OGH 5Ob509/94

OGH5Ob509/9422.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolfine H**********,***** vertreten durch Dr.Thomas Höhne, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Josef H**********,***** vertreten durch Dr.Hans Pfersmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme eines Ehescheidungsverfahrens, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 10.Jänner 1994, GZ 11 R 258/93-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11. November 1993, GZ 11 Cg 276/92-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin, vertreten durch Dr.Theo F*****, begehrte in ihrer am 13.11.1992 beim Erstgericht eingelangten Wiederaufnahmsklage die Wiederaufnahme des zu 11 Cg 165/82 des Erstgerichtes anhängig gewesenen Ehescheidungsverfahrens.

Mit Beschluß vom 5.1.1993 (ON 2) wies das Erstgericht die Wiederaufnahmsklage zurück. Dieser Beschluß wurde Rechtsanwalt Dr.F***** am 22.3.1993 zugestellt, obgleich die Klägerin mit am 26.2.1993 bei Gericht eingelangtem Schreiben mitgeteilt hatte, daß das Vollmachtsverhältnis zu Dr.F***** gelöst sei. Dieser stellte den Beschluß vom 5.1.1993 mit Schreiben vom 30.3.1993 unter Hinweis auf die "Vollmachtskündigung" dem Gericht zurück und ersuchte, Zustellungen unmittelbar an die Klägerin vorzunehmen. Das Erstgericht verfügte am 31.3.1993 die neuerliche Zustellung des Beschlusses an Dr.F***** und versah den Beschluß in der Folge mit der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsklausel.

Mit dem am 8.11.1993 beim Erstgericht eingelangten Antrag beantragte die Klägerin, den Beschluß ihrem nunmehrigen Rechtsvertreter Dr.Thomas Höhne zuzustellen. Diesen Antrag wies das Erstgericht mit Beschluß vom 11.11.1993 (ON 6) ab. Es vertrat die Auffassung, daß der Beschluß vom 5.1.1993 an Dr.F***** gemäß § 36 ZPO wirksam zugestellt worden sei. Bis zur Bestellung eines neuen Vertreters hätten alle Zustellungen an den bisherigen Rechtsvertreter zu erfolgen gehabt.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Klägerin Folge. Es änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß dem Antrag auf Zustellung des Beschlusses vom 5.1.1993, mit welchem die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen wurde, Folge gegeben werde.

Das Erstgericht verfügte auf einer Ausfertigung des rekursgerichtlichen Beschlusses "1. GS an KV + ON 2, 2. HS an Bekl", worauf dem Beklagten eine Ausfertigung der Rekursentscheidung zugestellt wurde.

Gegen diese erhob der Beklagte Revisionsrekurs mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichts vom 11.11.1993 (nur im Spruch) wieder herzustellen.

Der Rekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zur Rechtsmittellegitimation und zur Beschwer führt der Beklagte aus, ihm sei die herrschende Meinung bekannt, daß in einem einleitenden, einseitigen Klagszurückweisungsverfahren, welches das Gericht vorerst nur mit dem Kläger führe, der Beklagte noch nicht Subjekt des Verfahrens sei und ihm daher eine Rechtsmittellegitimation noch nicht zugestanden werde. Im vorliegenden Fall seien diese Voraussetzungen aber nicht mehr gegeben, weil die Rekursentscheidung auch dem Beklagten zugestellt worden sei, und dies nicht etwa bloß versehentlich oder zufällig. Vielmehr hätten sowohl das Rekursgericht als auch das Erstgericht es ganz ausdrücklich gewollt, daß jedenfalls mit Wirkung ab der Rekursentscheidung nunmehr auch der Beklagte Subjekt des Verfahrens (geworden) sei. Das Rekursgericht habe dem Erstgericht nämlich seine Rekursentscheidung in dreifacher Ausfertigung übermittelt; das Erstgericht habe dann verfügt, die dritte Ausfertigung dem Beklagten zuzustellen. Unter dieser besonderen, an sich ungewöhnlichen Konstellation sei davon auszugehen, daß mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Beklagten die Streitanhängigkeitswirkung - vom Gericht gewollt - jedenfalls soweit eingetreten sei, daß nunmehr (auch) der Beklagte zur Anfechtung dieses Beschlusses legitimiert sei. Mit einer sonst "üblichen" Klagszurückweisung sei der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Es gehe hier nicht um ein Zuständigkeitsproblem oder um die Einhaltung der Frist für eine Wiederaufnahmsklage, sondern um die zutiefst materiell wirkende Frage, ob die Wiederaufnahmsklage rechtskräftig zurückgewiesen worden sei. Da durch die Rekursentscheidung der Klägerin eine Rechtsmittelmöglichkeit gegen den Zurückweisungsbeschluß vom 5.1.1993 wieder eröffnet werde, sei die Beschwer des Beklagten offenkundig. Vor einer sachlichen Behandlung eines von der Klägerin nach - neuerlicher - Zustellung des Beschlusses vom 5.1.1993 eingebrachten Rekurses könne den Beklagten nur die (erfolgreiche) Anfechtung der Rekursentscheidung bewahren. Diese könne er nur jetzt anfechten, weil sie ihm mit dem Willen des Rekursgerichts und des Erstgerichts eben jetzt zugestellt worden sei. Nur im jetzigen Rechtsmittelverfahren könne entschieden werden, ob die Abweisung des Zustellantrages der Klägerin aufrecht bleibe. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß im Falle eines erfolgreichen Rekurses der Klägerin gegen die Zurückweisung ihrer Wiederaufnahmsklage der Beklagte mittels Revisionsrekurses auch geltend machen könne, ein Rekurs der Klägerin gegen den Beschluß vom 5.1.1993 hätte wegen Fristversäumnis zurückgewiesen werden müssen. Dem stünde dann nämlich die Rechtskraft der jetzt angefochtenen Rekursentscheidung entgegen. Sinn des rekursgerichtlichen Spruches könne nur sein, daß bisher eine rechtswirksame Zustellung des Beschlusses vom 5.1.1993 an die Klägerin noch nicht stattgefunden habe, woraus zu folgern wäre, daß dann der dagegen einzubringende Rekurs rechtzeitig sei.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Im Sinne des Judikates 61 neu = SZ 27/290 und der seither ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (MGA JN/ZPO14 § 41 JN E 13) steht dem Beklagten ein Rechtsmittel gegen den Beschluß, womit das Rekursgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über eine vom Erstgericht a limine zurückgewiesene Klage aufträgt, nicht zu, denn er nimmt am Vorprüfungsverfahren nicht teil. Grundsätzlich gilt für alle Fälle der Zurückweisung aus formellen Gründen vor dem Eintritt der Streitanhängigkeit die Erwägung, daß die in der Klage als beklagte Partei angegebene Person in diesem Stadium des Verfahrens noch keine Parteistellung hat und daß ihr gegenüber eine gerichtliche Entscheidung daher nicht bindend ist. Diese Ansicht hat auch in § 232 ZPO eine Stütze. Daraus ist nämlich abzuleiten, daß vor der Zustellung der Klage an den Beklagten zwischen ihm und dem Kläger ein Verfahren noch gar nicht anhängig ist und er daher noch nicht Partei sein kann. Ein rechtsbegründendes Prozeßrechtsverhältnis zwischen dem Beklagten einerseits und dem Gericht und dem Kläger andererseits entsteht daher erst durch Zustellung der Klage an den Beklagten (3 Ob 69/92 = JUS extra 1152; 8 Ob 11/93).

Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht nicht über einen Rekurs der Klägerin gegen die Klagszurückweisung entschieden, sondern lediglich einem - einem allfälligen Rekurs sogar noch vorausgehenden - Antrag der Klägerin auf Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses Folge gegeben. Dies ändert aber nichts daran, daß mit dem Beklagten mangels Klagszustellung ein Prozeßrechtsverhältnis bisher nicht begründet wurde (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 132 f, 1181). Weder war ihm die Beteiligung am Verfahren gestattet noch war die Rekursentscheidung ihm gegenüber bindend. Auch durch die Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichtes über den Zustellantrag der Klägerin wurde der Beklagte nicht ins Prozeßrechtsverhältnis miteinbezogen, da es hiefür auf die Klagszustellung ankommt. Dadurch, daß der Beklagte von einer im zweiseitigen Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Gericht ergangenen gerichtlichen Entscheidung Kenntnis erlangt hat, wurde das Prozeßrechtsverhältnis noch nicht dreiseitig. Die prozessuale Stellung des Beklagten, der in diesem Verfahrensstadium noch nicht Parteistellung besitzt, wurde durch die tatsächlich erfolgte Zustellung der Rekursentscheidung nicht geändert (vgl RZ 1985/7).

Im übrigen trifft es nicht zu, daß sich ein Wille der Vorinstanzen, den Beklagten mit Wirkung ab der Rekursentscheidung zum Verfahrenssubjekt zu machen, aktenkundig manifestiert hätte. Die Anzahl der vom Rekursgericht übermittelten Ausfertigungen der Rekursentscheidung ist insoweit überhaupt ohne Bedeutung. Das Erstgericht ist sodann in seiner Zustellverfügung ("HS an Bekl") - offenbar versehentlich - so vorgegangen, als handelte es sich um die Zustellung eines vom Beklagten eingebrachten Schriftsatzes. Selbst wenn es damit dem Beklagten schon vor Klagszustellung Kenntnis von der Rekursentscheidung verschaffen wollte, konnte es damit Streitanhängigkeit nicht begründen. Für eine partielle Streitanhängigkeit, wie sie dem Beklagten vorzuschweben scheint, gibt es keine gesetzliche Grundlage. Es bleibt daher dabei, daß es dem Beklagten vor Klagszustellung verwehrt ist, einen ihn vermeintlich belastenden Beschluß zu bekämpfen.

Da dem Beklagten somit die Rechtsmittellegitimation fehlt, erübrigt es sich, auf seine Ausführungen zur Beschwer einzugehen. Die Legitimation eines Rechtsmittelwerbers bestimmt sich nämlich nur nach der ihm vom Gesetz eingeräumten Funktion im Verfahren und ist von der Beschwer zu unterscheiden, die angibt, ob die konkret als Rechtsmittelwerber auftretende Person durch die Entscheidung in ihrer Rechtsstellung im Verfahren betroffen wurde (Fasching, LB2 Rz 1690; 3 Ob 101/84).

Es kann auch auf sich beruhen, ob die Anordnung der neuerlichen Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung überhaupt anfechtbar wäre (vgl EvBl 1962/496).

Schließlich schadet es im Hinblick auf die fehlende Rechtsmittellegitimation des Beklagten nicht, daß die Rekursentscheidung (welche die Klägerin nicht beschwerte) keinen Ausspruch über die Zulässigkeit des (ordentlichen) Revisionsrekurses enthält.

Der Revisionsrekurs des Beklagten war demnach zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte