Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß wird behoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Der am 3.2.1993 verstorbene Franz P***** hat ein Testament hinterlassen, in welchem er seinen Sohn Franz P***** (Junior) zum Erben einsetzte und Verfügungen hinsichtlich der Pflichtteilsberechtigten (seiner Ehefrau sowie seines weiteren Sohnes und seiner Tochter) traf. Das Verlassenschaftsfahren wurde von einem zum Gerichtskommissär bestellten Notar durchgeführt. In der von diesem für den 16.9.1993 anberaumten Verlassenschaftstagsatzung, in welcher der Testamentserbe die bedingte Erbserklärung abgab und bei der anschließend erfolgten Nachlaßschätzung, bei welcher auch eine Einigung über Pflichtteilsansprüche versucht wurde, waren nach dem Protokoll neben zwei Sachverständigen und einem Noterben auch der zum Erben eingesetzte Sohn Franz P***** und Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck nach der Formulierung "als Rechtsbeistand des erblasserischen Sohnes Franz" anwesend. Ab diesem Zeitpunkt erfolgten alle erforderlichen Zustellungen und Ladungen zu weiteren Verlassenschaftstagsatzungen auch an den Rechtsvertreter des erbserklärten Erben, der seine Vertretungstätigkeit für diesen während des gesamten Verfahrens wahrnahm.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 14.7.1994 ON 56 wurde
1.) das Nachlaßinventar mit Aktiven von S 4,426.929,69 und Passiven von S 407.835,20, sohin mit einem reinen Nachlaß von S 4,019.094,48 der Verlassenschaftsabhandlung zugrundegelegt und die Abhandlung verlaßgerichtlich genehmigt;
2.) die Zustellung der Einantwortungsurkunde an die erblichen Söhne, die erbliche Tochter, Herrn Dr.Paul König (als Rechtsbeistand des Noterben Anton P*****) und Herrn Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt verfügt;
3.) die Gebühren und Auslagen des Gerichtskommissärs bestimmt und dem Erben zur Zahlung aufgetragen;
4.) aufgrund des außergewöhnlichen Umfanges die erhöhte Gebühr von 100 % gemäß § 5 GKTG festgesetzt und
5.) das Abhandlungsverfahren für beendet erklärt.
Mit Einantwortungsurkunde vom selben Tag ON 53 wurde der Nachlaß aufgrund des Testamentes dem erblasserischen Sohn Franz P***** eingeantwortet und die Verlassenschaftssache für beendet erklärt.
Während dem Erben sowohl die Einantwortungsurkunde ON 53 als auch der sogenannte Mantelbeschluß ON 56 am 19.7.1994 zugestellt wurden, erfolgte an Rechtsanwalt Dr.Peter Greil lediglich die Zustellung der Einantwortungsurkunde am 19.7.1994.
Mit dem am 16.8.1994 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte der Rechtsanwalt unter Berufung auf die ihm vom Erben erteilte Vollmacht die Zustellung des Beschlusses ON 56 an ihn. Er habe den erbserklärten Erben in dem vom Gerichtskommissär abgeführten Abhandlungsverfahren vertreten und sei daher zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt. Aufgrund dieses Antrages wurde ihm am 13.9.1994 auch der sogenannte Mantelbeschluß zugestellt.
Am 27.9.1994 erhob der erbl Sohn vertreten durch Rechtsanwalt Dr.Greil gegen die Punkte 1.) 2.) und 5.) des sogenannten Mantelbeschlusses sowie gegen den Einantwortungsbeschluß Rekurs mit dem Antrag, die Einantwortung zur Gänze oder zumindest hinsichtlich des Ausspruches, daß die Verlassenschaftssache beendet werde aufzuheben, den sogenannten Mantelbeschluß in seinem Punkt 1.) abzuändern sowie dessen Punkte 2.) und 5.) ersatzlos zu beheben.
Diesen Rekurs hat das Rekursgericht als verspätet zurückgewiesen.
