Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Vermögen der Firma T***** Gesellschaft mbH wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 9.11.1992 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Die Klägerin hat mit der Gemeinschuldnerin einen Factoringvertrag abgeschlossen, der Beklagte hat aus Rechnungen der unselbständigen Zweigstelle der Gemeinschuldnerin in S***** von Kunden in der Bundesrepublik Deutschland aus vor der Konkurseröffnung erfolgten Lieferungen und erstellten Rechnungen einen Betrag von 500.000,-- S erhalten. Diese Rechnungen wiesen keinen Zessionsvermerk auf, es war auch ein diesbezüglicher Buchvermerk nicht angebracht.
Die Klägerin begehrt unter anderem aus den außer Streit gestellten Rechnungen bzw. diesen zugrundeliegenden Lieferungen die Zahlung von 500.000,-- S mit der Begründung, diese Forderungen seien im Hinblick auf die kaufweise Abtretung durch die Gemeinschuldnerin im Rahmen des Factoring-Vertrages vor Konkurseröffnung in ihr Eigentum übergegangen.
Der Beklagte wendete ein, die Forderungen seien weder wirksam verkauft, noch mit der notwendigen Publizitätswirkung sicherheitshalber zediert worden.
Das Erstgericht gab dem darauf gerichteten Klagebegehren mit Teilurteil statt, wobei es über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend folgende Feststellungen traf:
Zwischen der Klägerin und der unselbständigen Niederlassung der Gemeinschuldnerin in S***** wurde am 25.7.1990 folgender Factoring-Vertrag geschlossen:
"Sie verkaufen und treten uns alle Ihre Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen ab, die Sie im Rahmen Ihres Geschäftsbetriebes nach dem 15.7.1990 erbringen.
Wir kaufen und übernehmen diese Forderungen.
Der Kaufpreis für die einzelnen Forderungen entspricht dem jeweiligen Fakturenbetrag, vermindert um Skonti und sonstige vereinbarte Abzüge seitens Ihrer Abnehmer sowie eines Abschlages von b.a.w. 0,15 % zuzüglich MwSt. Dieser Abschlag wird wöchentlich separat angelastet.
Die Frist gemäß § 3 (2) der Allgemeinen Factoring-Bedingungen beträgt 60 Tage.
Wir erklären uns bereit, gemäß § 4 der Allgemeinen Factoring-Bedingungen b.a.w. Anzahlungen auf den Kaufpreis bis 80 % der angekauften Forderungen bis maximal 150 Tage zu leisten. Für die Inanspruchnahme solcher Bevorschussungen stellen wir Ihnen während der Vertragslaufzeit einen Rahmen von öS 500.000,-- zur Verfügung.
Für diese vor Fälligkeit des Kaufpreises geleisteten Zahlungen wird b. a.w. ein Abschlag auf Basis einer kontokorrentmäßigen Verzinsung von 11 % p.a. jeweils am Monatsende berechnet.
Außerdem werden Sie uns für die Dauer unserer Zusammenarbeit nachstehende Unterlagen zur Verfügung stellen:
1. Debitorenliste und Diskette 14-tägig:
Inhalt: ...
2. Debitorenjournal 14-tägig:
Inhalt: ...
3. Kreditorenstände monatlich.
Sollen Überweisungen Ihrer Hausbank jeweils telefonisch avisiert werden, wird ein Telefonspesen- und Manipulationsbeitrag von öS 60,-- zzgl. MWSt pro durchgeführter Überweisung in Rechnung gestellt.
Der Factoring-Vertrag ist bis 14.7.1995 wirksam.
Es steht jedoch beiden Vertragspartnern das Recht zu, diesen Vertrag unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres zu kündigen.
Für den Factoring-Vertrag und dessen Änderung sind Schriftlichkeit gemäß § 884 ABGB vereinbart.
Die Allgemeinen Liefer- (Leistungs-) und Zahlungsbedingungen Ihres Unternehmens sowie die beiliegenden Allgemeinen Factoring-Bedingungen sind wesentlicher Bestandteil des Factoring-Vertrages, desgleichen alle der Individualisierung der angekauften Forderungen dienenden Unterlagen.
