Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei zur Deckung der Verfahrenskosten aus den vier Zivilverfahren der Gemeinschuldnerin Alexander Sch***** Gesellschaft mbH gegen Michael und Eva F*****, gegen die K***** Bau Gesellschaft, gegen Mag.Arnold S***** und Mag.Walter G***** verpflichtet ist."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.742,- (darin enthalten S 2.217,- Umsatzsteuer und S 7.440,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz sowie die mit S 11.094,40 (darin enthalten S 849,40 Umsatzsteuer und S 6.000,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Alexander Sch***** Gesellschaft mbH schloß mit der beklagten Partei eine Rechtsschutzversicherung, der die ARB 1965/82 und die Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung zugrundelagen.
Art 1 Abs 1 lit a der ARB 1965/82 verspricht Versicherungsschutz bei Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts sowie des Amtshaftungsgesetzes. Nach den Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (Allgemeiner Vertragsrechtsschutz) gewährt der Versicherer nach Punkt V Art 1 darüber hinaus im Bereich des Privatrechtsschutzes (ERB 1965 C/I) und des Betriebsrechtsschutzes (ERB 1965 C/II) Rechtsschutz für die Kosten aus der gerichtlichen und/oder außergerichtlichen Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers betreffend bewegliche Sachen. Nach Punkt V Art 2 lit e dieser Sonderbedingungen bezieht sich der Versicherungsschutz gemäß Art 1 nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einem über das Vermögen des Versicherungsnehmers beantragten Konkurs oder Ausgleichsverfahren.
Über das Vermögen der Alexander Sch***** Gesellschaft mbH wurde mit Beschluß des Landesgerichtes ***** der Konkurs eröffnet und Dr.***** St***** zum Masseverwalter bestellt.
Zur Zeit der Konkurseröffnung führte die Alexander Sch***** Gesellschaft als klagende Partei vier Zivilrechtsstreitigkeiten und zwar 1.) gegen Ing.Michael und Eva F***** wegen S 125.679,60 samt Anhang beim Kreisgericht Krems/Donau zu 4 Cg 93/92, 2.) gegen die K***** Baugesellschaft mbH wegen S 70.085,10 samt Anhang beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien zu 10 C 1313/92, 3.) gegen Mag.Arnold S***** wegen S 33.855,48 samt Anhang beim Bezirksgericht Oberwart zu 2 C 2984/91 und 4.) gegen Mag.Walter G***** wegen S 70.927,80 samt Anhang beim Bezirksgericht Mödling zu 3 C 288/92. Diese Rechtsstreitigkeiten wurden durch die Konkurseröffnung gemäß § 7 Abs 1 KO unterbrochen. Für diese Verfahren hatte die beklagte Partei auf Grund der Rechtsschutzversicherung Kostendeckung gewährt.
Der Masseverwalter begehrt die Feststellung, die beklagte Partei sei zur Deckung der Verfahrenskosten im Fall der Fortführung dieser Rechtsstreitigkeiten durch den Masseverwalter verpflichtet.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Versicherungsschutz beziehe sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einem über das Vermögen des Versicherungsnehmers beantragten Konkurs oder Ausgleichsverfahren. Die Fortsetzung der Aktivprozesse des Gemeinschuldners durch den Masseverwalter erfolge im ausschließlichen Interesse der Konkursmasse und damit im Interesse der Konkursgläubiger.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Punkt V Art 2 lit e der Sonderbedingungen sei im Zusammenhang mit Punkt V Art 1 dahin auszulegen, daß die Kostendeckung nicht nur für Maßnahmen im Zusammenhang mit den beantragten oder eröffneten Insolvenzverfahren, sondern daß jeglicher Versicherungsschutz für die weitere Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sei. Der Versicherungsschutz beziehe sich demnach nicht auch auf die durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Verfahren, die vom Masseverwalter fortgesetzt werden.
Das Berufungsgericht gab der von der klagenden Partei erhobenen Berufung nicht Folge. Es pflichtete zwar der in der Berufung vertretenen Rechtsmeinung bei, die Fortsetzung der durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten durch den Masseverwalter liege auch im Interesse des Gemeinschuldners, meinte aber, dies sei nicht streitentscheidend. Nach dem klaren Wortlaut des Punktes V Art 2 lit e der Sonderbedingungen habe der Versicherer die rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers im Zusammenhang mit einem über das Vermögen des Versicherungsnehmers beantragten Konkurs oder Ausgleichsverfahren nicht wahrzunehmen. Dies könne nur dahin verstanden werden, daß Rechtsschutz nach Eröffnung des Konkursverfahrens nicht zu gewähren sei, und zwar (auch) für alle vor der Konkurseröffnung anhängig gewordenen Rechtsstreitigkeiten und für eine allenfalls während des Konkurses im Interesse des Gemeinschuldners gelegene Rechtsvertretung. Sei durch die Konkurseröffnung die Wahrnehmung von Rechtsschutzinteressen des Versicherungsnehmers verwehrt, müsse dies umsomehr auch für die Fortsetzung von unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten durch durch den Masseverwalter gelten, die nicht im ausschließlichen Interesse des Versicherungsnehmers geführt werden. Hinzuweisen sei auch auf die gleichlautende Bestimmung des § 4 I lit q der Allgemeinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen der BRD und die in diesem Zusammenhang vertretene Meinung Harbauers (Walter Harbauer, ARB Kommentar4, Rz 132 f zu § 4), wonach ein Zusammenhang mit dem Konkursverfahren immer gegeben sein werde, soweit der Masseverwalter selbst tätig werde.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Auslegung des Punktes V Art 2 lit e der Sonderbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorhanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Parteien ist berechtigt.
Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung sind nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie dies der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen mußte, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen. Zu berücksichtigen ist allerdings in allen Fällen der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (VR 1990, 57; SZ 62/29; Prölss-Martin25, 28 f).
Nach den Sonderbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung gewährt der Versicherer unter Punkt V, Allgemeiner Vertragsrechtsschutz, über den in Art 1 Abs 1 lit a der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1965) festgelegten Versicherungsschutz hinaus im Bereich des Privat- und Betriebsrechtsschutzes weiteren Rechtsschutz für die Kosten aus der gerichtlichen und/oder außergerichtlichen Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers betreffend bewegliche Sachen. Dieser Versicherungsschutz bezieht sich aber nach Art 2 lit e des Punktes V nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einem über das Vermögen des Versicherungsnehmers beantragten Konkurs- oder Ausgleichsverfahren.
Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung wird daher für die Verfolgung von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers betreffend bewegliche Sachen im Zusammenhang mit einem über das Vermögen des Versicherungsnehmers beantragten Konkurs- oder Ausgleichsverfahren Versicherungsschutz nicht gewährt. Dies bedeutet, daß ab der Stellung eines Konkurs- oder Ausgleichsantrages über das Vermögen des Versicherungsnehmers Rechtsschutz für die Kosten zur Durchsetzung von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen nicht besteht, daß jedenfalls eine Verpflichtung zur Deckung von Kosten für Verfahren, die nach diesem Zeitpunkt anhängig gemacht werden, abgelehnt wird.
Den Vorinstanzen ist zuzustimmen, daß daraus zur Lösung der Frage, was mit den Kosten der bei Stellung des Konkursantrages bereits anhängigen Verfahren zu geschehen habe, nichts zu gewinnen ist.
Nach den oben angeführten Auslegungskriterien ist daher auf den objektiven Zweck der Bestimmung zurückzugreifen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach Stellung eines Antrages auf Konkurseröffnung über das Vermögen des Versicherungsnehmers wegen dessen bevorstehender oder schon eingetretener Insolvenz die Gefahr besteht, daß er in erheblich gesteigertem Umfang rechtliche Interessen wahrnehmen und damit Rechtskosten aufwenden muß. Dieses stark gehäufte Risiko soll durch die Ausschlußbestimmung von der Risikogemeinschaft ferngehalten werden (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, Kommentar5 Rz 132 zur gleichlautenden Bestimmung des § 4 Abs 1 q der deutschen ARB); die Prozeßhäufung im Fall der Insolvenz soll nicht zu Lasten des Versicherers gehen (Prölss-Martin VersVG25, 1709). Ausgeschlossen soll daher jede Interessenwahrnehmung sein, die durch einen Antrag auf Konkurs oder Ausgleichseröffnung ausgelöst wurde oder zumindest in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem solchen bei Beginn der Interessenwahrnehmung bereits gestellten Antrag steht (Harbauer aaO, Rz 133). Der Ausschluß gilt aus Gründen der Rechtssicherheit nur für Streitigkeiten, die nach Stellung des Konkursantrages liegen nicht aber auch für solche, die durch künftigen Konkurs ausgelöst worden sind (Prölss-Martin aaO).
Nach dem objektiven Zweck der Bestimmung soll daher das Risiko der Prozeßhäufung im Zusammenhang mit einem bereits beantragten Konkursverfahren ausgeschlossen werden. Eine derartige Risikoerhöhung tritt bei Fortsetzung bereits anhängiger Verfahren durch den Masseverwalter nicht ein. Soll aber nach dem objektiven Zweck lediglich das Risiko der Prozeßhäufung im Zusammenhang mit einem beantragten Konkursverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers ausgeschlossen werden, und wird dieses Risiko durch die Fortsetzung eines bereits anhängigen Aktivprozesses des Versicherungsnehmers nicht erhöht, dann ist die Bestimmung des Punkt V Art 2 lit e der Sonderbedingungen dahin auszulegen, daß der für bereits anhängige Verfahren gewährte Rechtsschutz auch nach Konkurseröffnung weiterzugewähren ist. Der Masseverwalter ist ein auf Grund des Gesetzes bestellter und im Vertretungsumfang durch das Gesetz genau umschriebener Vertreter des Gemeinschuldners (Vertretertheorie) bzw. einer Sondermasse (Organtheorie), wobei seine ganze Tätigkeit auf die Erhaltung und Vermehrung der Konkursmasse gerichtet ist, und ist legitimiert, alle ganz oder teilweise die Masse betreffenden Rechtsstreitigkeiten zu führen. Die Weiterführung bereits anhängiger Verfahren geschieht daher im Interesse der Erhaltung und Vermehrung der Konkursmasse, aber auch im Interesse des Gemeinschuldners. Durch die auch im Interesse des Gemeinschuldners gelegene Fortsetzung von Verfahren ist daher die von der Ausschlußbestimmung des Punkt V Art 2 lit e der Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung verpönte Risikoerhöhung nicht eingetreten, weil diese Verfahren bereits vor der Stellung eines Konkurseröffnungsantrages anhängig gemacht wurden.
Da von der beklagten Partei weitere die Rechtsschutzdeckung hindernde Umstände nicht geltend gemacht wurden, war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)