Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ivan V***** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 3 Z 3 SGG schuldig erkannt.
Danach hat er (erg.: in Wien) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, dessen Menge das 25-fache der in § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge "deutlich" übersteigt, indem er am 1.Oktober 1992 dem Valentin M***** rund 1 kg Kokain verkaufte.
Das Erstgericht stützte seine Feststellungen über den Tathergang schwergewichtig auf die als glaubwürdig angesehene Aussage des Valentin M***** und erachtete hiedurch die das Suchtgiftgeschäft leugnende Verantwortung des Angeklagten, er sei Opfer einer Intrige des Valentin M***** geworden, tatsächlich habe er zwar von M***** am 1. Oktober 1992 einen Bargeldbetrag von 460.000 S erhalten, bei welchem es sich jedoch um die Rückzahlung eines am 20.August 1992 an letzteren gewährten Darlehens in dieser Höhe und nicht um den Kaufpreis für Suchtgift gehandelt habe, als widerlegt (US 10 ff).
Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt bereits aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.
In der Hauptverhandlung vom 21.September 1993 wurde vom Verteidiger - neben weiteren Anträgen - die Vernehmung des - entgegen der einleitenden Erklärung des Vorsitzenden des Schöffengerichtes (S 447/II) nach dem Vorbringen der Verteidigung (S 133a/III) entsprechend der von ihr erbotenen Stelligmachung (S 319/I) vor dem Verhandlungssaal anwesenden - Stevan B*****, zu dessen Vernehmung im übrigen (ua) das Schöffengericht die Hauptverhandlung vom 27.Juli 1993 vertagt hatte (S 429/III), zum Nachweis dafür beantragt, daß die vom Zeugen M***** am 1.Oktober 1993 an den Angeklagten ausbezahlten 460.000 S aus einer Darlehensschuld herrührten (S 292/II iVm S 447/III) mit dem "Ziel, die (Un-)Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen M***** darzulegen" (S 449/II).
Der Verteidiger hatte in der Hauptverhandlung vom 27.Juli 1993 eine (übersetzte und beglaubigte) Erklärung des Zeugen B***** vorgelegt (Beilage ./1 zu ON 63/II) in welcher letzterer bekundet, Zeuge des Darlehensgeschäftes und der Geldübergabe zwischen dem Angeklagten und M***** im Cafe E***** im Sommer 1992 sowie der Ausstellung einer Bescheinigung über diesen Vorgang gewesen zu sein, welche ihm nachher vom Angeklagten vorübergehend überlassen worden sei.
Das Erstgericht wies den Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen B***** in der Hauptverhandlung mit der Begründung ab, daß es sich um keinen "unmittelbaren Tatzeugen handle" (473/II), in den Urteilsgründen wurde diesbezüglich nachgetragen wie folgt: "da das Gericht in freier Würdigung der Beweise somit den Verkauf von 1 kg Kokain durch den Angeklagten Ivan V***** an Valentin M***** als erwiesen angenommen hat, konnten daher sämtliche Beweisanträge, die darauf abzielten, eine Darlehensgewährung durch Ivan V***** an Valentin M***** unter Beweis zu stellen, abgewiesen werden" (US 14).
Mit der Abweisung des bezeichneten Beweisantrages wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten verkürzt. Der Antrag des Verteidigers zielte nämlich gerade darauf ab, durch die beantragten Beweise eine mangelnde Beweiskraft der Aussage des Zeugen M***** darzutun. Die diesbezüglichen Darlegungen des Schöffengerichtes lassen jedoch erkennen, daß es den angebotenen Entlastungsbeweis deshalb ablehnte, weil es die vorliegenden Belastungsbeweise für ausreichend hielt. Ein solches Vorgehen stellt sich aber als ein unzulässiger, weil mit den Prozeßgrundsätzen in Widerspruch stehender Akt vorgreifender Beweiswürdigung dar (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 78, 80, 81, 87), der die Nichtigkeit des Urteils nach der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO bewirkt. Es hätte demnach der beantragten Beweisaufnahme und für den Fall, daß der Zeuge Aussagen im Sinn des vorgebrachten Beweisthemas gemacht hätte, zur Vermeidung eines Begründungsmangels (Z 5) auch einer Erörterung des Beweiswertes der Aussagen des in Rede stehenden Zeugen sowie einer Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, welchen Einfluß dieser Umstand auf den Beweiswert der Aussage des Zeugen M***** habe.
Der im vorliegenden Verfahren unterlaufenen Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten steht - wie der Vollständigkeit halber erwähnt sei - nicht entgegen, daß im Verfahren AZ 6 e Vr 12453/92 Hv 8229/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Valentin M*****, Rudolf K***** und Martina R***** ua wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 3 Z 3 SGG und § 15 StGB verurteilt wurden, zumal der Beschwerdeführer in jenem Verfahren - schon prozessual gesehen - keine Möglichkeit zu einer Antragstellung hatte. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß sich das erstgerichtliche Urteil auf das "Urteil 6 e Vr 12453/92 Hv 8229/92" stützt (US 3 f), ohne daß dieses nach dem Inhalt des Protokolls über die gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 21.September 1993 verlesen worden wäre (s. insb. S 473/II: verlesen wurde nur "der wesentliche Akteninhalt", was nur auf den gegenständlichen, den Beschwerdeführer betreffenden Akt bezogen werden kann) womit insoweit ein nichtigkeitsbegründender (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 258 E 7), allerdings vorliegend nicht gerügter Verstoß gegen die Bestimmung des § 258 Abs. 1 StPO unterlief.
Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Nichtigkeitsbeschwerde - in Übereinstimmung mit der (gemäß § 35 Abs. 2 zweiter Satz StPO nicht zuzustellenden) Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß § 285 e StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Auf die sich inhaltlich als Rechtsmittelausführungen darstellenden Eingaben des Angeklagten vom 31.Jänner und 11.Februar 1994 (ON 101 sowie zwei dem Obersten Gerichtshof übermittelte Nachhangstücke) war nicht Bedacht zu nehmen, weil das Gesetz nur eine Rechtsmittelausführung - hier: durch den notwendigen Verteidiger - kennt (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 285 E 36, 37, 40).
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