Dieser Vertrag wird erst mit Ihrer firmenmäßigen Fertigung und nach Zustimmung unserer Gremien wirksam, von der wir Sie unverzüglich in Kenntnis setzen werden."
Die der Factoring-Vereinbarung zugrundegelegten Allgemeinen Factoring-Bedingungen haben unter anderem folgenden Wortlaut:
"§ 1 Gegenstand des Vertrages.
(1) Gegenstand des Factoring-Vertrages sind alle Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen aus dem Geschäftsbetrieb desjenigen, der mit der I***** Factoring Gesellschaft mbH (I*****) den Factoring-Vertrag abgeschlossen hat (Lieferant), samt allen Nebenrechten, insbesondere des Eigentumsvorbehaltes.
(2) Die zur Übertragung der Nebenrechte notwendigen Handlungen hat der Lieferant vorzunehmen.
§ 2 Gewährleistung.
Der Lieferant haftet bis zur Höhe des Kaufpreises für Richtigkeit und Einbringlichkeit der Forderungen.
§ 3 Fälligkeit.
(1) Der Kaufpreis für die einzelnen Forderungen ist nach Eingang der von den Abnehmern an I***** auf diese Forderungen geleisteten Zahlungen fällig.
(2) I***** ist berechtigt, die Aufhebung des Kaufvertrages über bestimmte Forderungen zu erklären, wenn diese nach Fälligkeit bis zu einem zwischen dem Lieferanten und I***** vereinbarten Termin nicht voll bezahlt sind. Mit Erklärung der Aufhebung gilt die Rückübertragung der Forderung als durchgeführt.
(3) In diesem Fall hat der Lieferant auf solche Forderungen entfallende Anzahlungen sowie die vereinbarten Zinsen unverzüglich abzudecken.
§ 4 Anzahlungen.
(1) Über Antrag des Lieferanten kann von I***** auf den Kaufpreis der Forderungen die Leistung von Anzahlungen zugesagt werden.
(2) I***** ist berechtigt, Anträge auf Anzahlungen ohne Abgabe von Gründen abzulehnen, jederzeit bestimmte Forderungen von dieser Zusage auszunehmen sowie jederzeit bereits geleistete Anzahlungen fällig zu stellen.
§ 5 Verrechnung.
(1) I***** ist berechtigt, ihre Forderungen gegen den Lieferanten aus welchem Titel immer mit ihren Verbindlichkeiten gegen diesen aufzurechnen.
(2) Beträge, mit denen der Lieferant gegenüber Intermarket in Verzug ist, sind ab Fälligkeit zu verzinsen. Diese Verzugszinsen liegen 2 % über dem im Vertrag vereinbarten Zinssatz.
(3) ...
§ 6 Sicherheiten.
Vom Lieferanten bestellte Sicherheiten haften für alle Forderungen der I***** gegen ihn aus dem Factoring-Vertrag. I***** kann jederzeit die Bestellung von Sicherheiten bzw. zusätzlicher Sicherheiten verlangen.
§ 7 Geschäftsabwicklung.
....
§ 8 Gemeinsame Bestimmungen.
(1) ...
(2) Der Lieferant hat alle Informationen über die von I***** angekauften Forderungen sowie über seine Abnehmer an I***** weiterzuleiten, soweit diese im Rahmen des Factoring-Vertrages für die Einbringlichkeit der Forderungen von Bedeutung sind. Erteilte Gutschriften und Warenretouren sind laufend zu melden.
(3) I***** kann alle Maßnahmen setzen, die zur Einbringung der Forderungen nach ihrer Ansicht nützlich und notwendig sind.
(4) Der Lieferant hat I***** spätestens 6 Monate nach dem für sein Unternehmen geltenden Bilanzstichtag eine ordnungsgemäß gefertigte Steuerbilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung zu übersenden.
