OGH 9Ob501/94

OGH9Ob501/9416.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Sebastian K*****, geboren 24.Juni 1984, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie, 10. Bezirk, Van der-Nüll-Gasse 20, 1100 Wien, als Sachwalter, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23.November 1993, GZ 44 R 562/93-115, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 26.Mai 1993, GZ 2 P 232/86-94, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der Vater Dariusz G***** ist aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17.3. 1992 dem Minderjährigen zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.800,-- verpflichtet.

Das Kind beantragte am 30.12.1992 durch den Unterhaltssachwalter die Gewährung monatlicher Unterhaltsvorschüsse von S 1.600,-- und berief sich auf die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung, weil der unterhaltspflichtige Vater "nach ha Aktenlage keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe und auch nicht im Bezug von Arbeitslosengeld stehe" (§§ 3 und 4 Z 1 UVG).

Das Erstgericht gewährte am 26.5.1993 die beantragten Vorschüsse, nachdem Sozialversicherungsanfragen des Gerichtes zu den Stichtagen 12.1.1993 (ON 95) und 21.5.1993 (ON 103) negativ verlaufen waren.

Das Rekursgericht gab dem Protokollarrekurs des Vaters vom 8.6.1993 Folge und wies den Vorschußantrag ab. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Vater sei nach seiner Haftentlassung am 13.7.1992 vom 17.8.1992 bis 18.6.1993 bei Christa H***** Transporte beschäftigt gewesen. Wegen dieses aufrechten Arbeitsverhältnisses hätten objektiv und tatsächlich die Voraussetzungen für die Vorschußgewährung (Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung mangels eines Drittschuldners im Inland) gefehlt. Die unrichtige Auskunft des Hauptverbandes könne daran nichts ändern.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, im Sinne des ursprünglich gestellten Antrages auf Unterhaltsvorschuß zu erkennen (= den Beschluß des Erstgerichtes herzustellen).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 14 Abs 1 AußStrG und § 15 Abs 3 UVG idF Revisionsrekursanpassungsgesetzes BGBl 1989/654) berechtigt.

Vorschüsse auf den gesetzlichen Unterhalt minderjähriger Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland sind nach § 3 UVG zu gewähren, wenn für den gesetzlichen Unterhalt ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht und eine wegen der laufenden Unterhaltsbeiträge geführte Exekution nach § 291 c Abs 1 EO oder, wenn der Unterhaltsschuldner offenbar keine solche Forderung hat, eine Exekution nach § 372 EO auch nur einen in den letzten sechs Monaten vor Stellung des Antrags auf Vorschußgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeitrag nicht voll gedeckt hat.

Nach § 4 Z 1 UVG sind dem minderjährigen Kind auf den gesetzlichen Unterhalt Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (§ 3 Z 1 UVG) aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos scheint, besonders, weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten läßt, nicht bekannt ist.

Während § 3 Z 1 UVG die allgemeine Voraussetzung für die Gewährung eines Titelvorschusses, nämlich das Bestehen eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels normiert, zeigt § 3 Z 2 und § 4 Z 1 UVG je eine Möglichkeit für die Bevorschussung eines notleidend gewordenen Unterhaltstitels auf (Knoll-Kommz UVG 18). Damit wird zwar der Zusammenhang zwischen dem Unterhaltsbestimmungs- und dem Unterhaltsvollstreckungsverfahren einerseits und dem Verfahren auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen andererseits gelockert, an der Anknüpfung an den Exekutionstitel soll dadurch aber nicht gerüttelt werden (RV 5 BlgNR XIV GP; Köhler-Frischengruber UVG 15). Der Unterschied zwischen dem Vorschußgrund nach § 3 Z 2 UVG und dem nach § 4 Z 1 UVG liegt nur darin, daß bei letzterem das Erfordernis des erfolglosen Versuchs einer Exekution wegfällt (Knoll aaO Rz 21 zu §§ 3, 4). Aussichtslosigkeit einer Exekution iSd § 4 Z 1 UVG bedeutet Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung nach § 3 Z 2 UVG, (Knoll aaO Rz 23 zu §§ 3, 4).

Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Anschein für die Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung gegeben ist, ist die objektive Lage zur Zeit der Fassung des Beschlusses erster Instanz (Knoll aaO Rz 27 zu §§ 3, 4; EFSlg 47.073, 67.379; RZ 1992/14; 4 Ob 531/93). Sie ist dann anzunehmen, wenn nach der Aktenlage jedermann in Kenntnis der aktenkundigen Verhältnisse, im vorliegenden Fall des Mangels des Vorhandenseins eines Drittschuldners, eine Exekutionsführung aussichtslos erscheinen muß.

Damals lagen zwei Ergebnisse der mit den richtigen Daten versehenen Sozialversicherungsanfragen vor, weil der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger keine Daten bekanntgegeben hat, weil zu den angefragten Daten keine Person gefunden wurde. Erst im Rekursverfahren lag die Ablichtung der Anmeldung des Unterhaltsschuldners durch seinen Dienstgeber, die am 20.8.1992 bei der Wiener Gebietskrankenkasse eingegangen war, vor, in der der Vorname unrichtig mit "Darinsz" statt "Dariusz" aufscheint, so daß die richtigen Daten nicht gespeichert waren und daher dem Kind kein Zugriff auf Gehaltsforderungen des Unterhaltsschuldners möglich war, weil auch der Sachwalter einen Dienstgeber nicht ausforschen konnte.

Die zur Zeit der Bewilligung der Unterhaltsvorschüsse nicht aktenkundigen erst im Rekurs vom Unterhaltsschuldner vorgebrachten Umstände über das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sind zwar zulässige Neuerungen (Köhler-Frischengruber aaO, 34; EFSlg 66.688, 67.367). Beachtlich im Rekursverfahren sind aber nur für den Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse unabdingbare allgemeine Anspruchsvoraussetzungen der §§ 2 und 3 Z 1 UVG, die für die Bewilligung des Unterhaltsvorschusses nachzuweisen sind, nicht aber Umstände, für die das Gesetz dem Grundsatz entsprechend, daß die Unterhaltssicherung vordringlichstes Anliegen des Gesetzes ist (Knoll aaO Rz 10 zu §§ 3, 4) den durch die Aktenlage gedeckten Anschein für ausreichend erachtet. Weist der Rekurswerber nach, daß ein Drittschuldner entgegen der Auskunft des Versicherungsträgers und der Aktenlage zur Zeit der Beschlußfassung erster Instanz vorhanden, so ändert dies nichts daran, daß nach der objektiven Aktenlage die Voraussetzungen nach § 4 Z 1 UVG für die Gewährung des Unterhaltsvorschusses zum Zeitpunkt der Bewilligung vorhanden waren.

Blieben zwei Sozialversicherungsanfragen des Erstgerichtes erfolglos, so mußte zur Zeit der Beschlußfassung des Erstgerichtes die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos scheinen, weil auch bei einer Exekutionsführung nach § 294a EO der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger dem Exekutionsgericht einen Drittschuldner nicht bekanntgeben hätte können und nichts dafür sprach, daß der Unterhaltsschuldner ein verwertbares Vermögen besaß. Damit gewährte das Erstgericht die Vorschüsse dem Gesetz entsprechend.

Aus diesen Erwägungen war der Beschluß des Erstgerichtes in Stattgebung des Revisionsrekurses wiederherzustellen.

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