OGH 10ObS185/93

OGH10ObS185/9322.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Monika Angelberger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Randus (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ali K*****, ohne Beschäftigung, ***** im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.Juni 1993, GZ 5 Rs 53/93-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 10. März 1993, GZ 45 Cgs 1075/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist türkischer Staatsbürger. Er weist zum Stichtag insgesamt 204 Versicherungsmonate auf, davon 155 Monate in der Pflichtversicherung und 49 Monate Ersatzzeit. Während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (1.4.1992) hat er überwiegend als Maurer und Verputzer gearbeitet. Er mußte dabei auch händisch Lasten bis zu 50 kg und darüber heben und tragen, teilweise Mörtel händisch verarbeiten und bei Regen auch in feuchtem Milieu arbeiten. Aufgrund einer erblich bedingten Hauterkrankung, die einer kausalen Therapie nicht zugänglich ist, kann der Kläger nur mehr leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne starke mechanische Beanspruchung der Hände und Füße ausüben. Arbeiten im feuchten Milieu und der Kontakt mit physikalischen und vor allem chemischen Noxen soll verhindert werden.

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 20.8.1992 wurde der Antrag des Klägers vom 23.3.1992 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgelehnt, weil er nicht invalid sei. Die Beklagte ging dabei davon aus, daß der Kläger am 15.10.1941 geboren wurde und begründete ihren Bescheid damit, daß seine Arbeitsfähigkeit in den in Betracht kommenden Berufen nicht in dem Maß gemindert sei, daß ihm unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufsverlaufes die Ausübung einer zumutbaren Tätigkeit nicht mehr möglich wäre; er sei noch imstande, aus einer zumutbaren Tätigkeit ein entsprechendes Entgelt zu erzielen.

In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Klage behauptete der Kläger, er sei am 15.10.1932 geboren und während des maßgeblichen Zeitraumes als Bauhilfsarbeiter tätig gewesen, weshalb ihm nach § 255 Abs.4 ASVG Berufsschutz zustehe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei richtig am 15.10.1941 geboren, weshalb sein Anspruch auf Invaliditätspension nach § 255 Abs.3 ASVG zu prüfen sei. Zu einem vom Kläger vorgelegten Urteil (Beschluß) eines türkischen Amtsgerichtes, mit dem sein Geburtsdatum auf 15.10.1932 berichtigt wurde, gab die Beklagte weder hinsichtlich der Echtheit noch der Richtigkeit eine Erklärung ab. Sie führte dazu aus, daß sich das Personalstatut einer natürlichen Person nach dem Recht des Staates bestimme, dem sie angehöre, im Falle des Klägers sohin nach türkischem Recht. Nach Art.38 des türkischen Zivilgesetzes sei die Korrektur fehlerhafter Eintragungen beim Geburtsdatum möglich. Die sozialrechtlichen Auswirkungen dieser Änderungen seien allerdings im Art.120 des Gesetzes Nr.506 vom 1.3.1965 geregelt, wonach in der türkischen Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung jener Tag als Geburtsdatum des Versicherten angenommen werde, der bei der erstmaligen Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses durch den Versicherten in das sogenannte Grundbuch eingetragen gewesen sei. Da sich das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der türkischen Republik über soziale Sicherheit vom 2.12.1982 gemäß seinem Art.2 Abs.2 unter anderem auch auf alle Rechtsvorschriften beziehe, welche die türkischen Gesetzes über die Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung betreffen, müsse es auch für den österreichischen Rechtsbereich bei der Feststellung des seinerzeitigen Geburtstages 15.10.1941 bleiben.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger die Invaliditätspension in der gesetzlichen Höhe ab 1.4.1992 zu gewähren. Aufgrund eines Urteils des türkischen Gerichtes für Zivilsachen erster Instanz Sarioglan vom 20.5.1991, das am 26.8.1991 rechtksräftig wurde, stellte das Erstgericht fest, daß der Kläger tatsächlich am 15.10.1932 geboren wurde. Diese Feststellung begründete das Erstgericht wie folgt:

