OGH 1Ob534/94

OGH1Ob534/9411.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Othmar R*****, vertreten durch Dr.Herbert Pflanzl und Dr.Ägidius Horvatits, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei S***** KG, ***** vertreten durch Dr.Josef Hofer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 468.128,-- s.A. (Revisionsstreitwert S 405.528,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17.November 1993, GZ 2 R 186/93-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 21.April 1993, GZ 1 C 198/92-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit die Bezahlung des Betrags von S 468.128,-- samt 10 % Zinsen seit 11.10.1990.

Die Beklagte wendete eine Gegenforderung von S 405.528,-- aufrechnungsweise gegen das Klagebegehren ein. Mit Vereinbarung vom 5.6.1986 habe die Beklagte dafür garantiert, daß die P*****gesellschaft mbH eine mit der P***** getroffene Abstattungsvereinbarung vom 20.4.1985 von monatlich S 160.000,-- einlöst. Die Beklagte sei für den Fall der Nichtbezahlung der genannten Monatsraten zur Abstattung aller offenen Verpflichtungen gegenüber der P***** als Zahler in diese Abstattungsvereinbarung eingetreten. Aufgrund dieser von der Beklagten übernommenen Verpflichtung seien seitens der Beklagten Zahlungen in Millionenhöhe geleistet worden. Ebenfalls am 5.6.1986 sei zwischen den Streitteilen festgehalten worden, daß das Vermögen der P*****gesellschaft mbH von deren Geschäftsführern Senta und Othmar R***** per 30.9.1985 festgestellt und in die Bilanz und das Inventurverzeichnis aufgenommen werde. Die Geschäftsführer hätten persönlich die Haftung für die Richtigkeit des Standes der Vermögenswerte der P*****gesellschaft mbH übernommen. Im Falle von Minusdifferenzen hätte sich unter anderem die Klägerin zur umgehenden Abdeckung verpflichtet. Die Klägerin hafte also für die Richtigkeit der per 30.9.1985 festgestellten Vermögenswerte der P*****gesellschaft mbH. Sie habe bei ihrer Abrechnung nicht berücksichtigt, daß P***** im Jahre 1984 mangelhafte Eislaufschuhe an die P*****gesellschaft mbH geliefert und Othmar R***** als Geschäftsführer der P*****gesellschaft mbH mit P***** vereinbart habe, daß Waren im Wert von S 405.528,-- an P***** zurückgestellt werden; letztere sollte mit diesem Betrag belastet werden. Eine entsprechende Gutschrift vom 26.8.1986 sei in der Bilanz der P*****gesellschaft mbH vom 30.9.1985 berücksichtigt worden. Am 15.9.1992 habe die Beklagte erstmals davon Kenntnis erlangt, daß die betreffenden Waren nie an P***** zurückgesandt worden seien. Zur Rücksendung der Waren wäre Othmar R***** als Geschäftsführer der P*****gesellschaft mbH verpflichtet gewesen. Bei Erfüllung dieser Verpflichtung hätte sich die Verbindlichkeit der P*****gesellschaft mbH gegenüber P***** um S 405.528,-- vermindert. Die Klägerin wäre demnach aufgrund ihrer Garantieverpflichtung mit einem um S 405.528,-- geringeren Betrag belastet worden.

Die Klägerin erwiderte, sie habe versucht, unter dem Vorwand der Mangelhaftigkeit der Ware Eislaufschuhe an P***** zurückzusenden. P***** habe die Mangelhaftigkeit der Ware - richtigerweise - bestritten und die Zurücksendung der Eislaufschuhe abgelehnt. Daher sei die Ware im Lager in W***** verblieben und am 30.9.1985 auch dort vorhanden gewesen. Die Beklagte habe die Eislaufschuhe aufgrund der Vereinbarung vom 5.6.1986 übernommen. Eine Gutschrift der P***** sei nie ausgestellt worden. Die Gegenforderung der Beklagten sei jedenfalls verjährt.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit S 468.128,-- samt 5 % Zinsen seit 11.10.1990 als zu Recht bestehend (Punkt 1), die eingewendete Gegenforderung im Betrage von S 405.528,-- als nicht zu Recht bestehend (Punkt 2.). Die Beklagte wurde demnach schuldig erkannt, der Klägerin S 468.128,-- samt 5 % Zinsen seit 11.10.1990 und die mit S 144.063,60 bestimmten Prozeßkosten zu bezahlen (Punkt 3.). Das Zinsenmehrbegehren wurde abgewiesen (Punkt 4.). Das Erstgericht ging davon aus, daß nicht festgestellt werden könne, ob die Rückgabe von Eislaufschuhen im Werte von S 405.528,-- durch P***** bewilligt worden und dementsprechend eine Gutschrift im Betrag von S 405.528,-- zugunsten der P*****gesellschaft mbH erfolgt sei. Die compensando eingewendete Gegenforderung bestehe schon deshalb nicht zu Recht, weil sie verjährt sei. Die Beklagte hätte innerhalb von drei Jahren ab der im Jahre 1986 erfolgten Übernahme der P*****gesellschaft mbH diese Forderung geltend machen müssen. Die Geltendmachung sei aber erst am 11.10.1990 erfolgt. Eine Aufrechnung komme nicht in Betracht, zumal die Aufrechnung mit verjährten Forderungen nur dann in Frage komme, wenn sich die Forderungen zumindest in der Vergangenheit einmal aufrechenbar gegenübergestanden seien. Es seien aber auch bei der Übernahme der P*****gesellschaft mbH durch die Beklagte Rechnungsdifferenzen zu ungunsten der P*****gesellschaft mbH bereits berücksichtigt worden.

