OGH 9ObS34/93

OGH9ObS34/9316.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Thomas Mais als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ilse B*****, vertreten durch Dr.Hans Werner M*****, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg, dieser vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Salzburg, Auerspergstraße 67-69, 5020 Salzburg, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien und den Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei Dr.Karl Ludwig V*****, Rechtsanwalt in Salzburg, als Masseverwalter im Konkurs der B***** GmbH & Co KG, wegen 89.905,56 S netto sA Insolvenzausfallgeld, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.Oktober 1993, GZ 12 Rs 79/93-15, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Dezember 1992, GZ 19 Cgs 26/92-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Nebenintervenienten die mit 5.433,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 905,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des angefochtenen Urteils, auch bei Annahmeverzug des Dienstgebers sei § 1155 ABGB anzuwenden und das anderweitig Erworbene anzurechnen, zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin noch folgendes zu erwidern:

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen war der Betrieb der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 3.Juni 1991 in personeller und sachlicher Hinsicht noch voll aktiv. Der Masseverwalter wollte den Betrieb jedenfalls bis zum Beginn der Betriebsferien am 9.August 1991 weiterführen und strebte eine Veräußerung des lebenden Unternehmens an. Unter Hinweis darauf, daß bei massiven vorzeitigen Austritten dieses Konzept nicht zu realisieren sei, ersuchte der Masseverwalter die Dienstnehmer, von vorzeitigen Austritten abzusehen und sagte zu, daß er ungeachtet einer noch laufenden Kündigungsfrist bei Erlangung eines anderen attraktiveren Arbeitsplatzes durch einen Dienstnehmer bzw mit Dienstantritt beim Übernehmer des Betriebes auf die Dienste gegenüber der Masse verzichten werde. Nach Abschluß der Verhandlungen über die Veräußerung des Unternehmens am 28.Juni 1991 kündigte der Masseverwalter das Dienstverhältnis der Klägerin unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 1.November 1991 auf und stellte sie dienstfrei. Am 12.August 1991 trat die Klägerin ihr Dienstverhältnis im Nachfolgeunternehmen an.

Die Dienstfreistellung der Klägerin erfolgte daher keineswegs willkürlich, sondern aus betrieblichen Gründen (siehe auch Rebhahn, die Rechtslage während des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozesses, DRdA 1988, 16 ff [19]) und im Interesse der Klägerin, der dadurch die Fortsetzung ihrer Beschäftigung beim Erwerber des Unternehmens ermöglicht wurde, während der bisherige Dienstgeber nach Veräußerung des Betriebes über keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung mehr verfügte. Da der Klägerin bei dieser Sachlage die anderweitige Beschäftigung nach Treu und Glauben zugemutet werden durfte (siehe auch Adler-Höller in Klang2 V 286), kommt die Anrechnungsbestimmung des § 1155 ABGB nicht nur nach der herrschenden Auffassung (siehe ZAS 1983/5 [zust Schrammel]; Arb 10.185; Arb 10.311; RdW 1988, 357; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 I 52 f; Schnorr, Entgeltansprüche bei Nichtleistung der Arbeit in Tomandl, Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht, 21 ff [24 f]; Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation und allgemeines Zivilrecht, 137 f), sondern auch nach der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Auffassung Holzers (Verschuldeter Annahmeverzug des Arbeitgebers und Anrechnung des anderweitig absichtlich versäumten Verdienstes, DRdA 1983, 7 ff [9]) zur Anwendung. Gegen die von Mayer-Maly (in Arbeitsrecht I 128) und Ehrenzweig (in System2 II/1 492 f) vertretene Auffassung, bei Annahmeverzug des Arbeitgebers sei ausnahmslos § 1419 ABGB anzuwenden, sprechen nicht nur der Wille des historischen Gesetzgebers und der Wortlaut des Gesetzes (siehe Bydlinski aaO 137, FN 260; Schnorr aaO 25; Schrammel aaO 64), sondern auch die Schwierigkeiten einer Abgrenzung zwischen Annahmeverzug und Unmöglichkeit der Leistung, so daß die Anwendung des § 1155 ABGB auch auf diesen Fall vollkommen sachgerecht ist (siehe Bydlinski aaO 137 f; Schnorr aaO 25; Schrammel aaO 64).

Die Entscheidung über die von der Klägerin verzeichneten Kosten des Revisonsverfahrens beruht auf § 77 ASGG, zumal die Klägerin keine Gründe für den ausnahmsweisen Zuspruch nach Billigkeit darlegte. Hingegen hat die Klägerin dem Nebenintervenienten die Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen (§§ 41 Abs 1, 50 ZPO), weil der dem Nebenintervenienten gebührende Kostenersatz durch § 77 ASGG nicht berührt wird, sofern der Nebenintervenient nicht ein Versicherungsträger ist (siehe Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz 411; Feitzinger-Tades Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz Anm 2 zu § 77; WBl 1990, 305).

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