OGH 13Os187/93

OGH13Os187/932.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.‑Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Markel, Dr. Mayrhofer und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Herbert K* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 19. Oktober 1993, GZ 10 Vr 2.092/92‑144, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Wegrostek zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0130OS00187.9300000.0302.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und über den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Herbert K* (A) des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 4 WaffG, (B) des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 2 StGB, (C) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, (D) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, und (E) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Darnach hat er

A) ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis zum 8. November 1992 in Göriach, wenn auch nur fahrlässig, Kriegsmaterial, nämlich ein Fliegerabwehrgeschoß und eine sogenannte "Fliegermaus" unbefugt besessen;

B) am 31. Oktober 1992 in wiederholten Angriffen versucht, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Wertpapiere, anderen mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

I.) indem er die Bankpostfächer der Raiffeisenkassen in Pusarnitz, Lendorf, Molzbichl, Möllbrücke und Kleblach‑Lind, sohin Behältnisse, mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, nämlich dem im Kraftfahrzeug der Erika S* abgelegten, dieser zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit von Ewald P* übergebenen Zentralschlüssel für diese Bankpostfächer, öffnete;

II.) indem er mit der Bankservicekarte mit Bankomatfunktion der Michaela S* für deren Konto Nummer 505008 in Spittal/Drau bei der Filiale der Z‑Bank eine Geldbehebung durch Eingabe möglicher vierstelliger Zahlencodes versuchte, bis es zum Karteneinzug kam;

C) am 31. Oktober 1992 wiederholt in den unter Punkt B/I bezeichneten Fällen Urkunden, nämlich verschiedene Bankbelege, über die er nicht verfügen durfte, durch Wegnahme und Wegwerfen mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;

D) in Möllbrücke in wiederholten Angriffen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sowie mit Gewalt Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz teils abgenötigt, teils weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe beging, und zwar:

I.) am 17. Juli 1992, indem er dem Tankwart Cosmin M* eine Schußwaffe vorhielt und ihn zur Ausfolgung einer Banktasche mit 27.000 S und 270 DM Bargeld sowie von Euroschecks im Gesamtwert von 2.032,30 S nötigte;

II.) am 1. November 1992, indem er den Tankstelleninhaber Wilhelm G* mit einem stumpfen Gegenstand auf den Hinterkopf schlug, wodurch dieser bewußtlos zu Boden stürzte und auf dem Rücken zu liegen kam, und ihm hernach bei sich getragenes und in den Tankstellenräumlichkeiten befindliches Bargeld, nämlich 64.363 S, 130 DM und 20.000 italienische Lire, eine Banktasche, fünf Inhaberschecks im Gesamtwert von 3.173,30 S, zwei Banktresorschlüssel, ein Paar Schlüssel und einen Revolver der Marke Smith & Wesson 38 Spezial wegnahm;

E) am 1. November 1992 in Möllbrücke den Wilhelm G* im Zuge der zu Punkt D/II beschriebenen Tathandlung vorsätzlich getötet, indem er ihm durch zwei heftig geführte tiefe Schnitte mit einem Messer die Kehle durchschnitt, sodaß die Tat neben anderen Verletzungen eine dreifache Durchtrennung der Halsschlagader mit dem kurz darauf durch Verbluten eingetretenen Tod des Wilhelm G* zur Folge hatte.

 

Rechtliche Beurteilung

Nur den Schuldspruch wegen schweren Raubes (D/I und II) und Mordes (E) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch fechten er und die Staatsanwaltschaft mit Berufung an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet.

Gegen die Rechtsbelehrung zur Hauptfrage 6 (nach Mord) wendet der Beschwerdeführer ein (Z 8), daß sie über die subjektive Tatseite lediglich allgemeine, für einen Laien schwer verständliche Ausführungen enthalte, auf den für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Tötungsvorsatz aber nicht eingehe. Diese Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung komme einer Unrichtigkeit gleich, weil zwischen den abgefragten Delikten (insbesondere zwischen Mord und Diebstahl) überhaupt nicht differenziert werde, was Anlaß zu einem Irrtum der Geschworenen in Ansehung des Tötungsvorsatzes gegeben haben könnte, zumal auch der verwendete Satz, daß "der Täter um die Möglichkeit der Deliktsverwirklichung wissen müsse", für Rechtsunkundige völlig unverständlich sei.

Die vom Beschwerdeführer behaupteten Mängel der Rechtsbelehrung liegen nicht vor. Zur Hauptfrage 6 wird nämlich (wie auch in der Belehrung zu den übrigen Hauptfragen) vorerst der Gesetzestext des ihr zugrunde liegenden Tatbildes (hier: § 75 StGB) wiedergegeben und sodann die äußere Tatseite des Verbrechens des Mordes derart erläutert, daß diese in der durch eine Handlung oder Unterlassung des Täters verursachten Tötung eines Menschen besteht. Daran schließt die Erklärung an, daß auf der inneren Tatseite Vorsatz erforderlich sei, wobei allerdings auch bedingter Vorsatz genüge. Sodann wird das Wesen des unbedingten und bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1 StGB) rechtsrichtig erläutert und ausgeführt, daß sich beide Vorsatzarten auf die Verwirklichung eines einem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes beziehen müssen (S. 493, 495/IV).