Es führte aus, die Bestimmungen der ZPO über die Bevollmächtigung seien auch im Außerstreitverfahren anzuwenden. Habe eine Partei einem Anwalt Vollmacht erteilt, so seien bis zu deren Aufhebung alle Zustellungen an den Bevollmächtigten vorzunehmen. Die Anzeige der Erteilung der Prozeßvollmacht müsse von der "bevollmächtigten" Partei ausgehen, die Berufung des Anwaltes oder Notars auf eine ihnen erteilte Vollmacht sei nach § 30 Abs 2 ZPO ausreichend. Im vorliegenden Fall habe sich Rechtsanwalt Dr.Greil erstmals im Schriftsatz, mit welchem die Zustellung des sogenannten Mantelbeschlusses an ihn beantragt worden sei, auf die erteilte Vollmacht berufen. Sein Auftreten im Abhandlungsverfahren vor dem Gerichtskommissär "als Rechtsbeistand" stelle keine nach § 30 Abs 2 ZPO erforderliche Berufung auf die erteilte Vollmacht dar. Auch die Zustellung von Beschlüssen an ihn bedinge keine Annahme der Bevollmächtigung, weil ein Verhalten des Gerichtes durch amtswegige Zustellung die Anzeige der Erteilung der Vollmacht durch den Bevollmächtigten nicht ersetzen könne. Die Zustellung des Mantelbeschlusses nur an den erbserklärten Erben sei somit gültig erfolgt und habe den Lauf der Rechtsmittelfrist sowohl für diesen als auch für den Einantwortungsbeschluß ausgelöst. Der erhobene Rekurs gegen beide Beschlüsse sei daher verspätet.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil das Rekursgericht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1957, 48) gefolgt sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Das Rekursgericht hat seine Rechtsansicht auf die Entscheidung JBl 1957, 48 gestützt, die jedoch auf den gegenständlichen Fall in keiner Weise zutrifft: in dieser, lange vor der Zivilverfahrensnovelle 1983, mit welcher der urkundliche Nachweis bei Einschreiten eines Rechtsanwaltes oder Notares durch die Berufung auf die erteilte Bevollmächtigung ersetzt wurde (§ 30 Abs 2 ZPO) ergangenen Entscheidung, wurde lediglich ausgesprochen, daß die Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten nur vom Machtgeber ausgehen kann, eine Prozeßhandlung seines Gegners, ohne daß das Vollmachtsverhältnis nachgewiesen worden war, oder ein Verhalten des Gerichtes diese Voraussetzung nicht zu erfüllen vermag.
Im vorliegenden Fall aber hat der Gerichtskommissär als vom Verlassenschaftsgericht betrautes Organ der Rechtspflege noch dazu in Gegenwart des erbserklärten Erben (!) die Formulierung "Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck als Rechtsbeistand des erbl Sohnes" gewählt. Es kann daher keinerlei Zweifel unterliegen, daß die Bevollmächtigung vom gleichzeitig anwesenden Machtgeber ausgegangen und der Anwalt mit dessen Wissen und Willen für ihn eingeschritten ist. Die Bevollmächtigung wurde auch gegenüber dem zur Entgegennahme der Erklärung befugten gerichtlichen Organ in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erklärt, denn die Formulierung "als Rechtsbeistand" des anwesenden erbserklärten Erben muß als Beurkundung der Bevollmächtigung verstanden werden. Es erfolgten konsequent daher auch danach die Zustellungen und Ladungen nicht (nur) an den erbserklärten Erben, sondern (auch) an dessen Rechtsvertreter. Hat aber eine Partei (Prozeß-)Vollmacht erteilt, so haben bis zur Aufhebung des Vollmachtsverhältnisses alle Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu erfolgen (§ 93 Abs 1 ZPO). Erst mit der Zustellung an den Bevollmächtigten gilt die Zustellung als vollzogen (§ 9 ZustG), erst ab diesem Zeitpunkt wurde die Rechtsmittelfrist gegen den sogenannten Mantelbeschluß in Gang gesetzt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bilden die Einantwortungsurkunde und der Mantelbeschluß im Abhandlungsverfahren eine Einheit, sodaß ein gegen den sogenannten Mantelbeschluß erhobener Rekurs, der das Ziel verfolgt, die Fortsetzung des Abhandlungsverfahrens zu erreichen, auf die gleichzeitig oder vor Rechtskraft des Mantelbeschlusses ergangene Einantwortungsurkunde zu beziehen und auch diese aufzuheben ist, wenn die Fortsetzung des Abhandlungsverfahrens als notwendig erkannt wird. Wurden Mantelbeschluß und Einantwortungsurkunde, wie hier, nicht gleichzeitig zugestellt, können sie daher wegen der Einheit, die sie bilden, solange angefochten werden, als die Rekursfrist noch gegen eine der beiden Entscheidungen offen ist (EvBl 1981/50 mwN).
Da das Rekursgericht den Rekurs gegen die beiden Beschlüsse des Erstgerichtes rechtsirrig aus dem formellen Grund der Verspätung zurückgewiesen hat, kann auf die - als obiter dicta anzusehenden - inhaltlichen Ausführungen nicht eingegangen werden, es war dem Rekursgericht vielmehr eine Sachentscheidung über den Rekurs aufzutragen.
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