Die Frage nach dem Alter, das ab Geburt zu berechnen sei, sei keine Rechts-, sondern eine Tatfrage, die unabhängig vom Personalstatut beantwortet werden müsse. Nach § 293 Abs.2 ZPO würden auch ausländische öffentliche Urkunden unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit in Österreich die Beweiskraft öffentlicher Urkunden genießen, wenn sie mit den vorgeschriebenen Beglaubigungen versehen seien. Nach Art.1 lit.a des Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung, BGBl. 1968/27, würden auch Entscheidungen der Gerichte als öffentliche Urkunden gelten. Die Türkei habe dieses Abkommen ratifiziert (BGBl. 1985/446). Danach sei das Urteil des türkischen Zivilgerichtes einer inländischen öffentlichen Urkunde gleichzuhalten. Dieses Urteil begründe daher im Sinne des § 292 Abs.1 ZPO vollen Beweis dafür, daß der Kläger am 15.10.1932 geboren worden sei. Nach § 292 Abs.2 ZPO sei der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig. Diesen Beweis habe die Beklagte nicht geführt. Aus der Begründung der Urkunde selbst könne der Gegenbeweis schon deshalb nicht abgeleitet werden, da die in der gerichtlichen Entscheidung verwerteten Beweismittel nicht vorliegen würden und folglich auch in ihrer Gewichtigkeit und Überzeugungskraft nicht beurteilt werden könnten. Selbständige Beweise zur Widerlegung des Urkundeninhaltes seien aber von der Beklagten nicht angeboten worden. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, daß der Kläger am 15.10.1932 geboren sei. Ein "gespaltenes" Alter nach der ursprünglichen Eintragung in das Personenstandsregister oder nach einer gerichtlichen Berichtigung dieser Eintragung oder gar nach dem tatsächlichen Lebensalter sei der österreichischen Rechtsordnung fremd.

Daraus folgerte das Erstgericht rechtlich, daß die Frage der Invalidität des Klägers nach § 255 Abs.4 ASVG zu beurteilen sei. Da er zum Stichtag mehr als 180 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben habe und mindestens die Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag als Maurer und Verputzer unter Verrichtung der gleichen Tätigkeiten beschäftigt gewesen sei, die ihm nach dem Leistungskalkül nicht mehr zugemutet werden können, erfülle er die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nach der genannten Gesetzesstelle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der Beklagten sei voll darin beizupflichten, daß bei der Beurteilung derartiger Altersberichtigungen durch türkische Behörden entsprechende Skepsis angebracht sei. Da es sich bei der Entscheidung des türkischen Zivilgerichtes aber um eine öffentliche Urkunde handle, wäre es an der Beklagten gelegen, bereits in erster Instanz zur Widerlegung dieser Urkunde entsprechende Beweise anzubieten. Die Beklagte habe aber in erster Instanz die Richtigkeit der Urkunde gar nicht bestritten. Zur Widerlegung des Inhaltes dieser Urkunde seien dementsprechend in erster Instanz auch keinerlei Beweise angeboten worden. Aus der Urkunde selbst könne die Unrichtigkeit des darin bestätigten Sachverhaltes nicht abgeleitet werden. Die Zeugen, denen offensichtlich bei der Entscheidung des türkischen Gerichtes wesentliche Bedeutung zugekommen sei, seien im vorliegenden Verfahren nicht einvernommen worden. Zur Widerlegung der Urkunde wäre aber eine eigene Beweisführung erforderlich gewesen. Richtig sei, daß die österreichische Rechtsordnung keine besonderen Rechtswirkungen an eine derartige Entscheidung türkischer Gerichte knüpfe, weil immer dort, wo es um das Alter in der österreichischen Rechtsordnung gehe, das tatsächliche biologische Alter gemeint sei. Üblicherweise werde der Nachweis des Alters für den österreichischen Rechtsbereich nicht strittig sein, wenn die entsprechenden Personenstandsurkunden vorliegen. Diese Urkunden würden nur bis zum Beweis des Gegenteils als öffentliche Urkunden zunächst vollen Beweis für die Richtigkeit des darin bezeugten Tatbestandes bilden. Nichts anderes gelte für die türkische Urkunde, der rechtliche Wirkung eben nur auf der Beweisebene bis zum Nachweis des Gegenteils zukomme. Das Erstgericht sei mit Recht bei den vorliegenden Beweismitteln vom berichtigten Alter des Klägers ausgegangen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Das Geburtsdatum eines Versicherten, aus dem sich ergibt, ob er an einem Stichtag ein bestimmtes Lebensjahr vollendet hat, ist eine biologische Tatsache und kein Recht oder Rechtsverhältnis, welches den Regeln über das internationale Privatrecht unterliegt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung SSV-NF 4/11 ausgesprochen, daß das Geburtsdatum eines Versicherten dem Tatsachenbereich zuzuordnen ist und die Richtigkeit des von den Vorinstanzen festgestellten Geburtsdatums des Versicherten im Revisionsverfahren nicht überprüft werden kann. Zu dieser Entscheidung wurde angemerkt (SoSi 1992, 41), daß sie in Sozialrechtssachen auf den ersten Blick etwas sonderbar klinge und auf einen in den letzten Jahren "relativ beliebten Trick" zurückzuführen sei, der im Zusammenhang mit den Altersgrenzen im Pensionsversicherungsrecht stehe: Es gebe (auch in Europa) Länder, in denen das Personenstandsrecht in den Dreißiger- und Vierzigerjahren unseres Jahrhunderts noch nicht sehr ausgefeilt gewesen sei, was dazu geführt habe, daß bei manchen Personen das Geburtsdatum (manchmal auch das Geburtsjahr) unklar sei. Dazu komme noch, daß es (zB in der Türkei) unter Umständen relativ einfach sein könne, ein Geburtsdatum amtlich berichtigen zu lassen und sich damit allenfalls auch mehrere Jahre älter zu machen als man bisher (laut Personenstandsurkunde) gewesen sei.

