OGH 7Ob507/94

OGH7Ob507/949.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Werner K*****, vertreten durch Dr.Gerhard Halbreiner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Gerlinde P*****, vertreten durch Dr.Walter Ratt, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wegen Wiederaufnahme des Vaterschaftsverfahrens 1 C 4/85 des Bezirksgerichtes Schärding, infolge Revision der wiederaufnahmsklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 5. Oktober 1993, GZ R 314/93-69, womit infolge Berufung der wiederaufnahmsklagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 12.Juni 1993, GZ 1 C 29/92a-65, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der Wiederaufnahmskläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 16.6.1986 als Vater der am 14.11.1971 unehelich geborenen Beklagten festgestellt. Das dieser Entscheidung zugrundeliegende serologische Gutachten ergab eine "Ausschlußchance" von 99,65 % bzw. eine statistisch ermittelte Vaterschaftswahrscheinlichkeit des damaligen Beklagten von 99,5 %, was dem Kalkül "Vaterschaft höchst wahrscheinlich" entspricht.

Mit der am 6.7.1992 beim Erstgericht eingebrachten Wiederaufnahmsklage brachte der Kläger vor, daß er einige Tage vor Klagseinbringung von der Möglichkeit einer sogenannten "DNA-Analyse" erfahren habe. Mit dieser Untersuchungsmethode könne mit einer Sicherheit von mehr als 99,99 % die Vaterschaft festgestellt werden. Es handle sich um eine neue wissenschaftliche Erkenntnismethode, deren sich der Kläger ohne sein Verschulden im Vorprozeß nicht bedienen habe können. Die Einholung eines "DNA-Gutachtens" würde ergeben, daß der Wiederaufnahmskläger nicht Vater der beklagten Partei sein könne.

Die wiederaufnahmsbeklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß der Wiederaufnahmskläger durch die Vorlage eines Artikels über eine neue Untersuchungsmethode keinen Wiederaufnahmsgrund bescheinigt habe. Eine "DNA-Analyse" wäre bereits 1985 möglich gewesen; dies sei dem Wiederaufnahmskläger auch bekannt gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß das Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern im Jahr 1992 eine Informationsbroschüre unter dem Titel "Wer ist der Vater?" mit dem Gegenstand des Vaterschaftsnachweises durch eine "DNA-Analyse" veröffentlicht hat. Diese Untersuchungsmethode geht davon aus, daß bestimmte, von Person zu Person unterschiedliche Merkmale im menschlichen Erbgut mit Hilfe hochspezialsierter molekular-biologischer Verfahren auf einem Röntgenfilm in Form sichtbarer Bandenmuster (= DNA-Profil) dargestellt werden können, die für jeden Menschen einmalig sind. Die Vererbung der genetischen Merkmale von den biologischen Eltern auf das Kind kann dadurch sichtbar gemacht werden. Wenn an zumindest zwei genetischen Merkmalen keine Übereinstimmung zwischen den "Banden" des Kindes und denen des untersuchten Mannes vorhanden sind, ist dieser von der Vaterschaft mit Sicherheit auszuschließen. Besteht an allen genetischen Merkmalen eine Übereinstimmung zwischen einer "Bande" des untersuchten Mannes und der des Kindes, wird in der Regel eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von mehr als 99,99 % erreicht. Die biostatistische Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlickeit erfolgt wie bisher nach der sogenannten "Essen-Möller-Methode". Die klagende Partei hat von der Möglichkeit einer "DNA-Analyse" im Juli 1992 Kenntnis erhalten. Die Ergänzung des serologischen Paternitätsgutachtens durch Hinzunahme sieben neuer Systeme ergab beim Wiederaufnahmskläger eine "Vaterschaftsausschlußchance" von 99,84 %, wogegen die biostatistisch ermittelte Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Wiederaufnahmsklägers zur wiederaufnahmsbeklagten Partei auf 99,4 % sank, was aber noch immer dem Kalkül "Vaterschaft höchstwahrscheinlich" entspricht.

