OGH 6Ob646/93

OGH6Ob646/9310.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter L*****, vertreten durch Dr.Roger Haarmann und Dr.Bärbl Haarmann, Rechtsanwälte in Liezen, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur 1011 Wien Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Peter S*****, vertreten durch Dr.Heinrich Wallner, Rechtsanwalt in Liezen, wegen S 967.373,68 samt Anhang und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 21.September 1993, GZ 5 R 40/93-34, womit das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 27.November 1992, GZ 8 Cg 260/91-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit S 20.331,10 (darin S 3.388,52 Umsatzsteuer) sowie der Nebenintervenientin die mit S 16.948,50 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Alfred L***** ist am 31.10.1980 verstorben. Der Kläger ist sein Neffe, der Beklagte das Wahlkind der am 1.4.1980 verstorbenen Schwester des Alfred L*****, Elfriede P*****, geborene L*****. Im Verlassenschaftsverfahren nach Alfred L***** zu 3 A 481/88 des Bezirksgerichtes Salzburg erklärte der Gerichtskommissär den Streitteilen, daß beide nach dem Gesetz je zur Hälfte erbberechtigt seien. Sie gaben daraufhin je zur Hälfte des Nachlasses unbedingte Erbserklärungen ab. Die Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen, das Erbrecht für ausgewiesen erachtet und der Nachlaß den beiden Streitteilen je zur Hälfte eingeantwortet. Die Einantwortung vom 1.3.1989 ist in Rechtskraft erwachsen. Der im wesentlichen in Bargeld, Sparguthaben und Wertpapieren bestehende reine Nachlaß betrug S 1,963.579,36, die Gerichtskommissionsgebühr S 23.267,-. Der Beklagte hat das ihm zugekommene Vermögen bis auf einen Betrag von S 300.000,- im guten Glauben verbraucht. Mit seiner am 31.10.1991 beim Erstgericht eingelangten Erbschaftsklage begehrt der Kläger, gestützt auf § 823 ABGB, aber auch auf jeden sonstigen Rechtsgrund, insbesondere § 1041 ABGB, die Feststellung, daß dem Beklagten auf Grund des Gesetzes kein Erbrecht nach dem am 31.10.1988 verstorbenen Alfred L***** zustehe und der Kläger dessen Alleinerbe sei; ferner verlangt er, den Beklagten zur Zahlung von S 967.373,68 samt 7 % Zinsen seit 1.11.1988 zu verurteilen. Dem Beklagten stehe als Adoptivkind der vorverstorbenen Schwester des Erblassers kein gesetzliches Erbrecht zu. Der Kläger habe sich nur wegen eines Irrtumes des Gerichtskommissärs lediglich zur Hälfte des Nachlasses erbserklärt. Der Beklagte, der von Anfang an nicht gutgläubig gewesen sei, habe die Erbschaft nicht verbraucht. Er verfüge zumindest noch über einen Teil der Aktiven bzw. habe er mit dem erhaltenen Geld Vermögensstücke erworben.

Der Beklagte wandte ein, der Rechtsweg sei unzulässig, weil ein Amtshaftungsanspruch vorliege. Er sei nach dem Gesetz erbberechtigt. Durch die Erbserklärung nur zur Hälfte des Nachlasses habe der Kläger auf eine die Hälfte übersteigende Forderung aus dem Nachlaß, welchen der Beklagte gutgläubig verbraucht habe, ausdrücklich verzichtet.

Die Republik Österreich trat dem Verfahren als Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei bei.

Das Erstgericht wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges ab, gab dem Feststellungsbegehren und dem Kapitalbegehren zuzüglich 4 % Zinsen seit dem Tag der Klagszustellung, dem 14.11.1991, statt und wies das Zinsenmehrbegehren ab. Rechtlich stehe dem Beklagten als Adoptivneffen kein gesetzliches Erbrecht nach Alfred L***** zu. Bei richtiger Anwendung des § 735 ABGB wäre der gesamte Nachlaß dem Kläger auf Grund des Gesetzes einzuantworten gewesen. Aus der Abgabe einer Erbserklärung nur zur Hälfte des Nachlasses, welche auf der unrichtigen Rechtsbelehrung des Gerichtskommissärs beruht habe, könne nicht auf einen Verzicht des Klägers auf die Hälfte seines Anspruches geschlossen werden.

