OGH 4Ob520/94

OGH4Ob520/9422.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) E*****; 2) A*****; 3) E*****; 4) A*****, alle in ***** alle vertreten durch Dr.Roman Kosch ua Rechtsanwälte in Wr.Neustadt, wegen Räumung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Rekursgericht vom 13.Dezember 1993, GZ R 530/93-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom 8.September 1993, GZ 2 C 53/92s-32, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über den Sicherungsantrag an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Provisorialverfahrens.

Text

Begründung

Nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen ist der Kläger grundbücherlicher Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit dem darauf errichteten Haus in P*****. Dieses Haus wird von den Streitteilen und deren Kindern bewohnt. Die Gattin des Klägers ist die Schwester des Zweit- und des Drittbeklagten; die Erstbeklagte ist die Gattin des Zweitbeklagten; die Viertbeklagte ist mit dem Drittbeklagten verheiratet.

Mit der Behauptung, er habe den Beklagten das Bewohnen des von ihm für sich, seine Gattin und seine Kinder gekauften Hauses lediglich auf jederzeitigen Widerruf gestattet, jedoch die Bittleihe widerrufen, erhob der Kläger gegen die Beklagten die Räumungsklage wegen titelloser Benützung.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Von einer titellosen Benützung oder einer Bittleihe könne keine Rede sein. Vielmehr hätten die Streitteile als Angehörige einer ägyptischen Großfamilie vereinbart, daß sie an dem vom Kläger als Bevollmächtigten der Familie gekauften Haus die gleichen Rechte hätten. Die Familie betreibe auch die E***** GmbH, deren Gesellschafter der Kläger und der Zweitbeklagte seien. Anläßlich dessen Eintritt als Gesellschafter sei im August 1988 die Vereinbarung getroffen worden, in Hinkunft in einer gemeinsamen Unterkunft als Großfamilie zu leben.

