Spruch:
Das Revisionsverfahren wird unterbrochen, bis über die strittige Vorfrage der Versicherungspflicht des Klägers als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens.
Beim beklagten Versicherungsträger wird die Einleitung des Verfahrens in Verwaltungssachen angeregt.
Nach rechtskräftiger Entscheidung über die Vorfrage ist das Revisionsverfahren von Amts wegen aufzunehmen.
Text
Begründung
Durch den Chefarzt der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse wurden den am 21.10.1919 geborenen Kläger nach fachärztlicher Überweisung 10 Behandlungs- einheiten für eine Unterwassermassage in der physiko- therapeutischen Abteilung bzw. Badeabteilung im Gebäude der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse genehmigt. Diese Behandlungen werden ambulant durchgeführt und dauern pro Behandlungstag jeweils eine halbe bis eine dreiviertel Stunde. Nach jeder Behandlung wäre der Kläger wieder nach Hause gegangen. Am 16.6.1992 fand sich der Kläger termingemäß im Krankenkassengebäude ein. In der Folge stürzte er dort im Bereich der Badeabteilung am Gang; dabei zog er sich eine Kniescheibenverletzung zu.
Die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt lehnte mit Bescheid vom 1.4.1993 den Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlaß des Unfalls, von dem er am 16.6.1992 betroffen wurde, gemäß § 175 ASVG ab, weil sich der Unfall im Rahmen einer ambulanten Unterwassertherapie ereignet habe und nicht im Rahmen der Unterbringung in einer Einrichtung, die der medizinischen Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge diene, weshalb der Kläger nicht dem Versicherungsschutz genießenden Personenkreis angehöre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Klage mit dem Begehren auf Zuerkennung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß, mindestens 20 v.H. der Vollrente. Zur Begründung führt der Kläger an, entscheidend für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG sei gerade nicht die Unterbringung in einer solchen Anstalt, sondern vielmehr die medizinische Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Mangels einer Unterbringung in eine der medizinischen Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge dienenden Anstalt bestehe kein Unfallversicherungsschutz nach der zitierten Bestimmung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG unterlägen Personen, die in einer Einrichtung untergebracht seien, die der medizinischen Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge diene, der Unfallversicherung. Nach einhelliger Auffassung werde die (stationäre) Unterbringung in einer Anstalt als begrifflicher Gegensatz zur ambulanten Behandlung gesehen. Prinzipiell spreche also der Wortlaut der genannten Bestimmung gegen die vom Kläger behauptete Auslegung. Aber auch teleologische Gesichtspunkte führten zu demselben Ergebnis: Tatbestandsmerkmal sei gerade die Unterbringung in eine solche Anstalt, das Gesetz wolle nur das besondere Unfallrisiko der Rehabilitationsmaßnahmen von in Anstalten untergebrachten Personen unter Versicherungsschutz stellen, wobei zusätzlich zum Tatbestand der Unterbringung noch die an den Personen zu erbringenden Maßnahmen der Rehabilitation bzw. Gesundheitsvorsorge das Versicherungsbedürfnis begründeten. Ambulante Behandlung, die eher mit der Konsultation eines Vertragsarztes verglichen werden könne, sei ebensowenig wie die Behandlung beim Vertragsarzt selbst unfallversicherungsgeschützt. Die Materialien zur 33. ASVG- Novelle würden auf einen diese Erwägungen bestätigenden Zusammenhang hinweisen: Mit derselben Novelle sei eine Ergänzung des § 74 Abs 3 Z 2 ASVG dahin vorgenommen worden, daß der Träger der Einrichtung, in der die Unterbringung erfolge, die Beiträge zur Unfallversicherung zur Gänze zu tragen habe. Außerdem gelte der Träger der Einrichtung, in der die Unterbringung erfolge, nach der ergänzten Bestimmung des § 35 Abs 2 ASVG als beitrags- pflichtiger Dienstgeber für solche teilversicherten Personen. Hingegen würden für bloß ambulant behandelte Personen mangels entsprechender Regelung keine Unfallversicherungs- beiträge eingehoben. Der Kläger sei daher nicht unter dem Versicherungsschutz des § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG gestanden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es hielt die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes für zutreffend und ergänzte, daß die Begriffe "Anstaltspflege" und "Unterbringung" gleichzusetzen seien. Da die stationäre Behandlung in einer Krankenanstalt mit einer Aufnahme des Erkrankten in die Anstaltspflege verbunden sei und zur Unterbringung des Erkrankten in der Anstalt führe, ergebe sich daraus der vom Kläger verneinte begriffliche Gegensatz zur ambulanten Behandlung. Das Erstgericht habe daher zutreffend erkannt, daß der Kläger im Unfallszeitpunkt nicht in der Unfallversicherung teilversichert gewesen sei.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt sinngemäß die Abänderung im Sinne einer Stattgebung seines Klagebegehrens.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisions- beantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Über die nach § 46 Abs 3 ASVG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässige Revision kann noch nicht entschieden werden.
Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs 1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Kläger eine "die Versicherung begründende Beschäftigung" ausübte. Mangels eines Sondertatbestandes in den §§ 175 und 176 ASVG ist hier auf die schon von den Vorinstanzen zitierte Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG zurückzugreifen: Danach sind unter anderem Personen, die in einer Einrichtung untergebracht sind, die der medizinischen Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge dient, in der Unfallversicherung "hinsichtlich der ... bezeichneten Tätigkeiten (Beschäftigungs- verhältnisse)" teilversichert. Die Aufnahme dieser Personen in den Kreis der Teilversicherten erfolgte durch die 33. ASVG- Novelle, BGBl 1978/684, wozu die Gesetzesmaterialien ausführten (1084 BlGNR 14. GP, 30), daß auch für Patienten, die im Rahmen des Therapiebetriebes Tätigkeiten verrichten, die nicht ohne weiteres als berufliche Schulungsmaßnahmen verstanden werden könnten, ein Versicherungsbedürfnis bestehe. Im vorliegenden Fall ist nun strittig, ob der Kläger mangels stationärer Aufnahme in einer der Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge dienenden Einrichtung dem umschriebenen Personenkreis angehört, mit anderen Worten, ob er der Pflichtversicherung des § 8 ASVG unterlag.
Ist nun in einer Rechtsstreitigkeit über den Bestand oder den Umfang auf Versicherungsleistungen die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung, der Beginn oder das Ende der Versicherung, die maßgebende Beitragsgrundlage oder die Angehörigeneigenschaft als Vorfrage strittig, so ist nach § 74 Abs 1 ASGG das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens. Voraussetzung einer solchen Unterbrechung ist, daß die Entscheidung über die Klage ganz oder zum Teil von der Beurteilung einer solchen Vorfrage abhängt und daß die betreffende Vorfrage zwischen den Prozeßparteien strittig ist (SSV-NF 7/42). Die Vorinstanzen haben nicht beachtet, daß die Feststellung der Versicherungspflicht, der Versicherungsberechtigung oder des Beginnes oder des Endes der Versicherung nach der ausdrücklichen Anordnung des § 355 Z 1 ASVG zu den Verwaltungssachen gehört, über die der zuständige Versicherungsträger (§ 409 ASVG) mit Bescheid zu entscheiden hat (vgl auch SSV-NF 3/92, 3/101, 3/111, 3/125). Ist im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig, so hat das Gericht die Einleitung des Verfahrens beim Versicherungsträger anzuregen (§ 74 Abs 1 Satz 2 ASGG). Eine solche Unterbrechung ist auch vom Rechtsmittelgericht anzuordnen (SSV-NF 7/42 mwN).
Da es also im vorliegenden Verfahren zunächst um die Frage geht, ob der Kläger am Unfallstag überhaupt der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterlag und da diese Vorfrage strittig ist, ist das im Revisionsstadium befindliche Verfahren nach § 74 Abs 1 ASGG zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen entschieden worden ist. Weil derzeit noch kein solches Verfahren anhängig ist, hat der Oberste Gerichtshof die Einleitung des Verfahrens beim beklagten Versicherungsträger anzuregen. Nach rechtskräftiger Entscheidung der Vorfrage - einschließlich eines allfälligen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens - ist das unterbrochene Revisionsverfahrens von Amts wegen aufzunehmen (§ 190 Abs 3 ZPO; Feitzinger-Tades ASGG Anm 4 f zu § 74; Kuderna ASGG Erl 4 zu § 74; Fasching ZPR2 Rz 2301; SSV-NF 7/42).
Die dem Obersten Gerichtshof vorgelegten Akten werden daher vorerst zurückgestellt. Das Erstgericht wird ersucht, den Unterbrechungsbeschluß den Parteien zuzustellen und die Versicherungsakten dem beklagten Versicherungsträger weiterzuleiten. Um die unverzügliche Aufnahme des Revisionsverfahrens sicherzustellen, werden die Parteien ersucht, das Erstgericht von der rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage zu verständigen; der beklagte Versicherungsträger möge dabei seine Akten anschließen. Das Erstgericht wird die Akten sodann im Wege des Berufungsgerichtes wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen haben.
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