OGH 9ObA54/94

OGH9ObA54/946.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Dr.Hans Peter Bobek und Erwin Macho als weitere Richter der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Franz *****W*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Norbert Kosch und andere, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei D***** Umweltschutztechnik GmbH, ***** vertreten durch Dr.Christian Kuhn und Dr.Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 261.011,50 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Dezember 1993, GZ 33 Ra 133/93-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Juli 1993, GZ 4 Cga 639/92-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.565,-- (darin S 1.927,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 1.6.1990 als

gewerberechtlicher Geschäftsführer und Leiter einer

Zweigniederlassung der beklagten Partei in B***** beschäftigt. Nach

seinem schriftlichen Dienstvertrag, der von einem der Geschäftsführer

der beklagten Partei gefertigt ist, konnte er mit einer dreimonatigen

Kündigungsfrist zum Halbjahresende gekündigt werden. Mit Schreiben

vom 19.9.1991, das von beiden Geschäftsführern der beklagten Partei

unterfertigt war, wurde er zum 31.12.1991 gekündigt. Nach § 6 Abs 4

der Satzung der beklagten Partei erstreckt sich die

Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis nur auf Handlungen, die

der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich

bringt. Für alle darüber hinausgehenden Handlungen und für alle

Handlungen, die in ihrer Tragweite und Bedeutung für das Unternehmen

wichtig sind, ist die vorherige schriftliche Zustimmung....... durch

Gesellschafterbeschluß erforderlich. Eine solche vorherige schriftliche Zustimmung ist stets erforderlich für die nachstehend angeführten Geschäfte:

..g) Abschluß, Änderung, Kündigung und Aufhebung von Dienstverträgen

mit Angestellten, denen entweder jährliche Gesamtbezüge von mehr als

DM 100.000,-- und/oder ....... gewährt werden sollen oder worden ist.

h) Bestellung und Abberufung vom Prokuristen und

Handlungsbevollmächtigten sowie von Generalbevollmächtigten oder

sonstigen Bevollmächtigten mit Vertretungsmacht, die mindestens

derjenigen eines Handlungsbevollmächtigten entspricht.........

Nach § 9 der Satzung werden Beschlüsse der Gesellschafter in

Versammlungen gefaßt. Außerhalb von Versammlungen können sie, soweit

nicht zwingendes Recht eine andere Form vorschreibt, durch

schriftliche, fernschriftliche, telegraphische oder mündliche

Abstimmung gefaßt werden, sofern sich jeder Gesellschafter an der

Abstimmung beteiligt (Abs 1).

Soweit die Gesellschafterbeschlüsse nicht notariell beurkundet

werden, sind sie unverzüglich nach Beschlußfassung schriftlich

niederzulegen, von den Gesellschaftern, welche den Beschluß gefaßt

haben, zu unterzeichnen und in Fotokopie allen ........ (Abs 3).

Nach § 10 Abs 6 der Satzung ist über jede Gesellschafterversammlung ein Protokoll zu führen, das die Förmlichkeiten und gefaßten Beschlüsse zu enthalten hat. Eine Abschrift des Protokolls ist allen Gesellschaftern unverzüglich zu übersenden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Kündigungsentschädigung und den Ersatz sonstiger Ansprüche für die Zeit vom 1.1.1992 bis 30.6.1992 in Höhe von S 261.011,50. Seine Kündigung sei unwirksam, da seine Abberufung iSd § 6 Abs 4 lit h der Satzung erst nach vorheriger schriftlicher Zustimmung der Gesellschafter hätte erfolgen dürfen.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Kündigung des Klägers sei wirksam erfolgt, da die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführung nur im Innenverhältnis beschränkt sei. Im übrigen habe die Alleingesellschafterin der beklagten Partei den diesbezüglichen Beschluß schon am 13.9.1991 gefaßt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers war Johann L***** Alleingesellschafter und alleiniger Vertreter der L***** Holding Kommanditgesellschaft auf Aktien. Diese Gesellschaft war wiederum alleinige Gesellschafterin der beklagten Partei. Johann L***** entschloß sich am 13.9.1991, das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei zu lösen. Noch am selben Tag erteilte er den Geschäftsführern der beklagten Partei den Auftrag, den Kläger zu kündigen. Da er vom Firmenanwalt darauf hingewiesen wurde, daß die Zustellung der Kündigung bis 30.9.1991 erfolgen müsse, überreichte einer der beiden Geschäftsführer dem Kläger das Kündigungsschreiben am 20.9.1991 persönlich, wobei er die Kündigung auch noch mündlich aussprach.

