OGH 10ObS32/94

OGH10ObS32/942.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Angelberger (Arbeitgeber) und Dr. Lamatsch (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann V*, im Rekursverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. 9. 1991, GZ 34 Rs 35/91 ‑10, womit das Urteil des Kreis‑(jetzt Landes‑)gerichtes Krems als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.10.1990, GZ 8 Cgs 204/90‑6, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:010OBS00032.94.0322.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Dem am 9.5.1926 geborene Kläger bezieht von der beklagten Partei aufgrund des Bescheides vom 29.7.1986 ab 1.6.1986 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 122 BSVG. Eine Ausgleichszulage wurde bis 31.12.1989 mit der Begründung nicht gewährt, daß die Summe aus Pension und gemäß § 140 Abs 7 BSVG anzurechnenden Einkünften den Richtsatz übersteige.

Mit Bescheid vom 13. 2. 1990 gewährte die beklagte Partei dem Kläger eine Ausgleichszulage in der monatlichen Höhe von 26,90 S (die Differenz zwischen der Summe aus Pension und gemäß § 140 Abs 7 BSVG anzurechnenden Einkünften im Betrag von 2.724 S und dem Richtsatz).

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Gewährung einer Ausgleichszulage in der gesetzlichen Höhe ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus der Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes zu verpflichten. Er und seine Gattin seien gezwungen gewesen, den Betrieb zu verkaufen, weil sie völlig überschuldet gewesen seien und die Zwangsversteigerung gedroht habe. Der Verkaufserlös habe gerade zur Schuldendeckung gereicht und es sei den früheren Eigentümern nur ein Betrag von 830,66 S verblieben. Es liege ein Härtefall im Sinne des § 140 Abs 8 BSVG vor. Ein Einkommen aus der Aufgabe des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes sei nach dieser Bestimmung nicht anzurechnen, weil es dem Kläger und seiner Gattin zufolge Notverkaufes nicht möglich gewesen sei, ein Einkommen aus der Aufgabe des Betriebes sicherzustellen.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Härtefälle lägen nur vor, wenn aus Gründen, die der Einflußnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen seien, die Erbringung von Ausgedingsleistungen zur Gänze unmöglich geworden sei. Eine Betriebsauflösung durch freihändige Veräußerung - auch wenn diese nur erfolgt sei, um eine Zwangsversteigerung zu verhindern, die allerdings noch gar nicht eingeleitet gewesen sei - könne diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab, wobei es seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrundelegte:

