OGH 11Os173/93

OGH11Os173/931.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dzafer H***** und einen anderen wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Dzafer H***** und Rifat M***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 2. August 1993, GZ 20 e Vr 4440/93-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Jerabek, sowie der Verteidiger Dr. Werner und Dr. Bernhauser, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Dzafer H***** (alias Senad H*****) und Rifat M***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, Dzafer H***** überdies des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt.

Schwerer Raub liegt ihnen zur Last, weil sie am 1. April 1993 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken als Beteiligte (Mittäter) dem Gastwirt Mato M***** dadurch, daß Dzafer H***** mehrfach seine Pistole, Kaliber 9 mm, gegen ihn richtete, beide ihn zur Herausgabe von Bargeld und Schmuck aufforderten und Dzafer H***** schließlich einen Schuß in Richtung des Mato M***** abgab, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und unter Verwendung einer Waffe, Bargeld und Schmuck mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung wegzunehmen versuchten.

Die Geschworenen hatten die (jeweils anklagekonform gestellten) Hauptfragen nach schwerem Raub hinsichtlich Dzafer H***** stimmeneinhellig, bezüglich Rifat M***** im Stimmenverhältnis 5 : 3 bejaht. Folgerichtig entfiel daher die Beantwortung der bei H***** in Richtung des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 1) StGB und bei M***** nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB) gestellten Eventualfragen.

Die beiden Angeklagten bekämpfen den jeweiligen Schuldspruch - H***** der Sache nach nur den wegen Raubes - mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die sie auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 10 a und 12 StPO stützen, sind damit aber nicht im Recht.

Den Ausführungen der beiden Beschwerdeführer zur Fragestellungsrüge (Z 6) zuwider waren nach den Beweisergebnissen der Hauptverhandlung zum versuchten schweren Raub (Schuldspruch I) die unter dem Blickwinkel des § 314 StPO vermißte Eventualfrage nach dem Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB) und die dieser voranzustellende, daher der Sache nach ebenfalls reklamierte Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach strafaufhebendem Rücktritt (§ 16 StGB) vom Raubversuch nicht indiziert.

Die vom Angeklagten M***** in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente gehen schon deshalb ins Leere, weil er den in Rede stehenden Strafaufhebungsgrund ausschließlich aus dem behaupteten Rücktritt des Mitangeklagten H***** für sich in Anspruch nimmt. Nach § 13 StGB ist jeder von mehreren an einer Straftat Mitwirkenden nach seiner persönlichen Schuld verantwortlich, sodaß der bezügliche Strafaufhebungsgrund nur demjenigen Beteiligten zugute kommen kann, bei dem die Voraussetzungen unmittelbar vorliegen (vgl. Leukauf-Steininger, Komm**n, § 13 RN 5, § 16 RN 12; Foregger-Serini, StGB5, § 13 Anm II, § 16 Anm IV). Bei dem hier aktuellen unbeendeten Versuch der Raubtat (vgl. EvBl 1983/140 = LSK 1983/37) könnte der Angeklagte M***** von den Rücktrittsmöglichkeiten des § 16 Abs 1 und 2 StGB nur bei freiwilliger Verhinderung der Tatausführung nach § 16 Abs 1 zweiter Fall StGB Straffreiheit erlangt haben (vgl. Leukauf-Steininger, aaO, § 16 RN 12; Foregger-Serini, aaO, § 16 Anm IV). Für einen solchen strafbefreienden Rücktritt essentielle eigene Aktivitäten behauptet M***** aber selbst nicht. Der von ihm in diesem Zusammenhang zitierte Grundsatz der limitierten (quantitativen) Akzessorietät der Beihilfe (Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB) besagt bloß, daß die Strafbarkeit des Beitragstäters objektiv die Verwirklichung des Versuchsstadiums des Deliktes durch den geförderten unmittelbaren Täter voraussetzt (vgl. mwN Leukauf-Steininger, aaO, § 12 RN 50; Foregger-Serini, aaO, § 12 Anm

I) und ist daher für die Frage der Wirkung des bei einem Täter

vorliegenden Strafaufhebungsgrundes auf andere Tatbeteiligte - umsomehr bei der von den Geschworenen hier angenommenen Mittäterschaft nach § 12 erster Fall StGB - ohne Bedeutung.

Im übrigen lassen - bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des jeweiligen Sinngehaltes - weder die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Verantwortungspassagen des Angeklagten M***** (S 67 ff, 261 ff, 273) noch die relevierten Aussagen der Ehegatten M***** (S 268 ff, 271 ff) ein Verfahrensergebnis erkennen, demzufolge auch nur einer der beiden Angeklagten von der Verwirklichung des (gemeinsamen) Raubplanes freiwillig zurückgetreten und demgemäß eine Beurteilung der Tat bloß als (bereits vollendete) gefährliche Drohung ("qualifizierter Versuch" - vgl Leukauf-Steininger, aaO, § 16 RN 13; Foregger-Serini, aaO, § 16 Anm II) in Betracht gekommen wäre.

