OGH 4Ob30/94

OGH4Ob30/948.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*****verlag Gesellschaft mbH & Co KG, ***** 2. M*****vertriebsgesellschaft mbH & Co KG, ***** beide vertreten durch Dr.Giger, Dr.Ruggenthaler und Dr.Simon Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. F*****gesellschaft mbH, 2. Peter F*****, beide vertreten durch Dr.Michael Graff und Mag.Werner Suppan, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf, Entschädigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 350.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 22.Oktober 1993, GZ 4 R 155/93-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 21.Juli 1993, GZ 37 Cg 223/93k-7, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden teils aufgehoben, teils bestätigt, so daß sie insgesamt, einschließlich des bestätigten Teiles, wie folgt zu lauten haben:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches der Klägerinnen wider die Beklagten auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird den Beklagten ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteiles verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes folgende herabsetzende und kreditschädigende Behauptungen über den Vertrieb der Tageszeitungen 'Kurier' und/oder 'Neue Kronen Zeitung' und inhaltsgleiche Behauptungen aufzustellen:

Die Hauszustellung von 'Kurier' und/oder 'Neue Kronen Zeitung' diene nur unwirtschaftlicher und ungesunder Bequemlichkeit und es werde befürchtet, daß sie zum Auskundschaften von Gelegenheiten für Eigentumsdelikte mißbraucht werde, indem stockfremde Leute mit einem Haustorschlüssel zu nachtschlafener Zeit in den Häusern der (ehemaligen) Abonnenten der Tageszeitungen 'Kurier' und/oder 'Neue Kronen Zeitung' herumgeistern und dabei bemerken, wer gerade auf Urlaub ist, welche Wohnungen unbenützt sind.....

Das Mehrbegehren, den Beklagten die Behauptung zu untersagen, die Hauszustellung von 'Kurier' und/oder 'Neue Kronen Zeitung' werde zur Verbrechensvorbereitung und -durchführung mißbraucht, wird abgewiesen.

Im übrigen, nämlich soweit, als das Verbot der Behauptung begehrt wird,

die den Vertrieb besorgende Gesellschaft widersetze sich der ordnungsgemäßen Aufkündigung von Abonnements; sie ignoriere solche Kündigungen; es bestehe sogar die Gefahr, daß sie den Erhalt derartiger Kündigungsschreiben wahrheitswidrig bestreite; gegen den Willen der ehemaligen Abonnenten werde die Zustellung von 'Kurier' und/oder 'Neue Kronen Zeitung' fortgesetzt und versucht, diese dadurch vor die vollendete Tatsache des weiter aufrechten Abonnements zu stellen; zu eben diesem Zweck werde auch veranlaßt, daß die ehemaligen Abonnenten mit Vertreterbesuchen belästigt würden; der Vertrieb mache durch sein Verhalten die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Durchsetzung des Rechtes auf ordentliche Kündigung erforderlich,

werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen."

Die Klägerinnen haben die halben Verfahrenskosten vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die halben Verfahrenskosten endgültig selbst zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Erstklägerin ist Verlegerin der Tageszeitungen "Kurier" und "Neue Kronen Zeitung". Ihr fließen die Anzeigen- und Verkaufserlöse zu. Die Zweitklägerin vertreibt "Kurier" und "Neue Kronen Zeitung".

Die Erstbeklagte ist Verlegerin der Tageszeitung "täglich Alles" und der Wochenzeitung "Die ganze Woche". Der Zweitbeklagte ist Angestellter der Erstbeklagten. Er hat das unten wiedergegebene Schreiben unterzeichnet und will dadurch den Wettbewerb der Erstbeklagten fördern.

Beginnend mit 20.4.1993 verschickten die Beklagten in Niederösterreich an mindestens 100.000 Personen Schreiben mit folgendem Inhalt:

Dem Schreiben war der Vordruck eines Kündigungsschreibens angeschlossen:

Die Klägerinnen begehren zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsausspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes herabsetzende, kreditschädigende und unwahre Behauptungen über den Vertrieb der Tageszeitungen "Kurier" und/oder "Neue Kronen Zeitung" aufzustellen, wie insbesondere, die den Vertrieb besorgende Gesellschaft widersetze sich der ordnungsgemäßen Aufkündigung von Abonnements; sie ignoriere solche Kündigungen; es bestehe sogar die Gefahr, daß sie den Erhalt derartiger Kündigungsschreiben wahrheitswidrig bestreite; gegen den Willen der ehemaligen Abonnenten werde die Zustellung von "Kurier" und/oder "Neue Kronen Zeitung" fortgesetzt und versucht, diese dadurch vor die vollendete Tatsache des weiter aufrechten Abonnements zu stellen; zu eben diesem Zweck werde auch veranlaßt, daß die ehemaligen Abonnenten mit Vertreterbesuchen belästigt würden; der Vertrieb mache durch sein Verhalten die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Durchsetzung des Rechts auf ordentliche Kündigung erforderlich; die Hauszustellung von "Kurier" und/oder "Neue Kronen Zeitung" diene nur unwirtschaftlicher und ungesunder Bequemlichkeit und werde zur Verbrechensvorbereitung und -durchführung mißbraucht, indem stockfremde Leute mit einem Haustorschlüssel zu nachtschlafener Zeit in den Häusern der (ehemaligen) Abonnenten der Tageszeitungen "Kurier" und/oder "Neue Kronen Zeitung" herumgeistern und dabei bemerken, wer gerade auf Urlaub ist, welche Wohnungen unbenützt sind....... Eventualiter begehren die Klägerinnen, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes folgende herabsetzenden, kreditschädigenden und unwahren Behauptungen über den Vertrieb der Tageszeitungen "Kurier" und/oder "Neue Kronen Zeitung" oder ähnliche Behauptungen aufzustellen; in der Folge werden wieder die im Hauptbegehren enthaltenen Behauptungen angeführt.

Die Beklagten hätten kreditschädigende, herabsetzende und wahrheitswidrige Tatsachen behauptet. Die Verbreitung derartiger Behauptungen sei unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt jedenfalls nach § 1 UWG sittenwidrig. Die Beklagten behaupteten schlüssig, daß die Hauszusteller durch Auskundschaften Verbrechen vorbereiteten und zumindest möglicherweise auch begingen.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Klägerinnen gäben den Text des Begleitbriefes verzerrt wieder. Äußerstenfalls könnten die wirklich gemachten Äußerungen und inhaltsgleiche Äußerungen verboten werden. Die von den Beklagten behaupteten Tatsachen seien erweislich wahr. In mehreren Schreiben hätten Leser mitgeteilt, ihnen sei nach Ablauf des Zwei-Wochen-Testabonnements die Zeitung weitergeliefert worden, sie hätten einen Zahlschein und sogar eine Zahlungsaufforderung durch einen Anwalt erhalten. Leser hätten auch geschrieben, trotz Kündigung der Abonnements die Zeitungen weiterhin erhalten zu haben. In anderen Zuschriften sei die Hauszustellung ua als "nicht zu unterschätzender Unsicherheitsfaktor" bezeichnet worden. Die Zeitungen der Klägerinnen würden teilweise unter Verwendung unrechtmäßig erworbener Schlüssel zugestellt.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung im Sinne des eventualiter gestellten Antrages, wobei es jedoch "oder ähnliche Behauptungen" durch "und inhaltsgleiche Behauptungen" ersetzte.

Die Zweitklägerin werde im beanstandeten Schreiben in auffallender Weise herabgesetzt und bloßgestellt; es werde suggeriert, daß sie beim Vertrieb den Abonnenten gegenüber unlauter vorgehe. Das Vertriebskonzept der Zweitklägerin werde überhaupt in Frage gestellt. Durch unsachliche, verallgemeinernde und aggressive Äußerungen in einer äußerst breit angelegten Aktion werde erkennbar auch der Zweck verfolgt, emotionelle Abneigung gegen die von einem Mitbewerber verlegten Zeitungen zu erregen. Der Wahrheitsbeweis sei daher unzulässig und, da er sich nur auf Einzelfälle beziehe, nicht signifikant. Die beanstandeten, ausdrücklich oder schlüssig gemachten Äußerungen der Beklagten seien sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Selbst wenn die behaupteten Unzukömmlichkeiten in Einzelfällen tatsächlich aufgetreten seien sollten, vermöge dies angesichts der insgesamt gehässigen und emotionelle Abneigung hervorufenden Tendenz des beanstandeten Schreibens nicht die Zulässigkeit des Wahrheitsbeweises zu bewirken. Die Beklagten hätten nicht behauptet, daß die aufgezeigten Mißstände der Regelfall seien. Die beanstandeten Äußerungen seien daher jedenfalls sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Die Klägerinnen beantragen, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; er ist auch teilweise berechtigt.

Die Beklagten bekämpfen die Auffassung der Vorinstanzen, wonach die beanstandeten Behauptungen nach § 1 UWG zu beurteilen und daher ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt zu verbieten seien. Sie weisen darauf hin, daß die Klägerinnen nicht das Verbot der im beanstandeten Schreiben tatsächlich gemachten Äußerungen, sondern jener Behauptungen begehren, die sich daraus ihrer Auffassung nach schlüssig ergeben sollen. Die damit auf einen Tatsachenkern reduzierten Äußerungen seien als Tatsachenbehauptungen einem Beweis zugänglich.

Tatsachen im Sinne des § 7 Abs 1 UWG sind nach ständiger Rechtsprechung - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 39; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 1202 f § 14 dUWG Rz 4; ÖBl 1973, 105; ÖBl 1991, 58; ÖBl 1991, 64 uva). Das Behaupten und Verbreiten erweislich wahrer Tatsachen und von Werturteilen, die eine

rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben und daher objektiv nicht überprüft werden können, fällt hingegen nicht unter § 7 UWG (ÖBl 1991, 64 ua). Auch eine an sich der Wahrheit entsprechende geschäftsschädigende Behauptung ist jedoch nur dann zulässig, wenn der Wettbewerber hinreichend Anlaß hat, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden, und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält; eine unsachliche oder unnötige Herabsetzung der Leistungen eines Mitbewerbers ist sittenwidrig (SZ 62/208; SZ 63/2; ÖBl 1991, 64; ÖBl 1992, 106 ua). Letzteres gilt auch für Werbevergleiche, die durch Pauschalabwertungen, unnötige Bloßstellungen oder aggressive Tendenzen das Sachlichkeitsgebot verletzen (s. Gamerith, Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur vergleichenden Werbung - Verbotsprinzip oder Mißbrauchsprinzip? HWR 1988, H 6, 7 [23 f]; SZ 62/20; SZ 62/208; ÖBl 1990, 154; auch JBl 1991, 390 ua). In all diesen Fällen liegt ein Verstoß gegen § 1 UWG vor.

Ob fremde Behauptungen weitergegeben oder eigene Behauptungen aufgestellt werden, ist unerheblich. Auch durch das Weitergeben fremder Behauptungen werden diese "verbreitet", und zwar unabhängig davon, ob die Quelle angegeben wird, aus der sie stammen (sollen) (s SZ 62/20 mwN).

Die Beklagten stellen im beanstandeten Schreiben zwei Vertriebsformen einander gegenüber: die Hauszustellung und den Vertrieb durch Straßenverkäufer, Trafiken etc. Sie zeigen durch die Wiedergabe ihnen - behauptetermaßen - zugekommener Äußerungen von Abonnenten angebliche Nachteile der Hauszustellung auf und bieten an, den Abonnenten bei der Aufkündigung der Abonnementverträge behilflich zu sein.

Die Klägerinnen begehren zum überwiegenden Teil nicht das Verbot der tatsächlich gemachten Äußerungen, sondern der Behauptungen, die sich aus diesen Äußerungen (schlüssig) ergeben sollen. Das ist grundsätzlich zulässig: Auch schlüssig (zB als "versteckte Mitteilungen" durch bloße Andeutungen oder Umschreibungen) aufgestellte Behauptungen können verboten werden (s. Hohenecker-Friedl aaO 39). Für die Beurteilung, welche Behauptung aufgestellt wurde, ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers maßgebend (SZ 64/182 mwN).

Werden in diesem Sinne das Begehren der Klägerinnen und der Inhalt des beanstandeten Schreibens sowie des Vordruckes eines Kündigungsschreibens einander gegenübergestellt, so zeigt sich, daß das Begehren durch den Inhalt der Briefe nicht zur Gänze gedeckt ist:

Keinem der beiden Schreiben kann die Behauptung entnommen werden, die Hauszustellung werde zur Verbrechensvorbereitung und -durchführung mißbraucht. Die Beklagten zitierten aus, wie sie behaupten, ihnen zugekommenen Schreiben, daß Abonnenten der Hauszustellung nicht zugestimmt hätten, hätten sie gewußt, daß "stockfremde Leute mit einem Haustorschlüssel um 4 Uhr früh im Haus herumgeistern und dabei bemerken, wer gerade auf Urlaub ist, welche Wohnungen unbenutzt sind". Damit wird behauptet, es werde befürchtet, daß die Hauszustellung zum Auskundschaften von Gelegenheiten für Eigentumsdelikte mißbraucht werde; die Beklagten haben aber nicht die wesentlich weitergehende Behauptung aufgestellt, die Hauszustellung werde zur Verbrechensvorbereitung und -durchführung mißbraucht. Behauptungen, die auch nicht schlüssig aufgestellt werden, können aber keinesfalls untersagt werden. Der Spruch eines Urteils oder einer einstweiligen Verfügung hat sich vielmehr immer an der konkreten Verletzungshandlung zu orientieren (s ÖBl 1991, 105; ÖBl 1991, 108 ua).

Dem begehrten Verbot der Äußerung, die Hauszustellung werde zur Verbrechensvorbereitung und -durchführung mißbraucht, liegt die schlüssig gemachte Behauptung zugrunde, es werde befürchtet, daß die Hauszustellung zum Auskundschaften von Gelegenheiten für Eigentumsdelikte mißbraucht werde. Nur diese Behauptung ist - wie noch näher auszuführen sein wird - zu untersagen; das Mehrbegehren ist hingegen abzuweisen.

Gegenstand des von den Klägerinnen begehrten Verbotes ist ua die Behauptung, die Hauszustellung von "Kurier" und/oder "Neue Kronen Zeitung" diene nur unwirtschaftlicher und ungesunder Bequemlichkeit und werde zur Verbrechensvorbereitung und -durchführung mißbraucht, indem stockfremde Leute mit einem Haustorschlüssel zu nachtschlafener Zeit in den Häusern der (ehemaligen) Abonnenten der Tageszeitungen "Kurier" und/oder "Neue Kronen Zeitung" herumgeistern und bei bemerken, wer gerade auf Urlaub ist, welche Wohnungen unbemerkt sind ..... Dieses Begehren stützt sich auf die Ausführungen im Schreiben der Beklagten, wonach Abonnenten froh seien, ein wenig aus den eigenen vier Wänden hinauszukommen und Bewegung machen wollten, weil das der Gesundheit gut tue, und auf jenen Passus, in dem wie folgt aus Zuschriften zitiert wird: "Wenn wir gewußt hätten, daß stockfremde Leute mit einem Haustorschlüssel um 4 Uhr früh in unserem Haus herumgeistern und dabei bemerken, wer gerade auf Urlaub ist, welche Wohnungen unbenutzt sind, dann hätten wir niemals so einer Hauszustellung zugestimmt. Das bißchen Bequemlichkeit steht sich da überhaupt nicht dafür, und jetzt schon gar nicht mehr, wo wir im Jahr rund 1.000 S zu viel ausgeben, weil es inzwischen eine preiswertere, modernere Zeitung gibt". Diese Ausführungen decken, wie bereits dargelegt, das begehrte Verbot, die Hauszustellung werde zur Verbrechungsvorbereitung und -durchführung mißbraucht, nicht, enthalten aber die schlüssige Behauptung, es werde befürchtet, daß die Hauszustellung zum Auskundschaften von Gelegenheiten für Eigentumsdelikte mißbraucht werde.

Diese schlüssige Behauptung ist, ebenso wie die ausdrücklich in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen, erkennbar dazu bestimmt, Angst und Ablehnung zu erregen. Die Hauszustellung wird als etwas Bedrohliches ("stockfremde Leute", "herumgeistern") und Ungesundes (nicht aus den eigenen vier Wänden hinauskommen und Bewegung machen, was der Gesundheit gut täte) hingestellt und damit die Überlegenheit der von der Erstbeklagten gewählten Vertriebsform behauptet. Dieser Vergleich der beiden Vertriebsformen verletzt wegen des erkennbaren verfolgten Zwecks, Angst und gegen die Zeitungen der Klägerinnen gerichtete Ablehnung zu erregen, das Sachlichkeitsgebot und verstößt somit gegen § 1 UWG. Insoweit hat das Erstgericht demnach zu Recht davon abgesehen, die von den Beklagten angebotenen Bescheinigungen aufzunehmen. Die Behauptungen sind, weil sittenwidrig, ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt unzulässig. Die angefochtene Entscheidung ist daher in diesem Umfang insoweit zu bestätigen, als den Beklagten (ua) die Behauptung verboten wird, es werde befürchtet, daß die Hauszustellung zum Auskundschaften von Gelegenheiten für Eigentumsdelikte mißbraucht werde. Da es sich dabei gegenüber dem von den Klägerinnen begehrten Verbot um ein minus handelt, ist das Mehrbegehren abzuweisen.

Mit den übrigen Behauptungen, die Gegenstand des Sicherungsantrages sind, wird das ausgesagt, was im beanstandeten Schreiben und im vorgedruckten Formular eines Kündigungsschreibens teils ausdrücklich, teils "zwischen den Zeilen" steht. Die Klägerinnen haben damit den Inhalt der beiden Schreiben in Tatsachenbehauptungen wiedergegeben, die sie als herabsetzend, kreditschädigend und unwahr beanstandet. Tatsachenbehauptungen sind, wie oben dargelegt, grundsätzlich nach § 7 UWG zu beurteilen; unter § 1 UWG fallen sie nur, wenn Umstände vorliegen, die die Behauptungen sittenwidrig machen.

Solche Umstände sind nicht zu erkennen, soweit die Behauptungen den Inhalt jener Äußerungen wiedergeben, die das Verhalten der Zweitklägerin bei der Aufkündigung von Abonnements betreffen. Weder die Behauptungen, die Zweitklägerin widersetze sich der ordnungsgemäßen Aufkündigung von Abonnements, sie ignoriere solche Kündigungen, es bestehe die Gefahr, daß sie den Erhalt derartiger Kündigungsschreiben wahrheitswidrig bestreite, noch die Behauptungen, gegen den Willen der ehemaligen Abonnenten werde die Zustellung von "Kurier" und/oder "Neue Kronen Zeitung" fortgesetzt und versucht, diese dadurch vor die vollendete Tatsache des weiter aufrechten Abonnoments zu stellen, zu eben diesem Zweck werde auch veranlaßt, daß die ehemaligen Abonnenten mit Vertreterbesuchen belästigt würden, der Vertrieb mache durch sein Verhalten die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Durchsetzung des Rechtes auf ordentliche Kündigung erforderlich, sind aggressiv gehalten, unsachlich oder erkennbar dazu bestimmt, emotionelle Abneigung gegen die Zeitungen der Klägerinnen zu erregen. Gegenstand der begehrten Verbote sind auch keine Pauschalabwertungen oder unnötigen Bloßstellungen, sondern Behauptungen darüber, wie sich die Zweitklägerin bei der Aufkündigung von Abonnements verhalte und die daher auf ihre Richtigkeit nachgeprüft werden können.

Die Beklagten haben behauptet, daß die beanstandeten Äußerungen wahr seien. Sie haben Bescheinigungen angeboten, die das Erstgericht nicht aufgenommen hat. Zweifel an der Eignung der Bescheinigungsmittel, die behaupteten Tatsachen zu bescheinigen, sind aber kein Grund, die Bescheinigungen nicht aufzunehmen, weil dadurch die Bescheinigungen unzulässigerweise vorgreifend gewürdigt werden (Fasching, Lehrbuch2 Rz 820, 910). Das Erstgericht hätte daher die angebotenen Bescheinigungen aufnehmen müssen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind demnach insoweit aufzuheben und die Rechtssache ist in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen. Das Erstgericht wird das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und dann neu zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, § 52 Abs 1 ZPO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 402, 78 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO. Gegenstand des Begehrens sind Behauptungen zu zwei Themenbereichen, die - mangels anderer Anhaltspunkte - gleich zu bewerten sind. Der Kostenentscheidung liegt demnach die Annahme zugrunde, daß die Beklagten mit ihrem Rechtsmittel zur Hälfte im Sinne des von ihnen gestellten Aufhebungsantrages erfolgreich, zur Hälfte erfolglos waren.

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