OGH 14Os11/94

OGH14Os11/948.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Rouschal, Dr. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Obergmeiner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kurt B* wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 24.November 1993, GZ 11 a Vr 431/93‑10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Boyer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0140OS00011.940000.0308.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt B* des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, in Ebenthal

1. am 1.Mai 1993 dadurch, daß er Christine K* zu Boden drückte, sich auf sie legte, ihr mit der Hand den Mund zudrückte und trotz heftiger Gegenwehr die Ober‑ und Unterhose auszog, sein Glied entblößte und einen Geschlechtsverkehr begehrte, versucht zu haben, außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB eine Person mit Gewalt zur Vornahme bzw. zur Duldung des Beischlafs zu nötigen, und

2. am 24.April 1993 Christine B* dadurch, daß er sie an der Schulter packte, gewaltsam gegen eine Mauer drückte und ihr einen Faustschlag gegen ihren linken Arm versetzte, am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt zu haben, wodurch sie eine Rippenprellung erlitt.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der in keinem Anfechtungspunkt Berechtigung zukommt.

In der Mängelrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer zunächst die erstgerichtliche Annahme, daß Christine K* (vor dem inkriminierten Tatgeschehen) allein über eine Dachrinne stolperte (US 4), als aktenwidrig begründet, weil die Genannte diesen Sturz bei der Gendarmerie überhaupt nicht erwähnt, er selbst in der Hauptverhandlung aber davon gesprochen habe, daß sie beide "über die Dachrinne geflogen" wären. Dieses Vorbringen betrifft keinen für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgeblichen Umstand, sodaß sich Erörterungen darüber schon mangels Entscheidungsrelevanz erübrigen.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand (Z 5) zuwider kann auch keine Rede davon sein, daß das Erstgericht der Verantwortung des Angeklagten, bei Erkennen der Ernsthaftigkeit des Widerstandes der Christine K* von seinem deliktischen Vorhaben sogleich abgelassen zu haben, keine Beachtung geschenkt hätte. Die Tatrichter haben sich vielmehr mit dieser Verantwortung eingehend auseinandergesetzt und schlüssig dargelegt, worauf sich ihre Überzeugung von der Unrichtigkeit dieser Angaben stützt (US 7 ff).

Die vom Beschwerdeführer vermißte Annahme eines auf die gewaltsame Durchführung des Beischlafes abzielenden Tätervorsatzes ist den Entscheidungsgründen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen (US 4 f). Der in bezug auf den Schuldspruch wegen versuchter Vergewaltigung erhobene Vorwurf fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 9 lit. a) entbehrt sohin der Grundlage.

Unberechtigt ist ferner der Einwand (Z 9 lit. a), das Erstgericht habe den gesetzlichen Begriff der Gewalt im Sinn des § 201 Abs. 2 StGB unrichtig ausgelegt. Dem Nötigungsmittel der Gewalt entspricht nach gesicherter Judikatur jeder Einsatz einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstandes, wobei es einer besonderen Intensität dieser Kraftanwendung nicht bedarf (Leukauf‑Steininger Komm.3 § 201 RN 19 mwN). Diesem Bedeutungsinhalt werden die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tatmodalitäten aber hinreichend gerecht. Indem der Beschwerdeführer die Frau zu Boden stieß, sich auf sie legte, ihr den Mund zuhielt, um sie am Schreien zu hindern, und ihr trotz Gegenwehr die Jeanshose und Unterhose auszog (US 4 f), hat er die Grenze noch straffreier bloß ungestümer Handgreiflichkeiten bei weitem überschritten und Gewalt im Sinne der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung zur Erreichung seines Zieles zum Einsatz gebracht.

Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, soweit er den Standpunkt vertritt, daß die Urteilsfeststellungen zur sicheren Klärung der Frage nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch der Vergewaltigung nicht ausreichen. Gemäß § 16 Abs. 1 StGB wird der Täter bei unbeendetem Versuch nur dann straflos, wenn er die weitere Tatausführung freiwillig aufgibt. Freiwilligkeit setzt darnach voraus, daß der Täter aus eigenem Antrieb, wenngleich allenfalls auch unter dem Einfluß äußerer situationsbedingter Umstände, auf die Vollendung der Tat verzichtet, obgleich er eine dem Tatplan entsprechende Ausführung noch für möglich erachtet (Leukauf‑Steininger Komm.3 § 16 RN 2). Diese unabdingbare Prämisse des geltend gemachten Strafaufhebungsgrundes ist aber nach dem Urteilssachverhalt zu verneinen, hat doch der Beschwerdeführer nur aufgrund des Widerstandes der Frau, welche die Beine zusammendrückte, sich am Boden hin‑ und herrollte und auf den Angreifer einschlug, sowie der Wahrnehmung von Stimmen von seinem deliktischen Vorhaben Abstand genommen (US 5). Sein Tatplan, unentdeckt und ohne Einsatz schwererer Nötigungsmittel (vgl. § 201 Abs. 1 StGB) zum Ziel zu gelangen, war daher undurchführbar geworden.

Letztlich versagt die Rechtsrüge auch insoweit, als der Beschwerdeführer in bezug auf den Schuldspruch wegen Körperverletzung die Anwendung des § 42 StGB anstrebt (Z 9 lit. b). Abgesehen davon, daß die von ihm vorweggenommene Prämisse eines Wegfalls des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung nicht eingetreten ist und daher schon wegen der raschen Aufeinanderfolge sexuell motivierter Angriffe auf Frauen Erwägungen spezialpräventiver Art der Annahme des geltend gemachten Strafausschließungsgrundes entgegenstehen, könnte auch bei isolierter Betrachtung nach den konkreten Tatumständen von einem atypisch leichten Fall tatbestandsmäßiger Aggression keine Rede sein.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend; als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, daß die Vergewaltigung beim Versuch geblieben ist und die Alkoholisierung. Es verneinte zwar die Voraussetzungen für eine bedingte Nachsicht der nach §§ 28 Abs. 1, 201 Abs. 2 StGB ins Auge gefaßten ganzen Freiheitsstrafe von neun Monaten, erachtete es jedoch nach der Täterpersönlichkeit des Angeklagten für vertretbar, an Stelle eines Teiles der Freiheitsstrafe auf eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen (zu 200 S) zu erkennen und im Hinblick darauf den verbleibenden Teil der Freiheitsstrafe von vier Monaten nach § 43 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen (§ 43 a Abs. 2 StGB).

Dagegen wenden sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Jene beantragt die Verhängung einer "allen Strafzwecken gerecht werdenden" Freiheitsstrafe, die nach dem Inhalt der Berufungsausführungen zumindest zum Teil unmittelbar zu vollziehen wäre (§ 43 a Abs. 3 StGB). Der Angeklagte hinwieder strebt die Verhängung einer Geldstrafe im Ausmaß des in erster Instanz erkannten Geldstrafenteils (bei gleichbleibendem Tagessatz) an, die allenfalls zum Teil bedingt nachgesehen werden sollte (§ 43 a Abs. 1 StGB). Hilfsweise beantragt er die Verhängung einer bedingt nachzusehenden Freiheitsstrafe in der Höhe des vom Erstgericht ausgemessenen Freiheitsstrafenteils.

Keine der Berufungen ist begründet.

Daß die Vergewaltigung beim Versuch geblieben ist, hat das Erstgericht ohnedies als mildernd gewertet und auch zu Gunsten des Angeklagten angenommen, daß ihm die Alkoholisierung jeweils nicht zum Vorwurf gemacht werden kann (§ 35 StGB). Der Art seiner Verantwortung ist hingegen ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung nicht zu entnehmen. Die in der persönlichen Beziehung des Angeklagten zu Christine K* gelegenen besonderen Umstände des Falles und deren daraus resultierende Zurückhaltung bei der Mitwirkung an der strafgerichtlichen Verfolgung (vgl. S 47) erscheinen im Ergebnis ausreichend berücksichtigt. Den Bedenken der Staatsanwaltschaft hinwieder wurde durch die empfindliche Höhe des Geldstrafenteiles durchaus Rechnung getragen. Die Strafsanktion entspricht nach Beurteilung des Obersten Gerichtshofes der unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten, von dessen Persönlichkeit sich der Senat im Gerichtstag einen unmittelbaren Eindruck verschaffen konnte. Auch von daher wurde kein begründeter Anlaß gefunden, die wohlausgewogene Strafenkombination in irgendeiner Richtung zu verändern.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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