Durch die im unmittelbaren Anschluß an die Erläuterung der objektiven Tatbestandselemente gegebene Rechtsbelehrung zur subjektiven Tatseite war somit für die Geschworenen im Kontext unmißverständlich klargestellt, daß sich der Vorsatz beim Verbrechen des Mordes auf die Tötung eines Menschen zu beziehen hat. Trotz gleicher Formulierung des abstrakten Vorsatzbegriffes in Ansehung der Hauptfrage 2 (nach Diebstahl) bestand demnach keine Verwechslungsgefahr mit dem dieser Hauptfrage zugrunde liegenden Diebstahlsvorsatz.

Der bei den hier aktuellen Delikten übrigens keineswegs naheliegende Umstand aber, daß die Rechtsbelehrung für einen juristischen Laien schwer verständlich sein könnte, ließe sie ebenfalls noch nicht als unrichtig erscheinen, wird doch der Gefahr einer allfälligen Unübersichtlichkeit oder schweren Verständlichkeit der schriftlichen Belehrung dadurch vorgebeugt, daß sie den Geschworenen auch mündlich zu erklären ist, im Anschluß daran die Fragen zu besprechen sind und der Vorsitzende sich sodann zu überzeugen hat, ob seine Belehrung auch verstanden worden ist (§ 323 StPO; vgl. Mayerhofer‑Rieder StPOü E 66 a und 66 b zu § 345 Abs 1 Z 8).

Mit der Tatsachenrüge (Z 10 a) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit der von den Geschworenen im Verdikt zu den Hauptfragen 4 bis 6 (Raub und Mord) getroffenen Feststellungen, wobei er den von ihnen in der Niederschrift gemäß § 331 Abs 3 StPO schlagwortartig wiedergegebenen Erwägungen, von denen sie bei Beantwortung der Fragen ausgegangen sind (S 507, 508/IV), seine Sicht der diesbezüglichen Beweisergebnisse gegenüberstellt. Dabei verkennt er zunächst, daß die Niederschrift nicht zum Wahrspruch zählt, sie daher gar nicht Anfechtungsgegenstand des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes sein kann. Aber auch sonst vermag der Beschwerdeführer weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen noch auf aktenkundige tatsächliche Umstände hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach allgemeiner Erfahrung ernsthafte Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen. Nach Prüfung der Akten anhand des Beschwerdevorbringens hegt der Oberste Gerichtshof daher keine (erheblichen) Bedenken gegen den Wahrspruch.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht die mehrfache Begehung gleichartiger und verschiedener Straftaten als erschwerend, als mildernd ein Teilgeständnis (A, B, C), daß es teilweise beim Versuch geblieben ist (B) sowie die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten. Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erachtete das Gericht die festgesetzte (zeitliche) Freiheitsstrafe dem Schuldgehalt der Taten und der Täterpersönlichkeit für angemessen.

Gegen diesen Strafausspruch richten sich die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Ersterer beantragt eine Herabsetzung des Strafausmaßes, die Anklagebehörde strebt die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe an.

Dem Berufungseinwand des Angeklagten, nur durch eine nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführende drückende Notlage zu den Taten bestimmt worden zu sein (§ 34 Z 10 StGB), kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil dieser Umstand nur dann mildernde Wirkung zu entfalten vermag, wenn der motivierende Mangel des Täters an Subsistenzmitteln sich mit der Rechtsgutbeeinträchtigung auf seiten des Opfers derart in Relation bringen läßt, daß auch von einem mit den rechtlich geschützten Werten durchschnittlich verbundenen Menschen ein gewisses Verständnis für die Tat aufgebracht werden könnte. Diese Voraussetzung wäre aber in bezug auf die hier aktuellen schweren (bewaffneten) Raubüberfälle, deren einer in der vorsätzlichen Tötung des Opfers kulminierte, selbst dann nicht gegeben, wenn es dem Berufungswerber tatsächlich nur um die Befriedigung existentieller Bedürfnisse und nicht um die Bestreitung aufwendigen Freizeitvergnügens oder die Verhinderung einer bloßen Einschränkung seines Lebensstandards gegangen wäre.

Dafür, daß der Angeklagte den Mord in einer an einen Schuldausschließungsgrund heranreichenden Panikreaktion begangen hätte, fehlt in den Akten jeglicher konkrete Anhaltspunkt.

Somit hat das Geschworenengericht die gegebenen Strafbemessungsgründe im wesentlichen vollständig und auch richtig erfaßt, allerdings ‑ wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung zutreffend geltend macht ‑ nicht ihrem Gehalt entsprechend bewertet. Daß die Diebstähle nur beim Versuch geblieben sind und der Angeklagte insoweit und in Ansehung der hier durchaus marginalen Vergehen ein Geständnis abgelegt hat, fällt angesichts der Schwere der ihm zur Last liegenden Gewaltverbrechen kaum ins Gewicht. Die Wiederholung der reiflich überlegten, sorgfältig vorbereiteten und rücksichtslos ausgeführten Raubtaten und die brutale Ermordung eines bereits Wehrlosen wiegen so schwer, daß trotz des bisher ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten nur eine lebenslange Freiheitsstrafe der unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) gerecht wird.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

 

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