OGH 9ObA48/94

OGH9ObA48/9416.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang S*****, Angestellter,***** vertreten durch Dr.Helmut Salzbrunn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) C***** OHG, Kommanditgesellschaft, 2.) C.***** Gesellschaft mbH,***** beide vertreten durch Dr.Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 760.021,36 brutto sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.November 1993, GZ 34 Ra 73/93-28, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19. Februar 1993, GZ 27 Cga 63/92-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.778,02 (darin S 3.629,67 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Entgegen der Ansicht der beklagten Parteien genügt es für die Geltendmachung rechtsvernichtender Tatsachen, daß der entlassene Arbeitnehmer zumindest implicite den Untergang des Entlassungsrechts zufolge des verspäteten Ausspruches der Entlassung einwendet. Dazu brachte der Kläger nicht nur vor, daß die erstbeklagte Partei bereits am 30.4.1991 in Kenntnis seiner angeblichen Verfehlungen gewesen sei und ihn dennoch bis 15.5.1991 habe weiter arbeiten lassen, sondern auch ausdrücklich, daß die Entlassung aus diesem Grunde verfristet sei. Auf einen besonderen Rechtsgrund (Verzicht, Verwirkung) brauchte sich der Kläger diesbezüglich nicht festzulegen.

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob die Entlassung des Klägers verspätet und sohin unwirksam erfolgte, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist der Rechtsrüge der Revisionswerber entgegenzuhalten, daß sie mit ihren Ausführungen nur zum Teil von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen ausgehen.

Wie die beklagten Parteien selbst vorbrachten und wie auch festgestellt wurde, verstärkte sich bereits zu Beginn des Jahres 1991 der seit längerem gehegte Verdacht, daß der Kläger die Reisespesenabrechnungen bewußt unrichtig und zu seinem Vorteil gestalte. Aus diesem Grund beauftragte der Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei für die Zeit vom 8.4. bis 12.4.1991 ein Detektivbüro mit der Überwachung der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Als der Kläger am 30.4.1991 die Reisespesenabrechnung für April 1991 legte, lag der Bericht der Detektei bereits vor. Ein Vergleich der Unterlagen ergab, daß der Kläger den Beginn der Dienstfahrten jeweils beträchtlich früher angesetzt hatte als es den Tatsachen entsprach.

Der Vorgesetzte des Klägers stellte dem Kläger die Reisespesenabrechnung noch am selben Tag mit dem schriftlichen Ersuchen zurück, diese hinsichtlich Uhrzeiten, Daten, Kilometerstand, Kundenbesuche und Fahrtstrecke zu überprüfen und binnen drei Tagen wieder vorzulegen; die wiederholte Angabe von falschen Daten könne zu einer fristlosen Entlassung führen. Der Kläger, der vom Vorliegen des Detektivberichtes nichts wußte, legte die Reisespesenabrechnung noch am selben Tag oder am 2.5.1991 neuerlich vor, ohne daß er den jeweiligen Beginn der Dienstfahrten berichtigt hätte. Obwohl der Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei diese erneut vorgelegte Reisespesenabrechnung bereits Anfang Mai 1991 erhielt, erfolgte bis 14.5.1991 keine weitere Reaktion.

Erst am Nachmittag des 14.5.1991 kam es zu einem Gespräch mit dem Kläger, in dem diesem vorgehalten wurde, daß er täglich um S 30 zuviel an Taggeldern verrechne. Der Kläger meinte dazu, daß es kleinlich sei, ihn wegen dieser Beträge zur Rede zu stellen. Der Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei behielt sich daraufhin die Entscheidung über eine Entlassung ausdrücklich vor. Am 15.5.1991 wurde dem Kläger das Entlassungsschreiben ausgefolgt.

Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, trifft den Arbeitgeber die Obliegenheit, ihm bekannt gewordene Entlassungsgründe unverzüglich geltend zu machen, widrigenfalls das Entlassungsrecht erlischt (vgl Schwarz-Löschnigg, ArbR4 443 mwH; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser ArbR3 I 302 f mwH). Der Grundsatz der Unverzüglichkeit beruht auf dem Gedanken, daß ein Arbeitgeber, der eine Verfehlung des Arbeitnehmers nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung zumindest für die Kündigungsfrist nicht als unzumutbar ansieht, so daß das Zuwarten die Annahme begründet, daß der Arbeitgeber auf die Geltendmachung des Entlassungsrechts konkludent verzichtet habe (vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht 15 f; Arb 6.859, 10.445, 10.785 uva). Diesem Untätigbleiben des Arbeitgebers entspricht auf der Seite des Arbeitnehmers die Vertrauensposition, daß der Arbeitgeber in Kenntnis des Entlassungsgrundes keine Konsequenzen zieht.

Beide Voraussetzungen liegen hier vor. Die maßgeblichen Vertreter der erstbeklagten Partei waren am 30.4.1991 in voller Kenntnis der Verfehlungen des Klägers. Da der dem Kläger eingeräumten Möglichkeit der Korrektur der falschen Eintragungen eine Entlassungsdrohung beigefügt war, hätte dieser Drohung am 2.5.1991, da die selben Daten wieder vorgelegt wurden, der Ausspruch der Entlassung folgen müssen. Selbst wenn dazu noch mit dem Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei Rücksprache hätte gehalten werden müssen, wäre dies telefonisch wohl leicht möglich gewesen. Eine weitere Klarstellung war nicht mehr erforderlich; es erfolgte auch keine. Durch das reaktionslose Zuwarten bis 14.5.1991 ist daher das Entlassungsrecht der erstbeklagten Partei erloschen. Andererseits rechnete der durch das Schreiben bereits vorgewarnte Kläger, wie die beklagten Parteien selbst einräumen, noch bis zu diesem Tag nicht mit einer Entlassung, da er seine Mehrverrechnung an Taggeldern für geringfügig hielt. Dazu kommt, daß der Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei auch an diesem Tag noch keine eindeutige Erklärung abgab.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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