Soweit der Angeklagte M***** ferner eine (bloß Beitragshandlungen zur beabsichtigten Herauslockung von Bargeld erfassende) Eventualfrage in Richtung versuchten Betruges nach §§ 15, 146 StGB vermißt, genügt der Hinweis, daß Verfahrensergebnisse der Art, daß der Vorsatz dieses Angeklagten von vornherein lediglich auf die gemeinsame Begehung eines Betruges gerichtet war, die später bis zum Versuch verwirklichte Raubtat hingegen nicht auf einem einvernehmlichen Tatplan, sondern auf einem gesonderten, ausschließlich dem Mitangeklagten H***** als Alleintäter anzulastenden Tatentschluß beruht hätten, nicht vorliegen, er der Aussage des Zeugen M***** zufolge vielmehr im Zuge der Bedrohung gleichfalls ausdrücklich von M***** Geld forderte (S 271 ff).

Schließlich reklamiert der Angeklagte H***** zu Unrecht hinsichtlich seiner Person die Stellung einer Zusatzfrage nach einer alkoholisierungsbedingten tataktuellen Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB, wie auch einer Eventualfrage in Richtung der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB).

Der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte (ausgedehnte) Alkoholkonsum rückte entgegen dem Beschwerdevorbringen die Annahme einer die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit ausschließenden Volltrunkenheit (SSt 43/47 ua) des Angeklagten H***** zur Tatzeit nicht in jenen näheren Bereich der Möglichkeit, der den Schwurgerichtshof zur Stellung diesbezüglicher Zusatz- und Eventualfragen in Richtung der §§ 11; 287 StGB verpflichtet hätte. Denn abgesehen davon, daß ein allgemeiner Erfahrungssatz, bei Vorliegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration müsse Zurechnungsunfähigkeit vorliegen, nicht besteht (vgl mwN Leukauf-Steininger, aaO, § 11 RN 28 und § 287 RN 9; Foregger-Serini, aaO, § 287 Anm III), hat der Beschwerdeführer, der sich übrigens selbst nicht mit Volltrunkenheit verantwortete, im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung die Details der entscheidenden Ereignisse - ungeachtet des nunmehr in Abrede gestellten Raubvorsatzes - konkret geschildert, wobei er ausdrücklich bekundete, sich "an alles erinnern" zu können (S 260); er war demzufolge, unbeschadet des vorangegangenen Alkoholkonsums, zur Tatzeit durchaus in der Lage, die Tragweite des gemeinsamen Tatvorhabens zu erfassen.

Angesichts dieser Ergebnisse der Hauptverhandlung mangelt es an einem tatsächlichen Vorbringen, das die Annahme einer vollen Berauschung des Angeklagten H***** zur Tatzeit zumindest für möglich erscheinen läßt, sodaß die reklamierte zusätzliche Fragestellung nicht indiziert war.

Der von beiden Beschwerdeführern geübten Kritik an den Ausführungen der Rechtsbelehrung (Z 8) zum Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 StGB genügt es zu erwidern, daß sich die Rechtsbelehrung nach der Bestimmung des § 321 Abs 2 StPO auf den Inhalt der tatsächlich gestellten Fragen zu beschränken hat (Mayerhofer-Rieder StPO**n ENr 20 zu § 345 Z 8). Im übrigen wurden in der Rechtsbelehrung ohnehin - wenn auch überflüssigerweise - die Voraussetzungen der Strafbefreiung zufolge Rücktritts vom Versuch richtig und in für juristische Laien durchaus verständlicher Weise dargelegt (S 9 der schriftlichen Rechtsbelehrung Beilage B./ zu ON 43). Die vom Angeklagten M***** in der Rechtsmittelschrift (zutreffend) als Schreibfehler bezeichnete Auslassung eines Buchstabens bei Benennung des Begriffes "Strafbarkeitsgren(z)e" wäre im übrigen keinesfalls geeignet gewesen, die Geschworenen zu beirren (ÖJZ-LSK 1982/150).

Als unbegründet erweisen sich auch die Tatsachenrügen (Z 10 a), in welchen die beiden Angeklagten teils unter Wiederholung von schon im Rahmen der Einwände gegen die Fragestellung vorgebrachten Argumenten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch zur versuchten Raubtat getroffenen Tatsachenannahmen behaupten.

Der Einwand des Angeklagten H*****, es sei "realitätsfremd", davon auszugehen, daß Mato M***** als angebliches Opfer eines durch Bedrohung mit einer Pistole und Abfeuern eines Schusses gekennzeichneten Raubüberfalles in der Lage war, einen Nebenraum aufzusuchen und die Sicherheitsbehörde fernmündlich zu verständigen, richtet sich bloß gegen die allein den Geschworenen obliegende Beweiswürdigung, ohne erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der insoweit entscheidungswesentlichen Tatsachen aufzuzeigen.