In den Jahren 1986 und 1987 veräußerten der Kläger und seine Gattin die ihnen je zur Hälfte eigentümliche Liegenschaft in Pernegg und den umliegenden Katatstralgemeinden. Grund für diese Veräußerung des Betriebes war der Umstand, daß sich ein Schuldenstand von ca 3 Mill. S gebildet hatte, da nach einem Brand im Jahre 1969 die Wirtschaftsgebäude wieder aufgebaut werden müßten. Infolge einer Unterversicherung waren nur 50 % des Schadens durch Versicherungsleistungen gedeckt. Der Wiederaufbau und die sich daran anknüpfenden Investitionen ließen den Schuldenstand anwachsen. Dazu kam noch, daß eine Umstellung des Betriebes auf Ferkelproduktion die in sie gesetzten wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllte, sondern vielmehr infolge Ausbleibens der erwarteten Erlöse eingestellt werden mußte. Durch die Veräußerung des Betriebsvermögens vermochten der Kläger und seine Gatttin die Schuldenlast zu tilgen. Der ihnen verbliebene Reinerlös belief sich auf 830,56 S. Die Liegenschaften, die zum veräußerten landwirtschaftlichen Betrieb gehörten, wurden an mehrere Käufer veräußert. Das Haus und die Wirtschaftsgebäude wurden an einen Verein verkauft; in keinem der Fälle wurde eine Ausgedingsleistung oder ein Wohnrecht vereinbart.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, gemäß § 140 Abs 8 BSVG idF der 14.Novelle, BGBl 1989/644 habe die Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (gemäß § 140 Abs 7 BSVG) zu unterbleiben, wenn die Gewährung von Gegenleistungen (Ausgedingsleistungen) aus einem übergebenen (aufgegebenen) landwirtschaftlichen Betrieb in Geld- oder Güterform aus Gründen, die der Einflußnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen seien, am Stichtag zur Gänze ausgeschlossen oder später unmöglich geworden sei, und zwar solange, wie diese Voraussetzungen zutreffen und die Unterlassung der Erbringung von Ausgedingsleistungen dem Ausgleichszulagenwerber nicht zugerechnet werden könne. Die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle seien beim Kläger nicht gegeben. Er habe nach dem Stichtag 1.6.1986 den ehemaligen Betrieb durch Verkauf aufgegeben. Unbestritten stehe fest, daß der Kläger stets selbst gehandelt habe, sodaß die Betriebsaufgabe keinesfalls seiner Einflußnahme entzogen gewesen sei, sondern vielmehr auf eine solche zurückgehe. Es müsse ihm daher die Unterlassung der Erbringung von Ausgedingsleistungen zugerechnet werden, denn es wäre an ihm gelegen, anläßlich der Liegenschaftsverkäufe auch die Erbringung solcher Leistungen zu vereinbaren. Würde man der Argumentation des Klägers folgen, so hätte es ein Betriebsführer durch die Inkaufnahme einer Überschuldung des Betriebes und durch schlechte Betriebsführung in der Hand, sich für einen Pensionsanfall in den Genuß der Ausgleichszulage zu bringen; dies könne aber nicht der Sinn des Institutes der Ausgleichszulage sein.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Sozialrechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Die Begünstigung des § 140 Abs 8 BSVG idF der 14. Nov solle, um den notwendigen Mehraufwand in vertretbaren Grenzen zu halten, ausschließlich jenen Pensionsbeziehern zuteil werden, die aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, vom Bezug jeglicher Naturalleistungen aus einem aufgegebenen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb ausgeschlossen seien. Den Gesetzesmaterialien (1102 BlgNR 17.GP ) sei unmißverständlich zu entnehmen, daß der Gesetzgeber nicht nur dann einen Härtefall annehme, wenn die vereinbarte Ausgedingsleistung aus bestimmten Gründen ausbleibe, sondern auch dann, wenn es gar nicht zur Vereinbarung einer Ausgedingsleistung kommen könne, wie etwa bei einer Zwangsversteigerung des Betriebes. Die Gewährung von Gegenleistungen sei auch dann zur Gänze ausgeschlossen, wenn es gar nicht zu einer Betriebsübergabe komme. Auch ein Freihandverkauf im Zuge einer Zwangsversteigerung sei als Härtefall zu werten, weil es dabei ebenfalls nicht möglich sei, eine Ausgedingsleistung zu vereinbaren. Daß der Pensionsbezieher schlecht gewirtschaftet habe und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, zum Stichtag Ausgedingsleistungen zu vereinbaren, könne ihm nicht vorgehalten werden, sonst könnte ja auch bei einer Zwangsversteigerung, die in der Regel auf schlechtes Wirtschaften zurückzuführen sein werde, ein Härtefall nicht angenommen werden. Daß der Pensionsbezieher schlecht gewirtschaftet und nach dem Brandschaden die Erfolgsaussichten der Betriebsumstellung falsch eingeschätzt habe, könne nicht zu einer Verweigerung der Ausgleichszulage führen, die zur Deckung der Lebenshaltungskosten in einem Mindestmaß diene. Ob der freihändige Verkauf der zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Liegenschaften durch den Kläger und seine Gattin auf Gründen beruhe, die seiner Einflußnahme entzogen gewesen seien, könne jedoch aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Das Erstgericht werde zu klären haben, ob allenfalls eine Zwangsversteigerung gedroht habe, welchen Verkehrswert die einzelnen verkauften Grundstücke aufgewiesen hätten und welcher Verkaufserlös jeweils erzielt worden sei, sowie welche Liegenschaften zu welchem Preis dem Sohn überlassen worden seien. Erst danach könne endgültig beurteilt werden, ob der Kläger zum Verkauf der Liegenschaften genötigt gewesen sei, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, entsprechende Ausgedingsleistungen zu vereinbaren. Diese Beurteilung werde hinsichtlich der einzelnen Grundstücke allenfalls auch unterschiedlich vorzunehmen sein.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Da der Oberste Gerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken gegen die anzuwendenden Bestimmungen des § 140 Abs 7 und 8 BSVG hatte, stellte er mit Beschluß vom 24.3. 1992, 10 Ob S 373/92, gemäß § 89 Abs 2 B‑VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 140 Abs 7 BSVG in der Fassung der 14. und 15.BSVGNov und § 140 Abs 8 idF der 14.BSVGNov gemäß Art 140 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 10.12.1993, G 60/92 ua wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag ab; die vom Obersten Gerichtshof aufgeworfenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Frage stehenden Bestimmungen träfen nicht zu. Bei der Entscheidung über den Rekurs ist daher von der Geltung dieser Bestimmungen auszugehen.