Die Beklagte bekämpfte dieses Urteil, das hinsichtlich der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens unangefochten blieb, lediglich insoweit, als die Gegenforderung von S 405.528,-- als nicht zu Recht bestehend festgestellt und der Klägerin mehr als S 62.600,-- s.A. zuerkannt wurden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge; es erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Die geltend gemachte Gegenforderung unterliege der dreijährigen Verjährungsfrist, weil Entschädigungsklagen im Sinne des § 1489 ABGB auch Ansprüche auf Ersatz seien, die aus der Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen abgeleitet werden. Garantieansprüche verjährten, wenn die Garantie Schadenersatzfunktion habe, gemäß § 1489 ABGB in drei Jahren. Dasselbe habe für den hier vorliegenden Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin zu gelten, die sich verpflichtet hatte, für allfällige Fehler bei der Erstellung der Bilanz und des Inventurverzeichnisses der P*****gesellschaft mbH einzustehen. Es sei daher von einer dreijährigen Verjährungsfrist auszugehen. Die Gegenforderung sei erstmals im Oktober 1990 gerichtlich geltend gemacht worden. Die Verjährungsfrist habe aber bereits im Jahre 1986 zu laufen begonnen. Das Erstgericht habe unbestrittenermaßen festgestellt, daß am 5.6.1986 zwischen den Streitteilen klar gewesen sei, daß bei P***** verschiedene Rechnungsdifferenzen zu ungunsten der P*****gesellschaft mbH im Betrag von etwa S 60.000,-- bestehen und die verantwortlichen Geschäftsführer Senta und Othmar R***** dafür zu haften haben. Es stehe weiters unbekämpft fest, daß die Beklagte nach Übernahme der P*****gesellschaft mbH das Warenlager überprüft habe und bei dieser Inventur zum Übernahmsstichtag 30.9.1985 eine Differenz im Betrage von S 324.509,80 festgestellt worden sei. Im Hinblick auf diese Feststellungen (des Erstgerichtes) könne und müsse aber unterstellt werden, daß die Klägerin jedenfalls schon im Jahre 1986 Kenntnis vom Vorgang "Belastungsnota Eislaufschuhe" gehabt habe. Eine weitergehende Prüfung der Gegenforderung der Beklagten könne sohin unterbleiben.

In ihrer Revision führt die Beklagte vor allem aus, daß das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung die ergänzende Feststellung getroffen habe, daß die Beklagte jedenfalls schon im Jahre 1986 Kenntnis vom Vorgang "Belastungsnota Eislaufschuhe" gehabt habe. Es liege ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz vor. Lediglich aufgrund dieser ergänzenden Feststellung sei das Berufungsgericht dazu gelangt, daß die compensando eingewendete Gegenforderung verjährt sei.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Tatsächlich lassen die Feststellung von Rechnungsdifferenzen zwischen den Streitteilen, die Überprüfung des Warenlagers im Zuge der Übernahme der P*****gesellschaft mbH durch die Beklagte, und die Feststellung einer "Inventurdifferenz" im Jahre 1986 nicht die zwingende Schlußfolgerung zu, daß die Beklagte bereits 1986 wußte oder hätte wissen müssen, daß die in der Bilanz aufscheinende Gutschrift für Eislaufschuhe nicht berechtigt war, weil die Mängelrüge seitens der P*****gesellschaft mbH nur pro forma erhoben worden sei. Es läßt sich nicht nachvollziehen, warum gerade die bei der Inventur vorgefundenen Eislaufschuhe aus der Lieferung stammen müßten, hinsichtlich derer die P*****gesellschaft mbH eine - unberechtigte - Mängelrüge erhoben hatte. Die gerügte ergänzende Feststellung, was die Kenntnis der Beklagten vom "Vorgang Belastungsnota Eislaufschuhe" (S.13 des Berufungsurteils = AS 169) betrifft, ist daher tatsächlich unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes getroffen worden. Es handelt sich nicht um eine Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes, die auf erstgerichtlichen Feststellungen basiert, sondern tatsächlich um eine ergänzende Feststellung (vgl. AnwBl. 1989, 229). Nun hat das Berufungsgericht lediglich aufgrund des Umstandes, daß die compensando eingewendete Gegenforderung verjährt sei, diese als nicht zu Recht bestehend erkannt. Hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist, insbesondere der Kenntnis des Ursachenzusammenhanges seitens der Beklagten, hat das Erstgericht keinerlei Feststellung getroffen. Eine derartige Feststellung ist aber erforderlich, um die Verjährungsfrage abschließend beurteilen zu können (vgl. ZVR 1982/277). Die unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes getroffene ergänzende Feststellung des Berufungsgerichtes kann der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden.

Demnach ist in Stattgebung der Revision der Beklagten mit Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und mit Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht vorzugehen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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