgeber nur im aufgezeigten Umfang für zulässig erklärte Rückwirkung des Grundrechts- beschwerde-Gesetzes kann nicht dadurch ausgedehnt - und damit das Gesetz umgangen - werden, daß dieselbe strafgerichtliche Verfügung, die im Instanzenzug - wie dargestellt - bereits im Jahr 1991 erfolglos in Frage gestellt worden ist, im Umweg über einen neuerlich ihre Rechtswidrigkeit behauptenden Enthaftungsantrag nach dem Inkrafttreten des Grundrechtsbeschwerdegesetzes und "Ablauf" der Frist des § 4 Abs 1 dieses Gesetzes nunmehr zum sachidenten Gegenstand einer nach den zeitlichen Aspekten der Fallgestaltung von der Rechtsordnung nicht vorgesehenen Grundrechtsbeschwerde gemacht wird.

Da somit die Beschwerde unzulässig ist und mithin ein Erkenntnis darüber, ob eine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit stattgefunden hat oder nicht, nicht zu ergehen hat, war, weil das Grundrechtsbeschwerde-Gesetz insoweit nichts anderes vorsieht, die - im Ergebnis auch sachlich nicht berechtigte - Beschwerde in sinngemäßer Anwendung der sonst für den Obersten Gerichtshof geltenden strafprozessualen Vorschriften zurückzuweisen.

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