Die Geburtsdaten türkischer Versicherter können nach türkischem Personenstandsrecht nur auf Anordnung eines Richters berichtigt werden (Art.38 des türkischen bürgerlichen Gesetzbuchs vom 17.2.1926, zitiert bei Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei S.22). Diese Bestimmung wurde aus dem schweizerischen Recht übernommen und entspricht dem Art.45 Abs.1 des schweizerischen ZGB. Nach türkischem Recht hat jeder Türke einmal im Leben die Möglichkeit, durch Gerichtsurteil bzw. Beschluß (die türkische Sprache unterscheidet nicht genau zwischen dem Wort "Beschluß" und "Urteil") sein Geburtsdatum berichtigen zu lassen. Dies setzt eine entsprechende Klage voraus, die beim zuständigen Zivilgericht erhoben werden kann. Im Tenor der Entscheidung wird die Berichtigung des Personenstandsregisters angeordnet. Der Prüfungsmaßstab, den türkische Gerichte anwenden, ist großzügig. In der Regel zieht das Gericht ärztliche Gutachten bei, denen eine radiologische Altersbestimmung der Knochen zugrundeliegt, und verschafft sich einen Eindruck vom äußeren Erscheinungsbild des Klägers. Meistens reicht es aus, wenn Zeugen bestätigen, daß sich ein Verwandter oder Bekannter an das Geburtsdatum erinnert. Die Entscheidungsgründe sind meistens wenig aussagekräftig, entsprechend kurz ist die Verfahrensdauer. Die großzügige Handhabung scheint insofern verständlich, als die Geburtsdatenänderung in der Türkei für das entscheidende Gericht, aber auch für viele andere staatliche Stellen in der Regel keine finanziellen Auswirkungen hat (Semperowitsch, Die Festlegung des Geburtstages bei türkischen Versicherten und die Auswirkungen auf das Recht der deutschen Rentenversicherung, Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken 1989, 164 ff, 167). Die für den türkischen Sozialversicherungsträger geltenden Vorschriften des türkischen Sozialversicherungsgesetzes Nr.506 differenzieren bei der Frage des anzuwendenden Geburtsdatums zwischen Unfallversicherung und Rentenversicherung (Art.120). Für die Unfallversicherung ist in der Regel das Geburtsdatum maßgeblich, welches am Tage des Arbeitsunfalles oder der erstmaligen Feststellung der Berufskrankheit im Personenstandsregister eingetragen war. Bei der Anwendung der Bestimmungen der Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung ist hingegen das Geburtsdatum zugrundezulegen, welches beim Eintritt in die Versicherung im Personenstandsregister eingetragen war (Semperowitsch aaO 169). Nach der im bezogenen Artikel aaO dargestellten Rechtsprechung des deutschen Bundessozialgerichtes unterliegt die Berücksichtigung von ausländischen Registereintragungen im Bereich des Sozialrechts der freien Beweiswürdigung der deutschen Behörden und Gerichte; gleiches gilt für die Anerkennung des der berichtigten Eintragung zugrundeliegenden Urteils. Da dieses lediglich die Berichtigung des türkischen Personenstandsregisters anordne, könne es keine weiteren Wirkungen als die berichtigte Eintragung im türkischen Personenstandsregister selbst entfalten. Mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung hat sich das Bundessozialgericht gegen eine pauschale Ablehnung oder Übernahme des geänderten Geburtsdatums ausgesprochen und die skizzierte Probeblematik unter dem Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit entschieden. Es wurde auch darauf verwiesen, daß zur Bestimmung des tatsächlichen Geburtsdatums bereits der Rentenversicherungsträger eine Reihe von Ermittlungen durchführen könne, wobei der durch die zusätzliche Ermittlungsarbeit gesteigerte Verwaltungsaufwand im Hinblick auf die bedeutsamen sozialen und finanziellen Auswirkungen für den Versicherten und die Rentenversicherung gerechtfertigt sein dürfte.

