OGH 13Os174/93

OGH13Os174/9316.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Markel, Dr. Mayrhofer und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Magdalena F* wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Juni 1993, GZ 9 a Vr 6727/91‑49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0130OS00174.9300000.0316.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Magdalena F* (im dritten Rechtsgang) wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Z 4 StGB schuldig erkannt, weil sie Mitte Dezember 1985 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz ihrer damaligen Dienstgeberin Goldschmuck im Wert von zusammen 32.000 S weggenommen hat.

Die von ihr gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die Mängelrüge (Z 5) geht davon aus, der Oberste Gerichtshof habe in seiner seinerzeitigen (teilweise) aufhebenden Entscheidung (vom 17.Juni 1992, GZ 13 Os 50/92‑6; ON 39 des erstgerichtlichen Aktes) dem Tatgericht die Überprüfung einer allfälligen Bestätigung der belastenden Aussage der Zeugin Dorothea P* durch ein weiteres Beweismittel "mit bindender Rechtsansicht im Sinn des § 293 StPO aufgetragen" (S 302), worüber sich dieses hinweggesetzt habe.

Die Beschwerde verkennt damit die Rechtslage über die Reichweite der im § 293 Abs. 2 StPO normierten Bindungswirkung und unterliegt deswegen einem Mißverständnis der Bedeutung des aufhebenden Erkenntnisses. Der im § 293 Abs. 2 StPO ausgesprochene Grundsatz räumt dem Obersten Gerichtshof nicht die Befugnis ein, bei Aufhebung eines Urteiles und Anordnung der Verfahrensneudurchführung auf die Würdigung der weiteren Verfahrensergebnisse Einfluß zu nehmen. Auch für das neu durchzuführende Verfahren gilt die Maxime, daß die Tatrichter nur nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden haben, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei (§ 258 Abs. 2 SPO). Das Erstgericht ist diesfalls nur zur Entscheidung der Rechtsfrage, bei Stetigkeit des Sachverhaltes an die dem kassatorischen Erkenntnis zugrunde gelegte Rechtsansicht gebunden.

Das zitierte Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes enthält damit auch keinen in die freie Beweiswürdigung der ersten Instanz eingreifenden "Auftrag". Es geht lediglich bei Erörterung der Relevanz der vom Erstgericht (im zweiten Rechtsgang) getroffenen aktenwidrigen Urteilsannahme davon aus, daß bei mangelnder Bestätigung der Aussage der Belastungszeugin Dorothea P* durch ein weiteres Beweismittel nicht ausgeschlossen werden könnte, daß die Tatrichter zu einem Freispruch gelangen hätten müssen.

Demnach konnte das im dritten Rechtsgang entscheidende Schöffengericht die Verfahrensergebnisse selbständig dahin würdigen, daß schon die Aussage der genannten Zeugin allein zur Überführung der Angeklagten ausreichende Glaubwürdigkeit beizumessen ist (US 9, 10). Dabei hat es auch keineswegs übersehen, daß wesentliche Teile dieser Aussage keine zusätzliche Stütze (aber auch keine Widerlegung) in Angaben der Zeugin Dr.Andrea P* fanden (US 6, 8, 11).

Als Aktenwidrigkeit wird gerügt, die Zeugin Dr.Andrea P* habe angegeben, von ihrer Mutter möglicherweise erst am übernächsten Tag nach der Promotionsfeier, also am der Entdeckung des Fehlens des Armbandes folgenden Tag, angerufen worden zu sein. Ein Urteilsnichtigkeit im Sinne des geltend gemachten Grundes verursachender Widerspruch zwischen Aussage und deren Wiedergabe in den Urteilsgründen wird jedoch durch bloßen Hinweis auf den Aussageinhalt nicht prozeßordnungsgemäß dargetan. In Wahrheit ist ein Widerspruch auch nicht erkennbar. Das Erstgericht ist vielmehr in Übereinstimmung mit der Aussage dieser Zeugin ohnehin davon ausgegangen, daß die Bestohlene ihrer Tochter entweder am Tag der Entdeckung des Fehlens der Armbänder oder am nächsten Tag telefonisch davon berichtet hat (US 6).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vernachlässigt zunächst die die Täterschaft der Angeklagten betreffenden Urteilsfeststellungen und bekämpft lediglich die logische Stringenz der zu diesen Feststellungen führenden Erwägungen des Schöffensenates nach Art einer gegen solche Urteile unzulässigen Schuldberufung und entbehrt damit der prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Des weiteren (nominell Z 9 lit b, teilweise sachlich Z 11) rügt die Beschwerde das Fehlen von Urteilsfeststellungen darüber, ob es sich bei den ihr laut "Strafantrag" (gemeint Anklageschrift vom 19.März 1986, ON 3) zur Last liegenden Taten um ein fortgesetztes Delikt handelte, weil diesfalls Bestimmungen des Jugendstrafrechtes (§§ 5 und 13 JGG) heranzuziehen gewesen wären. In weiterer Folge wäre § 42 StGB anzuwenden gewesen, weil dadurch nur mehr eine "Tatbestandsmäßigkeit hinsichtlich der Herrenarmbanduhr Schaffhausen im Wert von 10.000 S" (S 304) vorliege.

Auch insoweit wird die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Trotz bereits rechtskräftiger Erledigung eines Großteils der Anklagevorwürfe (Anklagetaten mit Begehungszeiten vor der Vollendung des 19.Lebensjahres durch die Angeklagte am 11.September 1985 mit Teilfreisprüchen vom 10.Juli 1986 und 16.Jänner 1992, jeweils Punkt B in ON 9 und 34; Diebstahl einer Herrengolduhr Marke Schaffhausen im Wert von 10.000 S zwischen Dezember 1985 und 12.Jänner 1986 mit Schuldspruch A/b des letzteren Urteils) beschränkt sich die Beschwerde nicht auf die Bekämpfung des nunmehr im dritten Rechtsgang ergangenen Schuldspruches zum einzigen noch nicht rechtskräftigen Anklagepunkt. Sie geht dabei nämlich einerseits, um ein bereits im jugendlichen Alter begonnenes und über das 19.Lebensjahr hinaus fortgesetztes Delikt behaupten zu können, von ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für solche Anklagefakten aus, welche bereits Gegenstand der oben bezeichneten rechtskräftigen Freisprüche gewesen waren. Andererseits richtet sich der Einwand mangelnder Strafwürdigkeit (§ 42 StGB) allein gegen jenen (Teil‑)Schuldspruch vom 16.Jänner 1992, der (infolge Zurückweisung der sich darauf beziehenden Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten mit dem bereits zitierten Urteil des Obersten Gerichtshofes) gleichfalls bereits in Rechtskraft erwachsen ist.

Im übrigen sei nur der Vollständigkeit wegen darauf verwiesen, daß bei teils vor, teils nach Vollendung des 19.Lebensjahres verübten Diebstählen mangels einer Sondervorschrift das Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB zur Anwendung gelangt, weswegen solche Taten als eine nicht mehr allein Jugendstraftaten umfassende Subsumtionseinheit nach den für Erwachsene geltenden Strafrecht zu ahnden sind (Mayerhofer‑Rieder, Nebengesetze3, ENr 11 und 12 zu § 5 JGG).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 und 2 iVm 285 a Z 2 StPO) bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, weshalb über die zugleich erhobene Berufung der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden haben wird (§ 285 i StPO).

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