Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zur Entscheidung über den Antrag der klagenden Partei auf Bestellung eines anderen Verfahrenshelfers zurückgestellt.
Text
Begründung
Mit Urteil des Erstgerichtes vom 4. Februar 1993 wurde die in den verbundenen Rechtssachen 3 Cg 240/93 und 3 Cg 162/90 erhobenen Begehren der klagenden Partei auf Zahlung von Beträgen von S 393.000 sA und S 200.000 sA abgewiesen. Das Oberlandesgericht Wien gab der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde an den im Rahmen der Verfahrenshilfe für die klagende Partei bestellten Rechtsanwalt am 10. November 1993 zugestellt.
Am 24. November 1993 langten beim Erstgericht zwei Schriftsätze mit den Unterschriften "Maria K*****" und "M***** Jf", letztere mit dem Beisatz "bevollmächtigt" versehene Schriftsätze ein; beide trugen nicht die Unterschrift eines Rechtsanwaltes. Maria K***** ist seit 23. September 1993 die einzige Geschäftsführerin der klagenden Partei.
Nach dem Inhalt des einen dieser Schriftsätze wurde Rekurs gegen die Kostenentscheidung des berufungsgerichtlichen Urteiles erhoben; dieses Rechtsmittel wurde vom Erstgericht ohne weiteres Verbesserungsverfahren mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Anfechtung einer zweitinstanzlichen Entscheidung im Kostenpunkt ausgeschlossen sei.
Die zweite Eingabe wurde wohl als Rekurs bezeichnet und die Anfechtung eines Beschlusses erklärt, tatsächlich wird nach dem Inhalt dieser Eingabe jedoch das Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft und dessen Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung beantragt. Im weiteren wird in dem Schriftsatz ausgeführt, daß, wenn die Unterschrift eines Rechtsanwaltes erforderlich wäre, neuerlich die Verfahrenshilfe beantragt werden müsse, weil der beigegebene Rechtsanwalt nicht herangezogen werden könne; er teile die Meinung der klagenden Partei nicht, weil er befürchte anderweitig benachteiligt zu werden. Es möge ein anderer Rechtsanwalt, nach Möglichkeit nicht aus St. Pölten, beigegeben werden, weil ein "dort ansässiger Anwalt mit dem Gerichtshof konfrontiert sei".
Das Erstgericht trug der klagenden Partei die Verbesserung dieser Eingabe durch Beibringung der Unterschrift eines Rechtsanwaltes auf und stellte die Eingabe mit diesem Verbesserungsauftrag an den im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt zu. Dieser legte die Eingabe nach Unterfertigung auf einer dieser angefügten Alonge wieder vor. Im Vorlageschriftsatz regte auch er an, einen anderen Rechtsanwalt zu bestellen, weil die Vorwürfe in dem Schriftsatz zeigten, daß die für eine ordnungsgemäße Vertretung erforderliche Vertrauensbasis nicht mehr bestehe. Seiner Meinung nach lägen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nicht vor.
Das Erstgericht legte die Akten zur Entscheidung über die außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 505 Abs 2 ZPO iVm § 464 Abs 3 ZPO beginnt für eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei dann, wenn sie innerhalb der Revisionsfrist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an den beigegebenen Rechtsanwalt. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes abgewiesen, so beginnt die Rechtsmittelfrist mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses.
Der Oberste Gerichtshof hat die Frage verschieden beantwortet, wann die Rechtsmittelfrist zu laufen beginnt, wenn einer Partei neuerlich ein Rechtsanwalt beigegeben wird, obwohl dies schon früher geschah und der früher beigegebene Rechtsanwalt noch zur Vertretung der Partei befugt ist. In den Entscheidungen 6 Ob 161/64 und RZ 1988, 109 wurde die Auffassung vertreten, daß durch die neue Beigabe eines Rechtsanwaltes keine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt werde. In den Entscheidungen 8 Ob 182/70, 8 Ob 14/71 und 1 Ob 194 - 196/71 heißt es hingegen, daß die Bestellung eines neuen Vertreters zwar nicht dem Gesetz entspreche, daß sie aber doch "als Tatsache" hingenommen werden müsse, weshalb die Rechtsmittelfrist gemäß § 464 Abs 3 ZPO (in der damals noch anzuwendenden, im wesentlichen aber unverändert gebliebenen Fassung vor dem VerfahrenshilfeG BGBl 1973/569) mit der Zustellung der Entscheidung an den neuen Rechtsanwalt zu laufen beginne. In jüngster Zeit ist der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SSV-NF 5/32 der zweiten Ansicht gefolgt. Der erkennende Senat tritt dieser Ansicht bei, weil diese besser dem Wortlaut des § 464 Abs 3 ZPO entspricht. Daraus ist nämlich abzuleiten, daß grundsätzlich jeder Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes die Wirkung der Unterbrechung des Verfahrens hat. Die Erwägungen, die den Obersten Gerichtshof veranlaßten, in der Entscheidung RZ 1987/9 eine neue Unterbrechung abzulehnen, wenn ein früherer Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes rechtskräftig abgewiesen wurde, treffen hier nicht zu (SSV-NF 5/32).
Daraus ergibt sich, daß durch den von der klagenden Partei in ihrer Eingabe gestellten Antrag auf Beigabe eines anderen Rechtsanwaltes die Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision unterbrochen wurde und noch immer offen steht. Das Erstgericht wird über diesen Antrag zu entscheiden und den Akt nach Ablauf der Revisionsfrist wieder zur Entscheidung vorzulegen haben.
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