OGH 1Ob514/94

OGH1Ob514/9411.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helma I*****, vertreten durch Dr.Heinrich Berger, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei Manfred I*****, vertreten durch Dr. Gudrun Petsch-Lindmayr, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen Unterhalts infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 30. September 1993, GZ R 846/93-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom 21. Dezember 1992, GZ 6 C 26/92-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei vom 1.April 1992 an einen monatlichen Unterhalt von S 7.600, und zwar die bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung fälligen Beträge binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im vorhinein bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von monatlich von S 400 wird dagegen abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit S 37.575,90 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 6.262,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von insgesamt S 8.000 vom 1.4.1992 an und brachte hiezu vor, die Streitteile lebten in Scheidung; der Beklagte leiste derzeit einen monatlichen Unterhalt von bloß S 4.000, sei jedoch in der Lage, einen solchen von monatlich S 8.000 zu leisten.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, er komme mit der Zahlung eines monatlichen Betrags von S 4.000 seiner Unterhaltsverpflichtung zur Gänze nach; die Klägerin könne ein durchschnittliches monatliches Einkommen von S 4.000 erzielen. Überdies zahle er als „Naturalleistung“ die Prämie der Haushaltsversicherung für die Eigentumswohnung der Klägerin.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren bloß mit einem monatlichen Unterhaltsbetrag von S 5.200 stattgab und das Mehrbegehren von monatlich S 2.800 abwies; es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Es stellte fest, die Streitteile lebten seit 10.6.1988 in aufrechter Ehe, der keine Kinder entstammten. Infolge persönlicher Divergenzen habe der Beklagte die gemeinsame Ehewohnung, eine Eigentumswohnung der Klägerin, bereits des öfteren verlassen, sei jedoch auf Bitten der Klägerin stets wieder zurückgekehrt. Am 31.10.1991 habe er die Ehewohnung jedoch nach einem Streit endgültig verlassen. Der Beklagte habe im Zeitraum vom Februar bis Oktober 1992 ein monatliches Durchschnittseinkommen von etwa S 20.700 erzielt. Die Klägerin arbeite als freie Mitarbeiterin einer Tageszeitung und habe in der Zeit von Mai bis Oktober 1991 trotz einer Krankheit monatlich durchschnittlich S 5.800 verdient. Bei dieser Tätigkeit liefen ihr monatliche Spesen von durchschnittlich S 1.000 auf, die ihr bisher vom Zeitungsunternehmer im Teilbetrag von monatlich rund S 400 erstattet worden seien. Für die Ehewohnung habe die Klägerin monatlich S 4.000 an Betriebskosten und Annuitäten aufzubringen. Der Beklagte zahle die Prämie der Haushaltsversicherung für die Wohnung von jährlich etwa S 1.300.

Rechtlich meinte das Berufungsgericht, der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nach § 94 ABGB zu beurteilen. Da die Ehe nach wie vor aufrecht sei, habe der Unterhaltsanspruch der Klägerin durch den Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung keine Änderung erfahren. Seien die Streitteile in autonomer Gestaltung ihrer Lebensgemeinschaft - und sei es auch nur durch jahrelange Übung - übereingekommen, daß die Klägerin erwerbstätig sei, könne sie nun davon nicht mehr einseitig abgehen. Die Klägerin sei zwar nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts nicht verpflichtet, ihre Anstrengungen zu erhöhen, um ein zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse ausreichendes Einkommen zu erzielen, ihre Beschäftigung müsse sie aber im bisherigen Umfang aufrechterhalten. Das jedenfalls erzielbare Einkommen der Klägerin von monatlich rund S 5.800 sei um die berufsbedingten, nicht erstatteten Aufwendungen von monatlich S 600 zu vermindern und dem monatlichen Einkommen des Beklagten von rund S 20.700 hinzuzurechnen. Das Familieneinkommen betrage daher monatlich S 25.900. Der monatliche Unterhaltsanspruch der Klägerin sei derart zu errechnen, daß ihr 40 % dieses Betrags, also monatlich S 10.400, verringert um das eigene Einkommen von monatlich S 5.200, zuzubilligen seien. Abgesehen von dem bereits freiwillig geleisteten monatlichen Unterhalt von S 4.000 habe der Beklagte daher noch einen weiteren monatlichen Betrag von S 1.200 zu zahlen.