Für den österreichischen Rechtsbereich ist zu bemerken, daß Eintragungen in den Personenstandsbüchern immer nur eine beurkundende, aber keine rechtsbegründende Wirkung haben. So ist etwa das Recht zur Führung eines bestimmten Familiennamens nicht eine Folge der Eintragung in den Personenstandsbüchern, sondern findet seinen Rechtsgrund in dem vom Gesetz über den Erwerb des Namens anerkannten Tatbestand, wie insbesondere Abstammung, Legitimation, Eheschließung, Annahme an Kindesstatt und Namensänderungen. Auch einer berichtigten Eintragung in einem Personenstandsbuch kommt keine größere Beweiskraft als einer gewöhnlichen Eintragung zu. Daher ist es auch nicht ausgeschlossen, den Nachweis zu erbringen, daß eine berichtigte Eintragung unrichtig ist, um die nochmalige Berichtigung durchzuführen. Der Eintragung als solcher kommt niemals Rechtskraftwirkung zu (so die Judikatur des VfGH, vgl. VfSlg. 9729/1983; Zeyringer, Das österreichische Personenstandsrecht [1992], 21 Anm.4 zu § 8 PStG).

Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich kein Einwand gegen die Richtigkeit der Annahme, daß das Geburtsdatum eines Versicherten allein dem Tatsachenbereich zuzuordnen ist. Demnach ist es Sache der Parteien und der Tatsacheninstanzen, welche Beweismittel zur Gewinnung der entsprechenden Tatsachenfeststellung herangezogen werden. Auch wenn der Beweis durch Vorlage einer öffentlichen Urkunde angetreten wird, ist, worauf schon die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben, nach § 292 Abs.2 ZPO der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig (vgl. dazu näher Fasching ZPR2 Rz 953). Die Vorinstanzen sind auch zutreffend davon ausgegangen, daß auch ausländische öffentliche Urkunden in Österreich als öffentliche Urkunden angesehen werden, wenn u.a. formelle Gegenseitigkeit zwischen Österreich und dem Errichtungsstaat besteht. Der ausländische Staat muß eine österreichische öffentliche Urkunde bezüglich ihrer Beweiskraft den eigenen öffentlichen Urkunden gleichstellen; materielle Gegenseitigkeit, d.h. Übereinstimmung des Umfanges der Beweiskraft in Österreich und im ausländischen Staat, wird nicht gefordert (Fasching aaO Rz 946; Kommentar III, 371 Anm.7 zu § 293 ZPO). Ob diese Grundsätze über den Urkundenbeweis vom Erstgericht zutreffend angewendet wurden, könnte nur unter dem Aspekt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz untersucht werden. Nach ständiger Rechtsprechung können aber auch in Sozialrechtssachen Mängel des Verfahrens erster Instanz, die in der Berufung nicht geltend gemacht wurden oder die vom Berufungsgericht als nicht gegeben erkannt wurden, in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32, 1/68 uva). Dies führt zu dem Ergebnis, daß die Richtigkeit des von den Vorinstanzen festgestellten Geburtsdatums des Klägers (15.10.1932) im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden kann.