Rechtlich erwog das Erstgericht, daß der Wiederaufnahmskläger die Klagefrist nach § 534 Abs.1 ZPO gewahrt habe. Ein späteres Sachverständigengutachten aufgrund einer neuen wissenschaftlichen Methode stelle grundsätzlich einen Wiederaufnahmsgrund dar, soferne diese Methode zur Zeit des Vorprozesses noch nicht bekannt gewesen sei. Allerdings führe die Ergänzung des serologischen Sachverständigengutachtens zu keiner für den Wiederaufnahmskläger günstigeren Entscheidung. Die vorliegende Relation von Vaterschaftsausschlußchance und Vaterschaftswahrscheinlichkeit lasse bereits eine sichere Unterscheidung zwischen Vater und Nichtvater des wiederaufnahmsbeklagten Kindes zu. Von der Einholung eines DNA-Analysegutachtens sei Abstand zu nehmen gewesen, da dieses für den Wiederaufnahmskläger bei der vorliegenden biostatistischen Vaterschaftswahrscheinlichkeit zu keinem günstigeren Ergebnis in der Hauptsache führen könne. Das neue Beweismittel sei nicht geeignet, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes im wiederaufzunehmenden Verfahren herbeizuführen.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Revision für zulässig. Die DNA-Analyse sei zwar "in Österreich als wissenschaftlich gesicherte Methode zur Vaterschaftsfeststellung anerkannt". Dem stehe aber entgegen, daß nach dem eingeholten serologischen Gutachten eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Wiederaufnahmsklägers von 99,4 % und eine Vaterschaftsausschlußmöglichkeit des Wiederaufnahmsklägers von 99,84 % vorliege und daher die Vaterschaft des Wiederaufnahmsklägers als höchstwahrscheinlich feststehe. Bei dieser Sachlage erscheine ein "DNA-Analysegutachten" nicht geeignet, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Wiederaufnahmsklägers ist berechtigt.

Da die Vaterschaftsvermutung (§ 163 Abs.1 ABGB) unbestrittenermaßen auf den Wiederaufnahmskläger zutrifft und dieser keinen anderen Konkubenten nannte, aber auch keine Gründe anführte, daß die Vaterschaft eines anderen Mannes wahrscheinlicher sei als die seine, kann er die gesetzliche Vermutung nur durch den Beweis einer solchen Unwahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft entkräften, die unter Würdigung aller Umstände gegen die Annahme spricht, daß er das Kind gezeugt hat (§ 163 Abs 2 erster Halbsatz ABGB). Die Vaterschaftsvermutung wird aber nur durch Anhaltspunkte entkräftet, die die Vaterschaft des Wiederaufnahmsklägers völlig unglaubhaft erscheinen lassen, so daß der verbleibende ganz geringe Grad der Wahrscheinlichkeit den Umständen nach vernachlässigt werden kann. Durch die serologische Begutachtung ist im vorliegenden Fall die Vaterschaftsvermutung nicht entkräftet worden: Die Vaterschaft des Wiederaufnahmsklägers kann bei einer Ausschlußchance von 99,84 % nicht ausgeschlossen werden; die Vaterschaftswahrscheinlichkeit beträgt immerhin 99,4 %.

Gemäß Art.V Z 5 UeKindG hat das Gericht im Streit über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind von Amts wegen dafür zu sorgen, daß alle für die Entscheidung wichtigen Umstände vollständig aufgeklärt werden; Streitigkeiten dieser Art werden, anders als im Zivilverfahren sonst, vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (EFSlg

60.925 uva; Fasching, LB2 Rz 662), bei dessen Wahrnehmung sich das Gericht ausschließlich von pflichtgemäßem, im Instanzenzug nachprüfbarem Ermessen leiten lassen darf (JBl 1958, 282 uva) und daher alle Beweise aufzunehmen hat, von welchen eine weitere Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erwartet werden kann (RZ 1991/12). Solche Beweisaufnahmen sind selbst durchzuführen, wenn sie von keiner Partei beantragt wurden, ja selbst dann, wenn sich die Parteien dagegen ausgesprochen haben; auch etwa mit der Beweisaufnahme verbundene hohe Kosten können nicht gegen deren Durchführung ins Treffen geführt werden (EFSlg 46.713).