Die beklagte Partei wiederholt in ihrer Revision ihren Standpunkt, bei freihändiger Veräußerung der Liegenschaften könne die Ausnahmebestimmung des § 140 Abs 8 nicht zur Anwendung kommen. Diese Begünstigung komme nur Personen zugute, die es nicht zu vertreten hätten, daß die Vereinbarung eines Ausgedinges nicht möglich sei. Dem Kläger sei es jedenfalls möglich gewesen, am Stichtag ein Ausgedinge zu vereinbaren und auch verbüchern zu lassen. Die Gewährung von Ausgedingsleistungen sei nicht aus Gründen unterblieben, die der persönlichen Einflußsphäre des Klägers entzogen gewesen seien. Dem kann nicht beigetreten werden.

Die Ausgleichszulage zu einer Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung stellt sich ihrem Wesen nach als eine Leistung der Sozialhilfe dar, so daß die erforderlichen öffentlichen Mittel für derartige Leistungen nur subsidiär herangezogen werden dürfen. Daher sind bei Feststellung des Augleichszulagenanspruches neben der Pension in der Regel auch alle sonstigen Einkünfte zu berücksichtigen. Für land(forst)wirtschaftliche Betriebe gilt die Regelung, daß die aus der Aufgabe (Übergabe) eines solchen Betriebes üblicherweise gewährten Leistungen an den Übergeber nicht in jedem Einzelfall betragsmäßig bewertet, sondern pauschal berücksichtigt werden. Diese Art der Berücksichtigung von Zuwendungen aus der Übergabe eines Betriebes beruht einerseits auf der Überlegung, daß dem Eigentümer eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes zugemutet werden könne, seinen Betrieb so zu verwerten, daß er einen Teil seines Lebensunterhaltes auch nach der Aufgabe der Erwerbstätigkeit selbst zu bestreiten in der Lage ist. Andererseits ist aber eine genaue ziffernmäßige Ermittlung der in Güterform aus dem übergebenen Betrieb tatsächlich empfangenen bzw erzielbaren Naturalleistungen im Hinblick auf die große Zahl der Ausgleichszulagenbezieher praktisch ausgeschlossen. Zu dem kommt noch, daß die pauschale Berücksichtigung dieser Sachleistungen auf die Höhe des Einheitswertes des übergebenen Betriebes Bedacht nimmt, so daß letztlich die Ertragsfähigkeit des übergebenen Betriebes ausschlaggebend ist. Wenngleich die Regelung über die pauschale Berücksichtigung des Ausgedinges auf den Einheitswert des Betriebes und damit auf die Ertragsfähigkeit Bedacht nimmt, so wurden die Auswirkungen dieser Rechtslage allgemein mit Unzufriedenheit aufgenommen. Ein Grund hiefür war unter anderem, daß die pauschale Berücksichtigung eines Sachverhaltes dem jeweiligen Einzelfall nicht gerecht werden kann; dies trifft insbesondere auf jene Fälle zu, in denen aus Gründen, die der Einflußsphäre des Betriebsinhabers entzogen sind, ein Ausgedinge nicht erbracht werden kann und demnach der faktischen Anfechtung des Ausgedinges keine tatsächlich empfangenen Naturalleistungen gegenüberstehen. Diesem Umstand wollte die 14.BSVGNov BGBl 1989/644 durch Einführung des § 140 Abs 8 BSVG Rechnung tragen.

Die Regierungsvorlage führt dazu aus, daß in jenen Fällen, in denen aus Gründen, die der Einflußnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen sind, die Erbringung von Ausgedingsleistungen unmöglich (geworden) ist, eine Pauschalanrechnung überhaupt unterbleiben soll. Nach den Vorstellungen der RV sind diese Voraussetzungen dann gegeben, wenn der land(forst)wirtschaftliche Betrieb (die Betriebsführung) dem Betriebsinhaber gegen dessen Willen entzogen worden (Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung), wenn der Betrieb durch höhere Gewalt (Feuer bzw sonstige Elementarereignisse) zerstört worden ist oder wenn örtliche Verhältnisse (Grenzlandgebiet) bzw sonstige Gegebenheiten (ungünstige Produktionsverhältnisse) zur Betriebseinstellung gezwungen haben, ohne daß die Fortsetzung der Betriebsführung durch andere Personen als zumutbar gewertet werden kann. Im Vordergrund hat daher immer die Tatsache zu stehen, daß eine Ermittlung des Einkommens (Anrechnung) zur Feststellung des Ausgleichszulagenanspruches nur in jenen Fällen zu unterbleiben hat, in denen das Fehlen jeglicher Naturalversorgung aus dem Betrieb dem ehemaligen Betriebsinhaber nicht zugerechnet werden kann. Nach den weiteren Vorstellungen der RV wird etwa eine Betriebsauflösung durch freihändige Veräußerung ohne zwingende Gründe die genannten Voraussetzungen ebensowenig erfüllen können, wie eine Betriebseinstellung trotz möglicher Bewerber für eine Fortführung; auch ein Verzicht des Ausgleichszulagenwerbers auf Ausgedingsleistungen kann die genannten Voaussetzungen nicht erfüllen. Die Begünstigung soll daher, um den notwendigen Mehraufwand in vertretbaren Grenzen zu halten, ausschließlich jenen Pensionsbeziehern zuteil werden, die aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, vom Bezug jeglicher Naturalleistungen ausgeschlossen sind und zwar so lange, wie diese Voraussetzungen zutreffen (1102 BlgNR 17.GP 7 f; sa SSV‑NF 5/84).

Die Regierungsvorlage erwähnt damit ausdrücklich, daß ein freihändiger Verkauf ohne zwingende Gründe die Voraussetzungen für die Begünstigung nicht zu erfüllen vermag. Hieraus ergibt sich umgekehrt, daß ein durch zwingende Gründe veranlaßter Freihandverkauf sehr wohl einen Härtefall begründen kann. Im Fall der Veräußerung des Betriebes sind daher nicht nur Fälle dem § 140 Abs 8 BSVG zu unterstellen, in denen die Liegenschaft dem Ausgleichszulagenwerber gegen seinen Willen entzogen wird, sondern auch solche, in denen der Pensionist selbst seinen Betrieb veräußerte, sofern er hiezu durch die Umstände gezwungen war. Wird etwa ein Betrieb veräußert, um hiedurch einer drohenden Zwangsversteigerung zu entgehen, so sind die Voraussetzungen für die Anwendung der Härteklausel erfüllt, wenn bei dieser Veräußerung mit Rücksicht auf den Schuldenstand ein Ausgedinge nicht vereinbart werden konnte und bei wirtschaftlicher Verwertung praktisch der gesamte Erlös zur Deckung der Schulden erforderlich war. Es wäre mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar, wollte man die Begünstigung auf den Fall der exekutiven Verwertung der Liegenschaften beschränken. Der Ausgleichszulagenwerber müßte das zusätzliche Kosten verursachende Zwangsversteigerungsverfahren durchführen lassen, und wäre nicht selten nach dessen Abwicklung unter Umständen noch mit beträchtlichen Schulden belastet, zumal die exekutive Verwertung vielfach geringere Erlöse bringt, als ein freihändiger Verkauf. Ist der Betrieb mit Schulden belastet, die den Wert der Liegenschaft erreichen, so ist die Vereinbarung eines Ausgedinges nicht möglich. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Härteklausel sind auch in diesem Fall erfüllt.

Auch soweit die beklagte Partei ins Treffen führt, die Verschuldung des Betriebes sei durch die schlechte Wirtschaftsführung durch den Kläger begründet, was der Kläger zu vertreten habe, so daß auch aus diesem Grund die Anwendung der Härteklausel ausscheide, kommt den Ausführungen keine Berechtigung zu. Ein Fall des § 140 Abs 8 BSVG ist nach dem Gesetz ua dann gegeben, wenn die Erzielung eines Ausgedinges aus Gründen, die der Einflußnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen sind, am Stichtag ausgeschlossen ist. Dies kann nicht etwa dahin verstanden werden, daß in jedem Fall eine Aufrollung der wirtschaftlichen Gebarung für die gesamte Zeit der Betriebsführung zu erfolgen hätte und in jedem Fall, in dem eine nachprüfende Kontrolle ergibt, daß wirtschaftliche Fehler bei der Führung des Betriebes Grund für die Verschuldung sind, die Härteklausel unanwendbar wäre. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht auf den Fall der Zwangsversteigerung verwiesen. Zumeist sind es wirtschaftliche Fehlleistungen, die letztlich zur zwangsweisen Verwertung der Liegenschaft führen. Dieser Fall wird aber in den Regierungsvorlage als einer der Hauptanwendungsfälle für die Bestimmung des § 140 Abs 8 BSVG genannt, ohne daß sich aus den Gesetzesmaterialien ein Hinweis dafür ergäbe, daß die Härteklausel in diesem Fall nur zur Anwendung zu kommen habe, wenn dem Ausgleichszulagenwerber an der Zwangsversteigerung kein Verschulden zur Last fällt. § 140 Abs 8 BSVG ist vielmehr dahin auszulegen, daß bei der Prüfung, ob der Einflußnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogene Gründe vorliegen, die die Gewährung von Gegenleistungen aus der Verwertung der Betriebes unmöglich machen, auf den Zeitpunkt der Verwertung abzustellen ist und die Gründe, die zur Verschuldung führten, außer Betracht zu bleiben haben. Veräußert der Ausgleichszulagenwerber seinen Betrieb, so ist zu prüfen, ob im Hinblick auf den bestehenden Schuldenstand und den bei der Verwertung erzielbaren Erlös die Vereinbarung eines Ausgedinges möglich war. Nur dann, wenn es der Ausgleichszulagenwerbers unterlassen hat, ein Ausgedinge zu vereinbaren, obwohl dies im Hinblick auf den Wert des Betriebes und die Höhe der Schulden möglich gewesen wäre, ist die Anwendung des § 140 Abs 8 BSVG ausgeschlossen. Bei anderer Betrachtungsweise käme dieser Bestimmung ein pönaler Charakter bezüglich wirtschaftlicher Fehlleistungen während der Zeit der Betriebsführung zu; ein solcher Inhalt kann der in Frage stehenden Norm aber nicht unterstellt werden. Durch § 140 Abs 8 BSVG soll vielmehr das Mindesteinkommen eines Pensionisten gesichert werden, der im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe außer Stande ist, ein Einkommen aus Ausgedingsleistungen zu erzielen.

Wohl hat dieses Ergebnis zur Folge, daß ein schlecht wirtschaftender Landwirt, dessen Betrieb im Zeitpunkt des Stichtages überschuldet ist, Anspruch auf Ausgleichszulage hat, ein gut wirtschaftender hingegen, der einen gut bestellten Betrieb übergibt, auf das pauschal angerechnete Ausgedinge verwiesen wird. Es wäre allerdings nicht lebensnah, anzunehmen, daß etwa ein Landwirt seinen Betrieb nur deshalb verschuldet, um in den Genuß der Ausgleichszulage zu kommen, weil für ihn damit doch häufig beträchtliche anderweitige Nachteile verbunden sind.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist daher zutreffend; die Fragen bezüglich derer das Berufungsgericht zusätzliche Aufklärungen für erforderlich hielt, sind für die Entscheidung von maßgeblicher Bedeutung.

Kosten wurden im Rekursverfahren nicht verzeichnet.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte