OGH 13Os10/94

OGH13Os10/942.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Obergmeiner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sayed Yousef Mokthar E***** wegen des Vergehens der versuchten Schlepperei nach §§ 15 StGB, 14 a Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz (aF) über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.April 1993, GZ 6 d Vr 8400/92-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Raunig, und des Verteidigers Dr.Wachter, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.April 1993, GZ 6 d E Vr 8400/92-43, womit der Beschluß auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO aufgehoben und die Verpflichtung des Freigesprochenen zur Tragung der Kosten seiner Verteidigung ausgesprochen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs. 2 StPO.

Dieser Beschluß und die darauf beruhende Verfügung (insbesondere die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung zwecks Zustellung des genannten Beschlusses und das Rechtshilfeersuchen um Zustellung des Kostenbestimmungsantrages des Verteidigers zur Äußerung gemäß § 395 Abs. 1 StPO) werden aufgehoben.

Die Anträge des Dr.Christian H***** auf rückwirkende Aufhebung der Verteidigerbeigebung gemäß § 41 Abs. 2 StPO und auf Kostenbestimmung werden abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem - gemäß § 488 Z 7 StPO gekürzt ausgefertigten - Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9.Oktober 1992, GZ 6 d E Vr 8400/92-34, wurde ua der ägyptische Staatsangehörige Sayed Yousef Mokthar E***** von der Anklage (Strafantrag) des Vergehens der versuchten Schlepperei nach §§ 15 StGB, 14 a Abs. 1 Z 1 FremdenpolizeiG (das bis 31.Dezember 1992 in Kraft gestanden war) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

(Nur) Für die Hauptverhandlung (und das anschließende Rechtsmittelverfahren) war E***** gemäß § 41 Abs. 2 StPO ein Verteidiger beigegeben worden (ON 31, 33). Die Beigebung war ohne diesbezüglichen Antrag des Beschuldigten (S 141 und ON 33) erfolgt, nachdem die Wahlverteidiger die Vollmacht gekündigt hatten (ON 31 und AV ON 21).

Nach Rechtskraft des Freispruches verfügte der Einzelrichter in der Endverfügung im Zuge der Depositenbereinigung die Übersendung der bei E***** sichergestellten Geldbeträge (2.500 US Dollar, 584 S - ON 17 Postzahl 1-11) an den Verteidiger des Mitbeschuldigten (ON 37 Punkt 21), der diese allerdings nicht annahm (ON 41). Daraufhin wurde die Übersendung an den (Verfahrenshilfe-)Verteidiger des E***** Dr.H***** verfügt (S 164). Dies nahm Dr.H***** zum Anlaß, die rückwirkende Aufhebung der Verfahrenshilfe und die Bestimmung seiner Kosten zu beantragen (ON 42, 45).

Mit Beschluß vom 19.April 1993, ON 43, entsprach der Einzelrichter diesem Antrag und hob den Beschluß auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO auf. Da der Freigesprochene nun über sein "Vermögen", nämlich den vorgenannten Geldbetrag, frei verfügen könne, sei seine Mittellosigkeit, auch rückwirkend gesehen, nicht mehr gegeben. Da die Voraussetzungen der Verfahrenshilfe nicht vorlägen, habe er die Kosten seiner Verteidigung selbst zu tragen. Über den Kostenbestimmungsantrag könne erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses (gegen den allerdings nach der damaligen Rechtslage kein Rechtsmittel zustand) entschieden werden. Zur Zustellung dieses Beschlusses wurde E***** zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Sodann veranlaßte der Einzelrichter ein Rechtshilfeersuchen an das zuständige Gericht in Prag zur Zustellung des (neuerlichen) Kostenbestimmungsantrages des Verteidigers (ON 45) an den Freigesprochenen zwecks Äußerung gemäß § 395 Abs. 1 StPO (ON 48). Dieses wurde vom Bundesministerium für Justiz bisher nicht weitergeleitet.

Die Vorgangsweise des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien steht in Ansehung der rückwirkenden Aufhebung der Verfahrenshilfe mit dem Gesetz nicht im Einklang:

In der Bestellung eines Verfahrenshelfers ohne Antrag des Beschuldigten entgegen § 41 Abs. 2 StPO erblickt die Generalprokuratur keine Gesetzesverletzung und führt dazu aus: "Die Verteidigung des Beschuldigten war nämlich nach § 182 StPO in der damals geltenden Fassung im Hinblick auf die seit 17.Juli 1992 (ON 8) bis zur Hauptverhandlung am 9.Oktober 1992, also über zwei Monate andauernde Untersuchungshaft obligatorisch. § 182 StPO alt ordnete bei einer schon zwei Monate andauernden Haft die Beigabe eines Verteidigers von Amts wegen, wenn aber die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 StPO vorlagen, nach dieser Gesetzesstelle an. Eine solche Bestimmung war seinerzeit in die StPO anläßlich der Neuordnung des Haftrechtes mit dem StRÄG 1971, BGBl. 273, eingefügt worden. Es läßt sich immerhin die Meinung vertreten, daß angesichts der Dringlichkeit der Sicherstellung der Verteidigung eines Verhafteten die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 StPO teleologisch unter Ausklammerung des Erfordernisses eines Antrages des Beschuldigten auf die in dieser Gesetzesstelle beschriebene wirtschaftliche Bedürftigkeit zu reduzieren (wie es jetzt § 41 Abs. 4 StPO idF BGBl. 1993/526 für alle Fälle der obligatorischen Verteidigung vorsieht). Im übrigen war der Beschuldigte auch zur Tragung der Kosten eines Amtsverteidigers nach § 41 Abs. 3 StPO (alt) nur verpflichtet, wenn nicht die (wirtschaftlichen) Voraussetzungen der Bestellung eines Verteidigers nach Abs. 2 vorlagen, woraus der Verteidiger nach Möglichkeit schon bei der Bestellung hinzuweisen war (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 64 a zu § 41). Die Gesetzmäßigkeit der im vorliegenden Fall erfolgten Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers bedarf somit keiner weiteren Prüfung."

So die Generalprokuratur wörtlich.

Soweit die Generalprokuratur aber in der (rückwirkenden) Aufhebung der Verfahrenshilfe und ihre Umwandlung in eine ex offo-Verteidigung, deren Kosten der Freigesprochene zu tragen hat, einen Verstoß gegen § 41 Abs. 2 StPO a (und n) F (wohl auch Abs. 3) erblickt, hält ihr der betroffene Anwalt an sich zutreffend entgegen, daß - insoweit sich die Beschwerde auf die frühere Rechtsprechung und den dort angezogenen § 68 Abs. 2 ZPO beruft (EvBl. 1970/242) - die Rechtslage seit der ZP-Novelle (BGBl. 1973/569) sich geändert hat.

Nicht geändert hat sich aber, daß für das vorliegende Vergehen für die Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter kein Verteidiger gemäß § 41 Abs. 3 StPO bestellt werden durfte, sodaß die diesbezüglich (rückwirkende) Anordnung einer solchen Bestellung jedenfalls dem Gesetz widersprochen hat (s. SSt. 46/27).

In Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher, weil zudem der bezeichnete Beschluß dem Sayed Yousef Mokthar E***** zum Nachteil gereichte, insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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