Auch wenn der Untersuchungsgrundsatz das Gericht - selbstverständlich - nicht verpflichtet, alle nur erdenklichen - also auch von vornherein als überflüssig erkannte - Beweise aufzunehmen, so ist doch die Ermessensübung des Gerichtes vor allem dann einer besonders strengen Prüfung zu unterziehen, wenn der mit der in § 163 Abs 1 ABGB verankerten Vaterschaftsvermutung belastete Beklagte weitere Beweise zu deren Entkräftung beantragt, weil das serologische Gutachten seinen Ausschluß von der Vaterschaft nicht erbrachte: Er hat häufig genug selbst keine Gewißheit, daß er - auch wenn er der Mutter während der kritischen Zeit bewohnte - Vater des Kindes ist, hat aber stets die schwerwiegenden Folgen zu tragen, wenn ihm die Entkräftung der Vaterschaftsvermutung mißlingt. Vor allem aber muß stets oberstes Ziel des Paternitätsprozesses die Ermittlung und Feststellung des wirklichen biologischen Vaters sein. Soweit das Erstgericht die Ablehnung des Beweisantrages damit begründete, die begehrte Beweisaufnahme sei angesichts der geringen Irrtumsrate der ermittelten biostatistischen Vaterschaftswahrscheinlichkeit nicht zielführend, übersieht es, daß solche Berechnungen nur statistisch begründete Wahrscheinlichkeitsgrade ergeben und somit schon rein theoretisch mit gewissen Unsicherheiten behaftet sind: So führt etwa Herbich (in RZ 1978, 124) Fälle an, in welchen ungeachtet eines serologischen Ausschlusses eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit bis zu 99,97 % ermittelt wurde, und mahnt deshalb bei Beurteilung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit zu größter Vorsicht.

Mit der Frage einer Begutachtung nach der DNA-Methode im Vaterschaftsverfahren hat sich der Oberste Gerichtshof in jüngster Vergangenheit neuerlich auseinandergesetzt und hat in der bisher noch nicht veröffentlichten Entscheidung vom 21.12.1993, 1 Ob 589/93, Folgendes hiezu ausgeführt:

Szilvassy in ÖA 1990, 31, 34 gelangte zum Schluß, die DNA-fingerprinting-Methode sei zwar für die Feststellung einer Vaterschaft bzw deren Ausschluß deshalb ein weiteres wertvolles Verfahren, weil es Polymorphismen auf dem Niveau der genetischen Substanz selbst verwende, die Internationale Gesellschaft für forensische Hämogenetik meine aber, bevor diese Methode zum Einsatz komme, sollten noch einige Bedingungen erfüllt werden, wie etwa die Durchführung von Familien- und Populationsstudien. Auch sollten die beim Fingerprinting verwendeten Sonden allgemein zugänglich sein, damit zwei Gutachter die Methode anwenden bzw überprüfen könnten; überdies sollten alle übrigen Methoden vorher ausgeschöpft worden sein.

Gunzer schildert in RZ 1989, 241 ff, unter dem Titel "DNA-fingerprinting, der 100 %ig sichere Vaterschaftstest", das wesentliche dieser Methode; sie gelangt zum Ergebnis, der herkömmliche Bluttest könne die Vaterschaft bloß ausschließen, mit der neuen Methode könne dagegen die Vaterschaft mit absoluter Sicherheit bestätigt oder ausgeschlossen werden.

In der vom Wiederaufnahmskläger zur Stützung seines Beweisantrags vorgelegten Informationsbroschüre des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern wird zunächst der Ablauf einer DNA-Analyse erläutert und ausgeführt, das DNA-Profil des Menschen werde ausschließlich aus jenen Abschnitten des DNA-Moleküls erstellt, die zwischen den eigentlichen Genen liegen. Es sei deshalb - wie ein Fingerabdruck - wertneutral. Seine Einzigartigkeit liege darin begründet, daß jede Person - mit Ausnahme eineiiger Zwillinge - eine unterschiedliche Abfolge der chemischen Bausteine aufweise. Die DNA (Desoxyribonukleinsäure) des Kindes stamme je zu Hälfte aus der Eizelle der Mutter und der Samenzelle des Vaters, so daß es von jedem genetischen Merkmal zwei Kopien - eine von der Mutter und eine vom wahren biologischen Vater - besitze. Da sich die Kopien mittels DNA-Analyse auf einem Röntgenfilm als Banden darstellten, könne die Vererbung der genetischen Merkmale von den biologischen Eltern auf das Kind direkt sichtbar gemacht werden. Zunächst seien die Bandenmuster von Kind und Mutter zu vergleichen, wodurch jene Bande des Kindes identifiziert werden könne, die von der Mutter herrührt; jene Bande, die nicht von der Mutter stammt, müsse daher zwingend vom wahren biologischen Vater vermittelt worden sein. Besitze der Belangte diese Bande nicht, sei er als Erzeuger auszuschließen, besitze er sie indessen, sei er der Erzeuger des Kindes. Solche Bandenvergleiche würden an zumindest vier voneinander unabhängigen vererbten genetischen Merkmalen durchgeführt; bestehe an allen genetischen Merkmalen eine Übereinstimmung zwischen einer Bande des Belangten und jener des Kindes, die zwingend vom wahren biologischen Vater stammen müsse, werde in der Regel eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von mehr als 99,99 % erreicht. Die Vaterschaft des Belangten sei damit praktisch erwiesen. Im umgekehrten Fall - finde sich also an zumindest zwei Merkmalen keine Übereinstimmung - sei dessen Vaterschaft mit Sicherheit auszuschließen.

Zu einer wesentlich kritischeren Betrachtung der DNA-Methode gelangen Hummel-Mutschler in NJW 1991, 2929 ff: Wohl gehe aus einem Fingerprint-Test dann ein glaubwürdiger Vaterschaftsausschluß hervor, wenn beim Kind mehrere Banden in Erscheinung treten, die weder beim Belangten noch bei der Mutter zu beobachten sind, doch dürfe nicht unerwähnt bleiben, daß beim Kind gelegentlich mutativ entstandene "Extrabanden" Verwirrung stifteten; sie träten - je nach verwendeter Sonde - mit Häufigkeiten zwischen unter 1 % und mehreren Prozenten in Erscheinung. Die "Extrabanden" ergäben keinen Ausschluß des Putativvaters, sofern ihr mutativer Ursprung ausreichend gesichert sei. Mit der DNA-Analyse ermittelte Ausschlußkonstellationen - und zwar sowohl mit Multilocus- als auch mit Singlelocus-Sonden - seien daher kritisch zu bewerten, vor allem dann, wenn in dem betreffenden Fall aus einem vorangegangenen Blutgruppen- und HLA-Gutachten ein hoher Wahrscheinlichkeitswert ermittelt wurde. Nach weiteren eingehenden Ausführungen zum Vaterschaftsbeweis gelangen die beiden Autoren schließlich u.a. zum Ergebnis, der positive Beweis der Vaterschaft beim DNA-Gutachten geschehe ebenso wie im serologischen Gutachten über einen Wahrscheinlichkeitswert; angesichts der noch bestehenden Probleme bei Technik und Auswertung sollten DNA-Begutachtungen zumindest noch nicht allgemein Anwendung finden, sondern auf Sonderfälle beschränkt bleiben, in welchen das serologische Gutachten zu keinem urteilsrelevanten Ergebnis führe.

Den kontroversiellen Meinungsstand zur humangenetischen Abstammungsbegutachtung beleuchtet auch die im FamRZ 1992, 275 ff, geführte Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung dieser Methode in der Gerichtspraxis.

Der deutsche Bundesgerichtshof mißt der DNA-Begutachtung vor allem die Funktion eines ergänzenden Verfahrens zu: In NJW 1991, 749, verweist er auf die von Vertretern der medizinischen Wissenschaft gegen diese Methode angemeldeten Zweifel, daß deren praktische Anwendbarkeit bereits ausreichend gesichert und zuverlässig sei; so werde auf Schwierigkeiten bei der Durchführung und auf technische Fehlerquellen hingewiesen und vor unkritischer Anwendung gewarnt, zumal eine zuverlässige biostatistische Auswertung derzeit noch nicht gewährleistet sei. Es bestehe aber weitgehende Einigkeit, daß die DNA-Analyse nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft jedenfalls als ergänzendes Verfahren neben den herkömmlichen Methoden angewendet werden könne. Es seien keine stichhältigen Gründe zu finden, diese Methode, die durch den hohen Polymorphismusgrad der verwendeten hypervariablen DNA-Abschnitte einerseits hohe Ausschlußchancen für Nichtväter und andererseits - bei fehlendem Ausschluß - eine hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit begründe und damit gerade für die Abstammungsuntersuchung besonders effizient sein könne, von einer Anwendung in diesem Bereich generell auszuschließen.

Auch in der Entscheidung NJW 1991, 2961, = FamRZ 1991, 426, ging der Bundesgerichtshof zwar zunächst davon aus, herkömmliche serologische Gutachten könnten den Tatrichter auch ohne Ergänzung durch DNA-Analysen bei entsprechend hohen Wahrscheinlichkeitswerten in die Lage versetzen, die volle Überzeugung von der Abstammung des Kindes zu erlangen, doch könne auch bei noch so hohen Wahrscheinlichkeitswerten aufgrund der serologischen Begutachtung (hier: 99,4 %) nicht ausgeschlossen werden, daß die DNA-Analyse einen Ausschluß des Belangten von der Vaterschaft erbringe. Ob der DNA-Analyse bei dem Ergebnis der serologischen Untersuchung jede Eignung zur Feststellung eines Vaterschaftsausschlusses abzusprechen sei, müsse von den Tatsacheninstanzen notfalls mit sachverständiger Hilfe beurteilt werden.

Dieser Auffassung ist beizutreten: Ist es Ziel der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung, die größtmögliche Übereinstimmung mit den wahren Abstammungsverhältnissen zu erreichen, muß ein Maximum und Optimum an richterlicher Ermittlungstätigkeit gefordert werden (Hummel-Mutschler aaO 2931; vgl auch RZ 1991/12). Das muß dann aber auch für die Entscheidung über den Beweiswert wissenschaftlicher Methoden der Vaterschaftsfeststellung als eine von den Tatsacheninstanzen mit Hilfe sachverständiger Begutachtung zu lösende Aufgabe (vgl BGH, NJW 1991, 749, 751) gelten.

Dem Erstgericht lag ein Antrag des Wiederaufnahmsklägers auf Einholung eines DNA-Gutachtens zum Beweis des ihm mit Hilfe des serologischen Gutachtens mißlungenen Ausschlusses von der Vaterschaft vor; die biostatistische Vaterschaftswahrscheinlichkeit errechnete der gerichtsärztliche Sachverständige mit 99,4 %, die Irrtumserwartung beträgt 0,16 %. Die DNA-Analyse ist selbst, wenn die von den Gegnern in den Vordergrund gerückten Zweifel in Rechnung gestellt werden, nach der dargestellten deutschen Rechtsprechung jedenfalls als ein die herkömmlichen wissenschaftlichen Methoden ergänzendes Verfahren anwendbar, weil sie nicht nur höchste Ausschlußchancen für Nichtväter, sondern, wenn der Belangte danach nicht auszuschließen ist, auch hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeitswerte vermittelt. Selbst wenn man weiters berücksichtigt, daß auch mit dieser Methode ein 100 %iger positiver Vaterschaftsbeweis nicht möglich ist (siehe nur die vorgelegte Informationsbroschüre: "....liegt in der Regel über 99,99 %...."), gelingt es doch mit Hilfe dieser Methode, einen voll vertrauenswürdigen Vaterschaftsausschluß zuwege zu bringen; lassen sich die Blutgruppen- und HLA-Analysen nicht beliebig ausdehnen, ist deren Untersuchungsumfang also limitiert, so kann man mit einer oder zwei Multilocus-Sonden sowie - allein oder zusätzlich - mit einer bis zu fünf und mehr Singlelocus-Sonden arbeiten; dabei besitzt eine der letzteren etwa die Ausschluß- und biostatistische Leistung eines wirkungsvollen Blutgruppensystems (Hummel-Mutschler aaO 2930).

Angesichts des nach der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung immer noch verbliebenen Irrtumsrisikos kann im vorliegenden Fall aus der Sicht des Rechtsanwenders keineswegs von vornherein eine weitere Aufklärung - also der Ausschluß des Wiederaufnahmsklägers von der Vaterschaft oder umgekehrt, bei dessen Nichtausschluß, eine wesentliche Steigerung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit - ausgeschlossen werden. Ob das im vorliegenden Fall in der Tat zutrifft, kann nur von den Tatsacheninstanzen mit Hilfe naturwissenschaftlicher Begutachtung geklärt werden.

Die Vorinstanzen haben das ihnen aufgetragene pflichtgemäße Ermessen nicht voll ausgeschöpft, was im Abstammungsverfahren als Verfahrensmangel auch noch in dritter Instanz wahrgenommen werden kann (SZ 49/34 uva). Es bedarf daher einer Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens durch Vernehmung eines gerichtsärztlichen Sachverständigen über den Beweiswert der DNA-Analyse bzw ob deren Durchführung im konkreten Fall voraussichtlich zu einer weiteren Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts beitragen kann; bei Bejahung dieser Fragen wird ein solches Gutachten im erforderlichen Umfang einzuholen und danach erneut über das Klagebegehren zu entscheiden sein.

In Stattgebung der Revision des Wiederaufnahmsklägers ist daher dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens im aufgezeigten Sinn aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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