Dies gilt gleichermaßen für das weitere Beschwerdevorbringen, welches unter Erörterung des Beweiswertes einzelner - zum Teil nicht aktengetreu wiedergegebener - Verfahrensergebnisse darauf abzielt, einer für die Angeklagten günstigeren Tatvariante zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Rechtsrügen der beiden Angeklagten, die sich in der bloß nominellen Anführung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO erschöpfen, sind mangels jeder Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich (§§ 344, 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO). Daß die gesetzmäßige Darstellung einer Subsumtionsrüge (Z 12) ein Festhalten am Inhalt des Wahrspruches der Geschworenen erfordert und keinesfalls einen Rückgriff auf einzelne Verfahrensergebnisse gestattet, sei in diesem Zusammenhang nur noch der Vollständigkeit halber festgehalten.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB - unter Anwendung bei Dzafer H***** des § 28 Abs 1 StGB und bei Rifat M***** des § 41 Abs 1 Z 3 StGB - Freiheitsstrafen, die es bei H***** mit acht Jahren und bei M***** mit vier Jahren festsetzte. Es wertete dabei als erschwerend bei Dzafer H***** die tatsächliche Schußabgabe, die zwei einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall (rund fünfeinhalb Monate nach der letzten Verurteilung) und das Zusammentreffen (zweier) strafbarer Handlungen. Als mildernd wurde hingegen bei beiden Angeklagten die Versuchseigenschaft der Raubtat berücksichtigt, bei H***** außerdem das Tatsachengeständnis zum Schuldspruch nach dem Waffengesetz sowie bei M***** die "Unbescholtenheit" und untergeordnete Tatbeteiligung.

Den Berufungen der beiden Angeklagten, mit denen sie jeweils eine Strafreduktion - H***** unter Anwendung des § 41 StGB und M***** bis an die Untergrenze dieser außerordentlichen Strafmilderung - sowie außerdem eine (Dzafer H*****: teilweise) bedingte Strafnachsicht begehren, muß durchwegs ein Erfolg versagt bleiben.

Den Berufungsausführungen zuwider wertete das Geschworenengericht mit Recht die Alkoholisierung des Angeklagten H***** zur Tatzeit nicht als mildernd, war ihm doch zumindest seit seiner letzten Verurteilung zum AZ 2 b Vr 2350/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien u.a. wegen gefährlicher Drohung und versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt, welche Delikte er jeweils unter Alkoholeinwirkung begangen hatte, bekannt, daß er in alkoholisiertem Zustand zur Gewaltanwendung neigt. Zu der vom Angeklagten H***** auch im Rahmen der Berufung wiederum behaupteten freiwilligen Abstandnahme von der Deliktsvollendung genügt der Hinweis auf den insoweit rechtskräftigen Schuldspruch.

Zu Recht wurde aber auch die über die Qualifikationserfordernisse nach § 143 zweiter Fall StGB hinausgehende (tatsächliche) Schußabgabe durch H***** als Erschwerungsumstand gewertet; zudem wurde das Tatopfer durch die Schußabgabe in einem geschlossenen Raum und nahe am Körper vorbei tatsächlich erheblich gefährdet.

Dem Angeklagten M***** hinwieder kommt zwar der Milderungsumstand nach § 34 Z 2 StGB uneingeschränkt zugute, der über die vom Erstgericht berücksichtigte Unbescholtenheit (iS fehlender gerichtlicher Vorverurteilungen) hinaus seinen bisher ordentlichen Lebenswandel und einen auffallenden Widerspruch der Straftat mit seinem sonstigen Verhalten voraussetzt; ebenso schlägt eine gewisse Beeinträchtigung durch Alkohol (s SV-Gutachten ON 37) zur Tatzeit gemäß § 35 StGB zu seinen Gunsten aus.

Von den vorgenommenen Korrekturen hinsichtlich M***** abgesehen berücksichtigte das Geschworenengericht die Strafzumessungsgründe bei beiden Angeklagten zutreffend und vollständig. Es maß ihnen aber auch, und zwar einschließlich des in der Berufung des Angeklagten H***** relevierten Milderungsumstandes des bloßen Versuchsstadiums beim Raub das ihnen zukommende Gewicht bei und schöpfte hinsichtlich beider Angeklagter schuldangemessene Freiheitsstrafen.

Für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB fehlten bei H***** die gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. Leukauf-Steininger aaO § 41 RN 4 ff).

Für die Höhe der bei M***** geschöpften Unrechtsfolge mußten die oben angeführten Korrekturen der Strafzumessungsgründe angesichts der ohnedies bereits angewendeten außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB ohne Auswirkung bleiben. Auch unter Bedacht auf die geänderte Basis der Strafbemessungstatsachen und unter entsprechender Gewichtung der untergeordneten Tatbeteiligung dieses Angeklagten ist die verhängte Freiheitsstrafe durchaus tatschuldadäquat und damit keiner (weiteren) Ermäßigung zugänglich.

Bei dem sohin gegebenen Ausmaß der Freiheitsstrafen schließlich ist eine bedingte oder teilbedingte Freiheitsstrafe schon kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§§ 43 Abs 1, 43 a Abs 4 StGB) nicht mehr möglich.

Beide Berufungen mußten daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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