Johann L***** hielt erst am 20.12.1991 seinen Gesellschafterbeschluß niederschriftlich fest. Er führte darin aus, daß er am 13.9.1991 beschlossen habe, den Anstellungsvertrag mit dem Kläger zu kündigen. Er habe die Geschäftsführer der beklagten Partei angewiesen, die Kündigung der Gesellschaft dem Kläger durch ein entsprechendes Kündigungsschreiben mitzuteilen. Am 20.12.1991 erging auch der notariell beglaubigte Gesellschafterbeschluß der beklagten Partei, daß der Kläger mit Wirkung zum 31.12.1991 als Geschäftsführer der Gesellschaft abberufen und ein neuer Geschäftsführer und Vertreter in Österreich bestellt werde (Beilage 7).

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Kündigung des Klägers rechtswirksam erfolgt sei. Die beklagte Partei habe die Bestimmungen des Dienstvertrages eingehalten und der Alleininhaber der beklagten Partei habe einen entsprechenden, wenn auch nachträglich beurkundeten Gesellschafterbeschluß gefaßt. Dadurch sei ein allfälliger Formalfehler beseitigt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Satzung der beklagten Partei sehe nur eine Einschränkung der Vertretungsbefugnisse der Geschäftsführer im Innenverhältnis vor. Im Außenverhältnis könnten die Befugnisse der Geschäftsführer schon nach dem Gesetz (§ 37 Abs 2 dGmbHG, § 20 Abs 2 öGmbHG) nicht eingeschränkt werden. Der Kläger könne sich daher zur Begründung seiner Ansprüche nicht auf die Satzung (den Gesellschaftsvertrag) der beklagten Partei berufen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Selbst wenn man davon ausgeht, daß sich der Kläger (insbesondere zufolge seiner Kenntnis der Satzung) auf eine der Satzung der beklagten Partei widersprechende Kündigung berufen kann (vgl Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 § 20 Erl 5; Arb 10.808 ua), steht § 6 Abs 4 lit h der Satzung der beklagten Partei allein einer Kündigung durch die Geschäftsführer nicht entgegen. Diese Bestimmung bezieht sich nämlich nur auf die "Bestellung und Abberufung" von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten sowie von Generalbevollmächtigten oder sonstigen Bevollmächtigten mit Vertretungsmacht und betrifft daher deren organschaftliche Funktion. Die "Abberufung" des Klägers erfolgte aber ohnehin durch notariell beglaubigten Gesellschafterbeschluß vom 20.12.1991 (Beilage 7).

Von dieser organschaftlichen Bestellung und Abberufung ist die

Anstellung zu unterscheiden, die darüber hinaus eine schuldrechtliche

Beziehung zwischen dem Kläger und der erstbeklagten Partei

begründete. Soweit ein echter Dienstvertrag vorlag, war darauf das

Angestelltengesetz anzuwenden (vgl Reich-Rohrwig, Das österreichische

GmbH - Recht 105). Da die Generalklausel des § 6 Abs 4 der Satzung

der beklagten Partei im folgenden durch die lit a bis r näher

determiniert ist, könnte sich diesbezüglich eine Beschränkung der

Befugnisse der Geschäftsführer der beklagten Partei allenfalls aus §

6 Abs 4 lit g der Satzung (Kündigung und Aufhebung von

Dienstverträgen) ergeben. Auf diese Einschränkung hat sich der Kläger

aber nicht berufen und es fehlt daher diesbezüglich - ungerügt - an

jeglichen Feststellungen über die Entgeltbedingungen.

Abgesehen davon kann dem Kläger nicht beigepflichtet werden, daß die

Formvorschriften der Satzung der beklagten Partei den Schutz der

Arbeitnehmer vor Übervorteilung bezwecken, so daß eine Nachholung des

Formerfordernisses der Schriftlichkeit hinsichtlich des ohnehin

gefaßten Gesellschafterbeschlusses nicht mehr möglich sei. Derartige

Formerfordernisse dienen nur Beweiszwecken im Interesse der

Gesellschaft und der Gesellschafter. Dies ergibt sich auch deutlich

aus den §§ 9 Abs 3 und 10 Abs 6 und 7 der Satzung (Unterzeichnung

durch die Gesellschafter, Fotokopie an alle Gesellschafter, Abschrift

des Protokolls an alle Gesellschafter - Anfechtungsfrist). Da bei

einer sogenannten Einmann - GmbH aber bereits die entsprechende

Willenserklärung des einzigen Gesellschafters als

Gesellschafterbeschluß (vgl Reich-Rohrwig aaO 325) gilt, treten diese

Schutzfunktionen zugunsten der - nicht vorhandenen - übrigen

Gesellschafter weitgehend in den Hintergrund.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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