Im Zuge des Räumungsprozesses stellte der Kläger am 12.7.1993 den Antrag, zur Sicherung seines Räumungsanspruches den Beklagten mit einstweiliger Verfügung das Betreten der Liegenschaft, insbesondere des darauf errichteten Hauses zu untersagen. Die Beklagten hätten nämlich am 10.7.1993 anläßlich eines Streites bezüglich des Verfügungsrechtes über das Haus im bewußten und gewollten Zusammenwirken seine Ehegattin attackiert und sie am Körper verletzt; die Gattin des Klägers habe Schläge ins Gesicht, in den Oberkörper und in den Magen erhalten und in das Unfallkrankenhaus eingeliefert werden müssen. Gleichzeitig hätten die Beklagten auch dem Kläger mit körperlichen Mißhandlungen gedroht.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie stellten in Abrede die Ehegattin des Klägers körperlich verletzt und ihm selbst mit körperlichen Mißhandlungen gedroht zu haben. Abgesehen davon sei der Räumungsanspruch des Klägers durch die behaupteten Angriffe und Bedrohungen auch gar nicht gefährdet, ändere doch ein Weiterverbleiben der Beklagten im Haus nichts an der exekutiven Durchsetzbarkeit des Hauptanspruches. Demgegenüber nehme die beantragte Sicherungsmaßnahme aber das Ergebnis des Räumungsprozesses vorweg und setze die Beklagten der Obdachlosigkeit aus.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag des Klägers ab. Es nahm als bescheinigt an, daß es am 10.6.1993 zwischen der Gattin des Klägers und den vier Beklagten zu einer wörtlichen und tätlichen Auseinandersetzung gekommen war. Dabei seien die Gattin des Klägers und die Erstbeklagte verletzt worden. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Räumungsanspruch des Klägers selbst bei Annahme einer titellosen Benützung des Hauses durch die Beklagten durch ihr Weiterverbleiben nicht verloren gehen könne, stehe dem Kläger doch bei Obsiegen im Hauptverfahren jedenfalls das Exekutionsmittel der zwangsweisen Räumung zur Verfügung. Hingegen würde das beantragte Sicherungsmittel das Ergebnis des Räumungsstreites vorwegnehmen. Der Antrag diene auch nicht der Sicherung des Anspruches auf Räumung, sondern der Sicherung der körperlichen Integrität des Klägers und seiner Ehegattin.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach durch das angestrebte Verbot des Betretens des Hauses durch die Beklagten der Räumungsanspruch des Klägers weder gesichert noch geschützt werden könne. Die Verfolgung und Verwirklichung des Räumungsanspruches werde durch das behauptete Verhalten der Beklagten keineswegs beeinträchtigt. Bei Erlassung der einstweiligen Verfügung wäre es aber den Beklagten unmöglich, dem Räumungsbegehren des Klägers zu entsprechen. Das Rekursgericht könne daher auch nicht der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes WoBl 1991/56 (= MietSlg 42.557) geäußerten Rechtsansicht folgen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Kläger erhobene Revisionsrekurs ist im Sinne des darin hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber weist zutreffend darauf hin, daß die Rechtsansicht der Vorinstanzen mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht im Einklang steht. Das Rekursgericht hat sich dazu nur auf Entscheidungen des Landesgerichtes für ZRS Wien berufen (EFSlg 24.646, 32.808), in denen (- soweit aus der Veröffentlichung ersichtlich -) ohne nähere Begründung ausgesprochen wurde, daß durch ein an den Gegner gerichtetes Verbot, die Liegenschaft (Wohnung) zu betreten, der Räumungsanspruch nicht geschützt bzw gesichert wird. Demgegenüber hat der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten (WoBl 1991, 56 = MietSlg 42.557), daß ein an den Beklagten gerichtetes Verbot, während des Räumungsprozesses die Liegenschaft zu betreten und zu benützen, im Rahmen des Räumungsanspruches bleibt, seien doch im Falle der Stattgebung des Räumungsbegehrens der Beklagte und die in seinem Haushalt lebenden Personen überhaupt nicht mehr berechtigt, die Liegenschaft zu benützen und zu betreten. Sei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Verhütung einer drohenden Gewalt (zB einer Körperverletzung) im Sinne des § 381 Z 2 EO notwendig, dürfe sie sogar der endgültigen Entscheidung vorgreifen. Nach dieser Gesetzesstelle solle ja nicht die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung eines Anspruches, sondern der gegenwärtige Zustand einer streitigen Rechtssphäre gegen drohende Gewalt oder gegen einen drohenden unwiederbringlichen Schaden gesichert werden. Diese Entscheidung ist von Konecny (in WoBl 1991, 49 ff und in JBl 1994, 9 ff) zustimmend kommentiert worden. Er verweist zutreffend darauf, daß Sicherungsmaßnahmen nicht ihrer Art nach, sondern nur dem Umfang nach an den Hauptanspruch gebunden sind (WoBl 1991, 50 ff und JBl 1994, 14 f); nach vollzogener Räumung sei aber dem im Räumungsprozeß unterlegenen Beklagten die Benützung des umstrittenen Objektes gänzlich unmöglich, weshalb ein einstweiliges Benützungsverbot umfangmäßig dazu ein bloßes Minus sei (WoBl 1991, 51 und JBl 1994, 15). Da einstweilige Verfügungen nach § 381 Z 2 EO nicht nur den Schutz vor Exekutionsvereitlung bezweckten, sondern überhaupt die Effizienz des gerichtlichen Rechtsschutzes sichern sollten, seien körperliche Bedrohungen des Räumungsklägers oder seiner Mitbewohner durch den (die) Beklagten stets ein ausreichender Grund zur Erlassung eines nach § 382 Abs 1 Z 5 EO auch zugunsten eines Räumungsanspruches gedeckten Sicherungsmittels (WoBl 1991, 50, 52 und JBl 1994, 25 f).

Der erkennende Senat schließt sich diesen überzeugenden Argumenten an, wäre doch andernfalls ein Eigentümer, der gegen einen Mitbewohner, von dem er oder seine (übrigen) Hausgenossen körperlich bedroht werden, mit Räumungsklage vorgeht, keinen effektiven Rechtsschutz geboten, weil er zwar ein stattgebendes Urteil erwirken könnte, mittlerweile aber unmittelbaren physischen oder psychischen Einwirkungen, also Angstzuständen im Hinblick auf angedrohte oder bereits zugefügte Körperverletzungen, ausgesetzt wäre (vgl Konecny in JBl 1994, 14 und 26). Da jedoch die Vorinstanzen infolge ihrer verfehlten Rechtsansicht Bescheinigungsannahmen über den Räumungsanspruch des Klägers und die behauptete konkrete Gefährdung durch die ihm und seiner Ehegattin von den Beklagten bereits zugefügte und weiterhin drohende Gewalt unterlassen haben, liegen Feststellungsmängel vor, weshalb eine Aufhebung der Beschlüsse beider Vorinstanzen unumgänglich ist. Das Erstgericht wird vor seiner neuerlichen Entscheidung über den Sicherungsantrag alle von den Parteien angebotenen Bescheinigungsmittel aufzunehmen haben.

Diese Erwägungen führen zur Stattgebung des Revisionsrekurses im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 402 Abs 4, 78 EO und § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte