OGH 14Os199/93

OGH14Os199/9322.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.März 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Horst D***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Steyr vom 30. September 1993, GZ 12 Vr 502/92-83, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Jerabek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.E.Wegrostek zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.November 1963 geborene Horst D***** auf Grund des einstimmigen Wahrspruchs der Geschworenen der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt. Eine den Mordvorwurf betreffende Eventualfrage nach Totschlag gemäß § 76 StGB blieb - folgerichtig - unbeantwortet.

Darnach hat Horst D***** am 14.Dezember 1992 in Sierning seine Schwiegermutter Elfriede L*****

1) durch - jeweils aus einer tschechischen Armeepistole abgefeuerte - zwei Schüsse in die Brust und drei Schüsse in den Kopf vorsätzlich getötet;

2) mit Gewalt, indem er sie teils an den Haaren, teils an der Bekleidung erfaßte und mit sich zerrte, ihr mehrere Schläge in das Gesicht versetzte und sie über eine Kellerstiege hinunterstieß, ferner durch Drohung mit dem Tode, indem er die tschechische Armeepistole auf sie richtete, zu einer Handlung, nämlich zum Aufsuchen der Wohnstube des Anwesens Mitterndorferweg 1 zum Zweck einer von ihm gewünschten Aussprache, zu nötigen versucht;

3) vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr Schläge gegen den Kopf versetzte und sie über eine Kellerstiege hinunterstieß, wobei die Tat Hämatome am linken Oberarm, über dem linken Ellbogengelenk und über der linken Gesäßregion sowie im Bereich der Schädelschwarte zur Folge hatte;

überdies hat er

4) in der Zeit von etwa Oktober 1992 bis zum 14.Dezember 1992 in Sierning und anderen Orten unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich eine tschechische Armeepistole Modell 52, Kal. 7,62 mm, samt Schußmunition besessen und geführt.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 5, 8, 10 a und 12 des § 345 Abs 1 StPO.

Dem formell auf § 345 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Einwand zuwider war - wie der Oberste Gerichtshof durch Einholung tatsächlicher Aufklärungen über behauptete Formverletzungen gemäß § 285 f StPO festgestellt hat (siehe den Bericht des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes vom 11.Jänner 1994, Band II) - die in § 331 Abs 3 StPO bezeichnete Niederschrift der Geschworenen entsprechend der Vorschrift des § 332 Abs 6 StPO dem Hauptverhandlungsprotokoll ohnedies angeschlossen. Davon abgesehen wird aber mit diesem Eiwnand weder der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund, der die Nichterledigung eines vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten Antrages oder ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gestelltes Zwischenerkenntnis voraussetzt, noch ein anderer Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil eine Verletzung der erwähnten Verfahrensvorschrift nicht unter Nichtigkeitssanktion steht.

Auch mit den gegen die Rechtsbelehrung ins Treffen geführten Einwänden (Z 8) ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:

So kann zunächst keine Rede davon sein, daß die Geschworenen durch die der Rechtsbelehrung vorangestellte "Wiedergabe der Anklageschrift" zufolge der hiedurch angeblich zum Ausdruck kommenden "Identifizierung des Schwurgerichtshofes mit der Anklage" unbewußt zur Bejahung der Fragen im Sinn der Anklageschrift verleitet worden wären. Die gerügte Einleitung der Rechtsbelehrung enthält in Wahrheit eine (wenn auch nicht vorgeschriebene, so doch für das Verständnis des Prozeßgegenstandes durchaus instruktive) Zusammenfassung des Anklagespruchs, hingegen nicht einmal andeutungsweise die Anklagebegründung (s. S 2 der Rechtsbelehrung). Daß der bloßen Wiedergabe der unter Anklage gestellten Taten jede Eignung fehlt, die Beweiswürdigung der Geschworenen zu beeinflussen, ist evident und bedarf keiner weiteren Erörterung.

Es ist aber auch der gegen den allgemeinen Teil der schriftlichen Rechtsbelehrung erhobene substanzlose Vorwurf "weitwendiger und überflüssiger" Ausführungen zur subjektiven Tatseite keiner sachbezogenen Erörterung zugänglich. Denn der Beschwerdeführer vermag nicht darzulegen, weshalb die Geschworenen hiedurch von den für das Strafverfahren wesentlichen Rechtsfragen "abgelenkt" und solcherart in Irrtum geführt worden sein könnten. Nach Inhalt und Sinngehalt der (als Einheit zu beurteilenden) Rechtsbelehrung wurde den Geschworenen in ausreichender und keineswegs überfrachteter, auch dem juristischen Laien einsichtiger Weise vor Augen geführt, daß der deliktsspezifische Vorsatz des Täters im Tatzeitpunkt jeweils sämtliche - getrennt für jede Frage erörterten - Tatbestandsmerkmale erfassen muß. Für eine darüber hinausgehende, von der anzuwendenden Strafnorm losgelöste theoretische Erläuterung des Begriffs "Tatbildmerkmal" bestand demzufolge - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - keine gesetzliche Verpflichtung (vgl. § 321 Abs 2 StPO). Im übrigen läßt sich in einer schriftlichen Rechtsbelehrung oft nicht vermeiden, Begriffe zu gebrauchen, welche für Nichtjuristen nur schwer verständlich sind. Die gemäß § 323 Abs 1 StPO vom Vorsitzenden mündlich zu erteilende Rechtsbelehrung bietet diesem jedoch Gelegenheit, solche Ausdrücke - ohne deshalb über die schriftliche Rechtsbelehrung hinauszugehen - mit einfachen Worten zu erläutern und sich davon zu überzeugen, daß die Geschworenen diese verstanden haben.

Die ferner gerügte Unterlassung einer näheren Erklärung des in der Rechtsbelehrung über den Zusammenhang von Vorsatz und objektivem Tatbestand am Rande erwähnten Begriffs der "objektiven Bedingung der Strafbarkeit" wiederum kann auf sich beruhen, weil mangels Aktualität für die Beratung und den Wahrspruch der Geschworenen von einer solchen Erläuterung keine entscheidenden Auswirkungen auf das Verständnis der Geschworenen zu erwarten waren.

Die den allgemeinen Teil der Rechtsbelehrung abschließende, unbestrittenermaßen richtige Belehrung über Fragen der Strafbemessung ist zwar im Gesetz (§ 321 Abs 2 StPO) nicht vorgesehen, doch kann daraus der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund (Z 8), der eine unrichtige Rechtsbelehrung voraussetzt, nicht abgeleitet werden (vgl. Mayerhofer-Rieder3 ENr. 73 zu § 345 Z 8 StPO).

Die vom Beschwerdeführer vermißte nähere Erläuterung, was unter "sittlich verständlich bzw. sittlicher Vorwurf" (im Zusammenhang mit der allgemeinen Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung im Sinn des § 76 StGB) zu verstehen sei, war schon deshalb nicht geboten, weil die Bedeutung dieser dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommenen Ausdrücke jedermann geläufig ist, und die Geschworenen ausdrücklich darüber belehrt wurden, daß insoweit die Vorstellung eines durchschnittlich rechtstreuen Menschen (als Maßfigur) bei der nach objektiv-normativen Grundsätzen vorzunehmenden Prüfung des in § 76 StGB vorausgesetzten Ausnahmezustandes maßgebend sind (s. S 14 der Rechtsbelehrung).

Der in diesem Zusammenhang gegebene Hinweis, daß eine auf Stimmungslabilität, leichte Erregbarkeit, mangelnde Beherrschung, gesteigerte Aggressivität oder auf verwerfliche Leidenschaften und Neigungen, wie etwa Rachsucht udgl., zurückzuführende heftige Gemütsbewegung der Annahme ihrer allgemeinen Begreiflichkeit entgegenstehe, entspricht der Rechtslage (vgl. Leukauf-Steininger Komm.3 § 76 RN 12). Diese beispielsweise Aufzählung in der Rechtsbelehrung enthält keine konkrete Bezugnahme auf den verfahrensgegenständlichen Fall und war schon deshalb nicht geeignet, die Geschworenen bei ihrem Wahrspruch zum Nachteil des Beschwerdeführers zu beeinflussen.

Dem Beschwerdestandpunkt zuwider kann der Vorwurf einer den Nichtigkeitsgrund nach der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO begründenden Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung auch nicht auf die in der Beschwerde zitierte, auf einem Schreibfehler beruhende Passage der Rechtsbelehrung gestützt werden, daß sich wegen der Vielfalt der Persönlichkeiten und Sachverhalte die "Dauerschuld mindernder" Gemütsbewegung (richtig: ... die Dauer schuldmindernder Gemütsbewegung ...) nicht objektiv begrenzen läßt (S 15 der Rechtsbelehrung). Trotz dieses Schreibfehlers ist bei nur durchschnittlicher Aufmerksamkeit der tatsächliche Sinngehalt dieser Erläuterung über ein allfälliges Andauern eines für die Anwendung der privilegierenden Strafnorm des § 76 StGB erforderlichen Affektzustandes, dessen Begriffsinhalt den Geschworenen im übrigen schon auf Grund des sinnfälligen Zusammenhanges mit den übrigen Ausführungen in der Rechtsbelehrung nicht verborgen geblieben sein konnte, leicht erkennbar.

Mit dem weiteren Einwand, daß die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes (§ 15 StGB) über die Strafbarkeit des Versuches die Geschworenen über "das Wesen des strafrechtlichen Versuches" im Unklaren gelassen habe, verkennt der Beschwerdeführer, daß die Wiedergabe des Gesetzestextes in einer - solcherart zwangsläufig an sich "richtigen" - Rechtsbelehrung nur dann zu einer der Unrichtigkeit gleichkommenden Unvollständigkeit führt, wenn sie zu Mißverständnissen und Irrtümern Anlaß geben kann (Mayerhofer-Rieder3 ENr. 30 zu § 345 Z 8 StPO); daß dies bei Beantwortung der Hauptfrage nach versuchter schwerer Nötigung - allein hier konnte die gerügte Rechtsbelehrung bedeutsam werden - der Fall war, vermag der Beschwerdeführer aber nicht einmal andeutungsweise aufzuzeigen.

Auch die Beurteilung des Gesamtinhaltes der Rechtsbelehrung unter Berücksichtigung der zuvor einzeln erörterten Details führt zu dem Ergebnis, daß sie keine Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO begründet.

Der Tatsachenrüge (Z 10 a) zuwider ergeben sich nach Prüfung der Akten anhand des Beschwerdevorbringens für den Obersten Gerichtshof keine (erheblichen) Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zum Ausdruck gebrachten entscheidenden Tatsache, daß der Angeklagte nicht in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung gehandelt hat.

Die allein gegen die Deliktsqualifikation einer Drohung mit dem Tod gemäß § 106 Abs 1 Z 1 StGB gerichtete Rechtsrüge (Z 12) entbehrt der gesetzmäßigen Darstellung, weil sie unter Vernachlässigung des von den Geschworenen als erwiesen angenommenen Sachverhaltes behauptet, daß "spezielle Indizien" für das Vorliegen eines auf die Bedrohung mit dem Tod gerichteten Vorsatzes des Beschwerdeführers zum Nötigungszeitpunkt gefehlt hätten. Nur aus den im Wahrspruch der Geschworenen angeführten konkreten Tatsachen, nicht aber aus wahrspruchsfremden Prämissen kann eine den materiellen Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO bewirkende unrichtige rechtliche Subsumtion abgeleitet werden.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Horst D***** war sohin zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art, die einschlägigen Vorstraftaten (zwei Verurteilungen jeweils wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und eine - erst am 3.Februar 1993 rechtskräftig gewordene - Verurteilung wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB) sowie den raschen Rückfall während eines (im Tatzeitpunkt) noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens als erschwerend, während es als mildernd das überwiegende Tatsachengeständnis hinsichtlich des Verbrechens des Mordes, das Geständnis hinsichtlich der übrigen Straftaten, daß das Verbrechen der (schweren) Nötigung beim Versuch blieb und die "psychoneurotische Persönlichkeit" - womit ersichtlich die Charakterneurose (S 349/I) des Berufungswerbers gemeint ist - berücksichtigte.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht würdigte die gegebenen Strafzumessungsgründe entsprechend ihrem tatsächlichen Gewicht. Horst D*****, den weder die bisherigen strafgerichtlichen Verurteilungen, noch der Vollzug empfindlicher Freiheitsstrafen oder eine bedingte Entlassung zu rechtstreuem Verhalten bewegen konnten, verantwortet den heimtückischen Mord an einer wehrlosen Frau, die sich ua beim Vollzugsgericht für seine bedingte Entlassung eingesetzt und mit großer Langmut bemüht hatte, einer mit den rechtlich geschützten Werten nicht verbundenen, charakterlich defekten Person immer wieder Hilfestellung zu leisten (S 21 f/II).

Die vom Tatopfer zuletzt betriebene Delogierung kann dem Angeklagten nicht als mildernd zugute gehalten werden, weil er seine Schwiegermutter durch sein Verhalten auf eine Art und Weise provoziert hat, welche sogar seine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe und den Widerruf einer bedingten Entlassung nach sich zog.

Wird all dies bei Ausmessung der verwirkten Strafe gebührend berücksichtigt, so zeigt sich, daß angesichts der besonderen Schwere der personalen Täterschuld (§ 32 StGB) die Verhängung einer (bloß) zeitlichen Freiheitsstrafe im vorliegenden Fall - auch unter Bedachtnahme auf die in der Berufung vorgetragenen Argumente - nicht in Betracht gezogen werden kann.

Auch der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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