OGH 2Ob19/94

OGH2Ob19/9424.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter R*****, vertreten durch den Vormund Liselotte R*****, diese vertreten durch Dr.Josef Lechner und Dr.Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagte Partei I***** Aktiengesellschaft, 1011 Wien, Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr.Hansjörg Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 2,424.000 sA, Rente von monatlich S 11.000 und Feststellung (Streitwert S 300.000; Gesamtstreitwert S 3,120.000), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 25.Jänner 1994, Nc 213/93, womit die Rechtssache 7 Cg 324/93v des Landesgerichtes Linz diesem abgenommen und dem Landesgericht Steyr übertragen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Rekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von der Beklagten als Haftpflichtversicherer eines PKWs die Bezahlung von S 2.424.000 samt Zinsen (S 2 Millionen Schmerzengeld, S 400.000 Verunstaltungsentschädigung, S 4.000 Kleiderschaden, S 20.000 Besuchskosten), einer monatlichen Rente von S 11.000 ab 1.10.1993 (Verdienstentgang) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 27.10.1991, beschränkt auf die Haftpflichtversicherungssumme. Er brachte im wesentlichen vor, als Beifahrer in einem PKW in Tschechien schwerstens verletzt worden zu sein. Den PKW habe Frantisek Jakubec gelenkt, nicht der Kläger selbst. Er sei durch die Unfallsverletzungen (Gehirnschädigung, Lähmungen) ein "Pflegefall" und müsse immer betreut werden; er könne weder gehen noch sprechen und liege in einem Rollbett. Der Kläger führte als Beweismittel das Protokoll über den Unfall, die Zeugen Liselotte Ramsebner und Johann Ramsebner, beide wohnhaft in Steyr, die Krankengeschichte, ein medizinisches sowie ein berufskundliches Sachverständigengutachten und die Parteienvernehmung.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß der Kläger beim Unfall den PKW selbst gelenkt habe, aber ohne Lenkerberechtigung und infolge Alkoholgenusses mit überhöhter Geschwindigkeit. Der Kläger sei nicht Beifahrer gewesen; Beifahrer sei Frantisek Jakubec gewesen. Die Beklagte führte als Beweismittel den Polizeiakt über den Unfall in der tschechischen Republik, die Zeugen Frantisek Jakubec und den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten, beide wohnhaft in Tschechien, sowie die Zeugen Ingrid Hauser und Günther Fürlinger, beide Angestellte der Beklagten in deren Geschäftsstelle in Steyr, sowie die Krankengeschichte und ein medizinisches Sachverständigengutachten.

Bei der mündlichen Streitverhandlung am 20.12.1993 beantragte der Vertreter des Klägers die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Steyr mit der Begründung, daß der Kläger aufgrund seiner Verletzungen nicht transportfähig sei; er sei an einen Rollstuhl gefesselt und nicht bewegungsfähig; er könne nur getragen werden. Seine Parteienvernehmung und ärztliche Untersuchung könne nur in der Wohnung in Steyr erfolgen. Auch vier weitere Zeugen, darunter die von der Beklagten beantragten Angestellten der Beklagten seien in Steyr wohnhaft. Es sei daher zweckmäßig, die Rechtssache an das Landesgericht Steyr zu delegieren.

Die Beklagte sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus, weil die beiden von ihr beantragten Zeugen zwar in Steyr wohnten, aber auf Kosten der Beklagten nach Linz zureisen könnten; die beiden für die Entscheidung relevanten Zeugen wohnten in Tschechien.

Die Parteien verzichteten auf eine Parteienvernehmung für die Beklagte.

Der Richter des Landesgerichtes Linz hielt die beantragte Delegierung für zweckmäßig.

Das Oberlandesgericht Linz bewilligte die beantragte Delegierung. Nach ständiger Rechtsprechung sei dann, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit einer Delegierung nach § 31 JN nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden könne und eine der Parteien der Delegierung widerspreche, dieser widersprechenden Partei in der Regel der Vorzug zu geben. Wenn mindestens eine Partei und die überwiegende Zahl der Zeugen im Sprengel des anderen Gerichtes wohnten, sei die Delegierung in der Regel zweckmäßig. Die räumliche Entfernung zwischen dem Landesgericht Linz und dem Landesgericht Steyr sei nicht so gering, daß im Hinblick auf diese (geringe) Entfernung die Zweckmäßigkeit der Delegierung von Linz nach Steyr verneint werden könne (vgl 2 Ob 617/90 für die Entfernung Wels - Ried im Innkreis). Im vorliegenden Fall wohnten der Kläger, der bewegungsunfähig und an einen Rollstuhl gefesselt in Steyr lebe, und vier Zeugen, darunter die beiden von der Beklagten beantragten Zeugen, die Angestellte in ihrer Geschäftsstelle in Steyr seien, in Steyr. Die weiteren zwei Zeugen wohnten in Tschechien und seien entweder überhaupt im Rechtshilfeweg zu vernehmen oder könnten (fast) ebenso leicht nach Steyr zureisen wie nach Linz. Insbesondere sei die beantragte Parteienvernehmung des Klägers in Steyr durchzuführen; ebenso werde der medizinische Sachverständige den Kläger in Steyr zu untersuchen haben. Wenn man von diesen besonderen Umständen ausgehe, insbesondere von der Bewegungsunfähigkeit des schwerstens verletzten und an einen Rollstuhl gefesselten Klägers, der sich in Steyr befinde, dann erscheine die vom Kläger beantragte Delegierung im wohlverstandenen Interesse der Parteien, da ja auch zwei von der Beklagten beantragte Zeugen - ihre Angestellten - sich in Steyr befänden. Die Rechtssache könne daher aller Voraussicht nach vom Landesgericht Steyr rascher und mit einem geringeren Kostenaufwand durchgeführt werden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Delegierungsantrages abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (EvBl 1987/204; 2 Ob 617/90; Mayr, JBl 1983, 300; Fasching, Lehrbuch2 Rz 209), aber nicht berechtigt.

Gemäß § 31 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichtes ein anderes zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Zweckmäßig ist eine Delegierung dann, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszuganges und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreites beitragen kann. Ergibt sich kein eindeutiger Schwerpunkt für die Gerichtstätigkeit an einem bestimmten Ort, muß es bei der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung bleiben (2 Nd 5/93 ua). Bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Delegierung ist vor allem der Wohnort der Parteien und der Zeugen maßgebend (2 Nd 4/93 ua). Eine Delegierung ist in der Regel zweckmäßig, wenn mindestens eine Partei und die überwiegende Anzahl der Zeugen, deren unmittelbare Vernehmung notwendig erscheint, im Sprengel des anderen Gerichtes wohnen (EvBl 1966/380; 2 Ob 617/90; Mayr, JBl 1983, 299).

Dies trifft im vorliegenden Fall zu: Sowohl der Kläger als auch vier von sechs Zeugen wohnen in Steyr; die beiden übrigen Zeugen wohnen in keinem der beiden in Frage kommenden Gerichtssprengel, sondern im Ausland; auf Parteienvernehmung der Beklagten wurde verzichtet.

Die Beklagte wendet ein, der Kläger sei nach der Beschreibung seines Zustandes in der Klage nicht vernehmungsfähig, sodaß eine Vernehmung durch das Gericht von vornherein ausscheide. Dem gegenüber wurde bereits in der Klage Parteienvernehmung beantragt; in der mündlichen Verhandlung vom 20.12.1993 wurde sodann vorgebracht, der Kläger sei nicht transportfähig, seine Vernehmung könne nur in seiner Wohnung in Steyr erfolgen. Es steht daher noch keineswegs fest, daß es zur Parteienvernehmung des Klägers nicht kommen wird. Ist aber der Kläger wegen Bewegungsunfähigkeit in seiner Wohnung zu vernehmen, so kann dies jedenfalls einfacher durch jenes Gericht erfolgen, das am Wohnort des Klägers seinen Sitz hat.

Die Beklagte weist weiters darauf hin, die beiden von ihr beantragten Zeugen seien ihre Angestellten in ihrer Geschäftsstelle in Steyr, hätten aber immer wieder in Linz geschäftlich zu tun und würden überdies auf ihre Weisung und auf ihre Kosten zu einem allfälligen Gerichtstermin in Linz kommen müssen. Dies ändert aber nichts daran, daß auch für diese beiden Zeugen eine Adresse in Steyr angegeben wurde.

Es mag sein, daß die beiden ausländischen Zeugen, sofern sie nicht im Rechtshilfeweg vernommen werden sollten, nach Linz eine etwas kürzere Zureise als nach Steyr hätten. Eine ins Gewicht fallende Belastung ist hievon aber nicht zu erwarten.

Insgesamt ergibt sich, daß im angefochtenen Beschluß eine Delegierung an das Landesgericht Steyr zu Recht als zweckmäßig angesehen wurde. Der Rekurs der Beklagten mußte daher erfolglos bleiben.

Da die Beklagte im Zwischenstreit über die Delegierung unterlegen ist, hat sie die Rekurskosten selbst zu tragen (§§ 40, 50, 52 ZPO).

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