Die Beklagte führt in ihrer Rechtsrüge aus, daß öffentliche türkische Urkunden nach österreichischen innerstaatlichen Bestimmungen nur dann Rechtswirkungen entfalten könnten, wenn entsprechenden österreichischen Urkunden im gegebenen türkischen Rechtsbereich ebenfalls gleichartig bindende Bedeutung zukäme. Hier müsse aber davon ausgegangen werden, daß ein - nach Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung - österreichischerseits geändertes Geburtsdatum eines Versicherten durch die bereits zitierte Vorschrift des Art.120 des türkischen Sozialversicherungsgesetzes Nr.506 für die Prüfung versicherungsrechtlicher Anspruchsvoraussetzungen in der Türkei nicht herangezogen werden könnte. Nach Auffassung der Beklagten sei bei Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Invaliditätspension der gesamte sozialversicherungsrechtlich relevante türkische Normenkomplex, also auch der zitierte Art.120 heranzuziehen. Daraus folgert die Beklagte, daß die Berichtigung des Geburtsjahres des Klägers von 1941 auf 1932 deshalb in Österreich keine Bedeutung haben könne, weil sie auch im türkischen Sozialversicherungsrecht nicht anerkannt würde.

Dem ist nicht zu folgen. Insbesondere versagt der Hinweis auf die Bestimmung des § 9 IPRG über das Personalstatut einer natürlichen Person. Wie bereits oben dargelegt, geht es im vorliegenden Fall lediglich um die Tatsachenfeststellung des biologischen Geburtstages und nicht um ein nach irgendeiner Rechtsordnung zu beurteilendes Recht oder Rechtsverhältnis. Wird nun das Geburtsdatum eines Versicherten in Österreich mit einem bestimmten Tag festgestellt, ist es nicht zulässig, sich über diese Tatsachenfeststellung mit dem Hinweis darauf hinwegzusetzen, daß nach türkischen sozialrechtlichen Vorschriften von einem anderen Geburtsdatum auszugehen sei. Es besteht insbesondere keine Möglichkeit, den zitierten Artikel 120 des türkischen Sozialgesetzes zu einem Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung zu machen, und zwar weder nach den Bestimmungen des IPRG noch nach den Vorschriften des österreichisch-türkischen Sozialversicherungsabkommens. Eine solche Übernahme der türkischen Bestimmung würde auch zu dem mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen, daß zwar die Berichtigung des Geburtsdatums eines Österreichers im Bereich des Sozialrechtes Geltung finden müßte, nicht jedoch die eines türkischen Staatsbürgers. Wie schon das Erstgericht zutreffend bemerkt hat, ist der österreichischen Rechtsordnung ein "gespaltenes" Alter oder Geburtsdatum fremd.

Im vorliegenden Fall ist der rechtlichen Beurteilung die den Obersten Gerichtshof bindende Feststellung der Tatsacheninstanzen zugrundezulegen, daß der Kläger am 15.10.1932 geboren wurde und demzufolge am Stichtag das 55.Lebensjahr vollendet hatte. Daß er unter diesen Voraussetzungen den Anspruch auf Gewährung der Invaliditätspension nach dem hier noch anzuwendenden, durch die

51. ASVGNov, BGBl. 1993/335, seit 1.7.1993 aufgehobenen § 255 Abs.4 ASVG erfüllt, ist nicht mehr strittig.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Kosten des Revisionsverfahrens wurden nicht verzeichnet, sodaß eine Kostenentscheidung zu entfallen hat.

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