Der zum Großteil gutgläubige Verbrauch der Erbschaft durch den Beklagten sei nur für das Zinsenbegehren von Bedeutung. Eine Schlechtgläubigkeit könne dem Beklagten nicht angelastet werden; er sei aber dennoch verpflichtet, die der Höhe nach richtig berechnete gesamte ihm zugekommene Erbschaft gemäß § 823 ABGB herauszugeben. Nach Rechtskraft der Einantwortung sei die Erbschaftsklage der einzige Rechtsbehelf zur Durchsetzung von Erbrechten. Diese richte sich zunächst gegen denjenigen, dem das Verlassenschaftsvermögen eingeantwortet worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und verneinte das Vorliegen einer Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges ebenso wie behauptete Verfahrensmängel. Rechtlich sei wegen der in § 182 Abs 1 ABGB formulierten personellen Einschränkungen der Gleichstellung von Wahlkindern mit Kindern ehelicher Abstammung keine erbrechtliche Beziehung des Beklagten als Wahlkind gegenüber den Verwandten der Annehmenden in der aufsteigenden Linie und in der Seitenlinie gegeben. Die auf § 823 ABGB gestützte Feststellungsklage zur Korrektur der Einantwortung und die Leistungsklage auf Herausgabe (Abtretung) der halben Erbschaft sei berechtigt. Soweit eine Rückstellung wegen Verbrauches nicht möglich sei, habe der Beklagte als Scheinerbe gemäß § 1041 ABGB den erlangten Wert herauszugeben. Gegenansprüche oder ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB habe der Beklagte in erster Instanz nicht konkret geltend gemacht. Da eine Erbserklärung kein Privatrechtsverhältnis begründen könne, stehe eine im Verlassenschaftsverfahren dem Prozeßstandpunkt widersprechende Erbserklärung der Erbschaftsklage nicht entgegen. Eine ausdrückliche oder stillschweigende vertragliche Einigung zwischen den Streitteilen sei nicht erfolgt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Folge des Unterliegens eines Scheinerben und seine Verpflichtungen als redlicher Erbschaftsbesitzer hinsichtlich bereits verbrauchter Sachen in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt würden und auch der Formulierung des Klagebegehrens Rechtserheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Frage, ob eine Erbschaftsklage als Leistungsklage zugleich auch ein Feststellungsbegehren enthalten muß, um die durch die Einantwortung geschaffene Rechtsvermutung zu beseitigen, oder ob die Beurteilung als Vorfrage des Leistungsbegehrens hinreicht (vgl hiezu Welser in Rummel ABGB2 Rz 1 und 3 zu §§ 823, 824 und die dort zitierte Judikatur und Lehre) ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend, weil das Erstgericht dem Klagebegehren folgend ohnedies auch einen feststellenden Ausspruch in das Urteil aufgenommen hat und ein Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne des § 228 ZPO nicht verneint werden kann.

Soweit der Revisionswerber noch immer den Standpunkt vertritt, es stehe ihm als "Adoptivneffe" des Verstorbenen ein gesetzliches Erbrecht zu, kann auf die klaren Bestimmungen der §§ 735 und 182 Abs 1 ABGB und die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes hiezu verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Erbschaftsklage dient dazu, gegenüber dem durch die Einantwortung ausgewiesenen vermeintlichen Erben ein Erbrecht geltend zu machen, das in der Einantwortung nicht nach Maßgabe des Erbanspruches, wie er in der Klage erhoben wird, berücksichtigt wurde. Eine Erbserklärung kann nicht als Anerkenntnis oder Verzicht gewertet werden und schließt eine damit in Widerspruch stehende spätere Erbschaftsklage nicht aus. Nur wenn der Erbserklärung eine ausdrückliche oder stillschweigende oder vertragliche Einigung zwischen den Beteiligten zugrunde gelegen wäre, könnte diese und nur diese vertragliche Einigung dem Anspruch nach § 823 ABGB entgegengesetzt werden (SZ 43/19 ua).

Mit Rechtskraft des stattgebenden Urteiles erlangt der Kläger die Stellung eines eingeantworteten Erben; er wird rückwirkend Universalsukzessor des Erblassers. Die Forderungsrechte und das Eigentum an beweglichen Sachen gehen mit der Feststellung des Erbrechtes über. Aus §§ 823 und 824 ABGB, die auch die Auseinandersetzung der gegenseitigen Ansprüche zwischen dem Erbschaftsbesitzer und dem erfolgreichen Erbschaftskläger regeln, ergibt sich, daß der Scheinerbe, auch wenn er die Erbschaft ganz oder teilweise gutgläubig verbraucht hat, von seiner Verpflichtung zur Rückstellung oder zum Wertersatz nicht befreit wird. Der obsiegende wirkliche Erbe als Eigentümer kann vielmehr nach § 1041 ABGB seinen Verwendungsanspruch, der ergänzende, nicht subsidiäre Funktion hat, geltend machen, weil seine Sache zum Nutzen eines anderen verwendet wurde. Wurde die Sache veräußert, verbraucht oder in einer Weise benützt, daß die Rückgabe der Sache tatsächlich oder wirtschaftlich unmöglich geworden ist, tritt daher der Wertersatz an die Stelle der Rückgabe der Sache (JBl 1992, 388; NZ 1984, 107; Koziol-Welser9 II 407). Die Frage der Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzers berührt im Zweipersonenverhältnis nicht die Verpflichtung zum Ersatz selbst, sondern nur die Berechnung der Höhe des Wertersatzes und ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend, weil dem Beklagten Geld und Wertpapiere zugekommen sind, deren Wert zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht strittig ist. Darüber hinaus ist die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Erbschaftsbesitzers nur für die gegenseitigen Ansprüche für Nutzungen, Erträgnisse, Aufwand und Schadenersatz maßgeblich. Für solche Ansprüche verweist § 824 ABGB auf die Bestimmungen der §§ 329 ff ABGB.

Die Vorinstanzen haben aber ohnedies die Redlichkeit des Beklagten angenommen und dem Kläger, von diesem unbekämpft, nur die gesetzlichen Zinsen ab Klagszustellung, mit welcher die Unredlichkeitsfolgen eintreten (Welser aaO Rz 15 zu §§ 823, 824 mwN), nicht aber die begehrten höheren Zinsen seit dem Todestag zuerkannt. Einen tatsächlich erbrachten Aufwand an Erbschaftssteuer hat der Beklagte nicht eingewendet.

Die schon in der Berufung geltend gemachte Nichtigkeit sowie Verfahrensmängel erster Instanz wurden vom Berufungsgericht bereits verneint. Sie können daher im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden.

Der Revision war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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