Die Wohnung sei bereits vor Eheschließung im Eigentum der Klägerin gestanden und habe bloß vorübergehend als Ehewohnung gedient. Aus der Sicht der Klägerin werde, soweit es um die Tragung der damit verbundenen Kosten gehe, lediglich der Zustand vor der Eheschließung wiederhergestellt. Anders als in Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige aus einer für die Ehe bzw Familie angeschafften größeren Wohnung ausziehe und der Unterhaltsberechtigte nun mit den infolge der geänderten Verhältnisse unangemessen hohen Kosten konfrontiert sei, treffe den Kläger keine Verpflichtung, zu den Betriebskosten der Wohnung und schon gar durch Leistung der Rückzahlungsraten zu einer Vermögensbildung zugunsten der Klägerin beizutragen, zumal die Wohnung stets deren Verfügung vorbehalten gewesen sei. Die Streitteile strebten anscheinend auch keine Änderung im Recht zur Verfügung über die Wohnung an, vor allem scheine der Beklagte auch keine Rechte aus dem Umstand ableiten zu wollen, daß die Wohnung als gemeinsame Ehewohnung gewidmet gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin dagegen erhobene Revision ist größtenteils berechtigt.

Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Grundsätze, die das Berufungsgericht in Einklang mit der Rechtsprechung (SZ 64/135 uva; zuletzt wieder 1 Ob 570/93) bei der Unterhaltsbemessung angewendet hat, sondern ausschließlich dagegen, daß auf die Kosten ihrer Eigentumswohnung, die als Ehewohnung Verwendung gefunden habe, dabei nicht angemessen Bedacht genommen worden sei. Ihren Ausführungen ist - zumindest im Ergebnis - beizupflichten:

Der Unterhalt der Klägerin, die - neben ihrer Berufstätigkeit - den gemeinsamen Haushalt bis zu dessen Aufhebung geführt hat, ist nach § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB zu bemessen (SZ 50/128 uva). Der Unterhaltsanspruch des haushaltsführenden Ehegatten besteht auch nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts dem Grunde nach fort, Änderungen in den maßgeblichen Voraussetzungen (vor allem in der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten bzw der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten) können allerdings die Unterhaltshöhe auch nach der Haushaltstrennung beeinflussen (Schwimann in Schwimann, ABGB § 94 Rz 19 mwN aus der Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz).

Die Klägerin hat ihre Eigentumswohnung nach der Eheschließung mit dem Beklagten als Ehewohnung zur Verfügung gestellt; den damit verbundenen Aufwand (vor allem die Betriebskosten und die laufenden Rückzahlungsraten) haben die Streitteile aus ihrem gemeinsamen (Familien-)Einkommen bestritten. Es kann daher, zumal davon abweichende Behauptungen fehlen, unterstellt werden, daß die Streitteile zu diesen Kosten wie auch zu den sonstigen Lasten des gemeinsamen Haushalts im Verhältnis ihrer beiden Einkommen beitrugen, so daß bei Bedachtnahme auf deren Höhe der Beitrag des Beklagten mit rund 80 % und jener der Klägerin mit etwa 20 % anzunehmen ist. Der Unterhalt ist vor allem auch zur Deckung des Wohnbedarfs des Unterhaltsberechtigten bestimmt (JBl 1993, 238 = EvBl 1993/12 = ÖA 1993, 29 = RdW 1992, 368; SZ 54/37 zuletzt wieder EvBl 1993/161; Schwimann aaO Rz 1). Dieser Bedarf wurde von den Streitteilen bis zur Aufhebung deren gemeinsamen Haushalts in der Weise gedeckt, daß zwar die Klägerin ihre Wohnung beistellte, der Beklagte hingegen für die laufenden Wohnungskosten zu etwa vier Fünfteln - den Rest schoß die Klägerin bei - aufkam. Demgemäß kann die Klägerin im Rahmen ihres Unterhaltsanspruchs gemäß § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB auch weiterhin - also auch für die Zeit nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts - vom Beklagten die Bestreitung dieser Kosten im gleichen Ausmaß wie vorher zur Sicherung ihrer Wohngelegenheit verlangen; einen diesem Anspruch entgegenstehenden Rechtsmißbrauch hat der Beklagte nicht behauptet.

Diesen Erwägungen kann auch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht entgegengehalten werden, der Beklagte trüge solcherart zur Vermögensbildung durch die Klägerin bei. Denn abgesehen davon, daß er für die Rückzahlungsraten auch während des gemeinsamen Haushalts zum allergrößten Teil aufkam und auf diese Weise das Vermögen der Klägerin durch die Abtragung von auf deren Eigentumswohnung lastenden Schulden vermehrte, wird es ihm - im Falle der angestrebten Ehescheidung - unbenommen bleiben, die Aufteilung dieser "Vermögensbildung", also die Erhöhung des Werts der Eigentumswohnung durch Rückzahlung während der Ehe, als eheliche Errungenschaft im nachehelichen Aufteilungsverfahren (§§ 81 ff EheG) geltend zu machen, wobei bei der Entscheidung über diesen Anspruch freilich Gerichtspunkte der Billigkeit entscheidend sein werden. Der Fall kann nicht anders beurteilt werden als der der Entscheidung EvBl 1993/161 zugrundeliegende Sachverhalt: Dort wurde die Unterhaltsberechtigte, die in einer Eigentumswohnung des Unterhaltspflichtigen wohnte, angesichts der angemessenen Bedachtnahme auf die Rückzahlungen des Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsbemessung darauf verwiesen, daß die damit verbundene Vermögensbildung im Aufteilungsverfahren auch ihr zugute komme. Daß die Werterhöhung in die Zeit nach der Heimtrennung fällt, kann in diesem Fall an der Berücksichtigung bei der Aufteilungsentscheidung nichts ändern, weil die ohne Zutun des dadurch begünstigten Ehegatten eingetretene Werterhöhung soweit zu berücksichtigen ist, als der Wert im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung und nicht jener zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft maßgeblich ist (EFSlg 48.910 ua). Der Beklagte hat daher weiterhin für vier Fünftel der Wohnungskosten - also mit einem monatlichen Betrag von S 3.200 - für die Bestreitung der Wohnbedürfnisse der Klägerin aufzukommen.

Diese Verpflichtung ist allerdings bei der Bemessung des Unterhalts für die Befriedigung der übrigen Bedürfnisse der Klägerin derart zu berücksichtigen, daß der zur Bestreitung der gesamten Wohnungskosten erforderliche Betrag von der aus den beiden Einkommen gebildeten Bemessungsgrundlage abzuziehen ist, weil dieser Teil des gemeinsamen Einkommens nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung steht (EFSlg 64.352).

Das monatliche Gesamteinkommen von S 25.900 (S 5.200 plus S 20.700) ist daher um S 4.000 zu vermindern. Von diesem Betrag (S 21.900) entfallen auf die Klägerin, die das geringere Einkommen bezieht, 40 %, das sind (aufgerundet) S 8.800; davon kann die Klägerin S 4.400 - das ist ihr eigenes Einkommen von monatlich S 5.200 abzüglich des von ihr zu bestreitenden Teils der Wohnungskosten (20 % von S 4.000, also S 800) - selbst aufbringen, so daß ihr der Kläger außer seinem Beitrag zum monatlichen Wohnungsaufwand (S 3.200) noch einen weiteren Unterhaltsbetrag von monatlich S 4.400 zu leisten hat.

Das Unterhaltsbegehren ist deshalb insgesamt mit monatlich S 7.600 berechtigt; das Mehrbegehren von monatlich S 400 ist dagegen abzuweisen. Daß dem Beklagten angesichts seines Einkommens eine solche Unterhaltsleistung nicht mehr zumutbar wäre, hat er selbst nicht behauptet.

In diesem Umfang war dem Klagebegehren in Entsprechung der Revision stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Die Klägerin begehrt die Unterhaltsbemessung, weil der Beklagte durch seine Leistungen seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkomme. Ihr Begehren ist deshalb in Wahrheit auf monatliche Unterhaltszahlungen von S 8.000 gerichtet. Da sie mit 95 % ihres Begehrens durchgedrungen ist, hat ihr der Beklagte 90 % ihrer Kosten zu ersetzen.

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