(5) Die von I***** beauftragten Personen haben das Recht, jederzeit in die Geschäftsbücher und die sonstigen Unterlagen des Lieferanten Einsicht zu nehmen.
(6) I***** ist berechtigt, über den Lieferanten Informationen, insbesondere durch Einsicht in Akten der Finanzbehörden, der Gerichte, sonstiger Behörden, Körperschaften und Sozialversicherungsanstalten sowie durch mündliche Auskünfte von diesen Stellen und durch Auskünfte von allen übrigen privaten oder amtlichen Stellen einzuholen.
(7) ...
(8) ...
(9) Der Lieferant darf Forderungen gegen I***** nicht mit Verbindlichkeiten gegenüber I***** aufrechnen.
§ 9 Auflösung des Vertrages.
(1) Kommt der Lieferant seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nach oder erscheint deren Erfüllung gefährdet, stellt der Lieferant die Geschäftstätigkeit ein oder wird über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet, ist I***** berechtigt, den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen.
(2) Bei Beendigung der Geschäftsverbindung ist der Lieferant verpflichtet, seine Verbindlichkeiten gegenüber I***** unverzüglich abzudecken oder, soweit dies nicht möglich ist, bankmäßige Sicherheiten zu leisten.
(3) Mit Beendigung dieses Vertrages ist I***** berechtigt, sämtliche Forderungen rückzuverkaufen. Die Rückübertragung wird durch einseitige schriftliche Erklärung der I***** rechtswirksam.
§ 10 Schlußbestimmungen.
..."
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht unter Berufung auf Welser-Czermak, Zur Rechtsnatur des Factoring-Geschäftes, RdW 1985, 130 f die Ansicht, die Kundenforderungen der Gemeinschuldnerin seien durch Kauf in die Rechtszuständigkeit der klagenden Partei gelangt. Die gegenständlichen AFB seien zwar wesentlich kürzer gehalten als jene, welche der Untersuchung von Welser-Czermak zugrundeliegen, sie wiesen jedoch die für die rechtliche Wertung maßgeblichen Bestimmungen in ähnlicher Form auf. Die Einräumung eines Rahmens für die Inanspruchnahme der Bevorschussung habe ihren Grund im Gebührengesetz, zumal das Factoring im § 1 Abs.2 Z 12 KWG als Bankgeschäft angeführt sei und § 33 TP 19 Abs.3 Gebührengesetz das Factoring auch unter Verweis auf die Definition des § 1 Abs.2 Z 12 KWG den Kreditverträgen gleichstelle. Die Begrenzung der Bevorschussung der abgetretenen Forderungen im Ausmaß von 80 % für die Dauer von 150 Tagen spreche ebenfalls nicht gegen die Qualifikation als Kaufvertrag, weil die Klägerin gemäß § 3 Abs.2 der AFB berechtigt sei, die Aufhebung des Kaufvertrages über bestimmte Forderungen zu erklären, wenn diese nach Fälligkeit bis zu einem zwischen dem Lieferanten und dem Factor vereinbarten Termin nicht voll bezahlt seien. Da für die Rechtswirksamkeit der kaufweisen Abtretungen ein Publizitätsakt nicht erforderlich sei, sei das Begehren auf Zahlung der im Eigentum der Klägerin stehenden Kaufpreise im außer Streit gestellten Ausmaß von 500.000,-- S berechtigt.
Das von den Beklagten angerufene Berufungsgeicht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab und führte aus, schon Welser-Czermak würden mit ihrer Untersuchung auf der Basis wesentlich umfangreichen Factoring-Bedingungen als der vorliegenden die fließende Grenze zwischen Dienstleistungs- und Kaufvertrag überschreiten. Die vorliegenden Vertragsbedingungen würden noch wesentlich schwächere Kaufvertragselemente bieten, sodaß nicht mehr gesagt werden könne, dieses Factoring als Finanzierungsinstitut habe doch im Kaufvertrag seine wesentliche Grundlage. Die Bevorschussung der zedierten Forderungen sei nicht etwa deshalb zu 80 % erfolgt, weil die Einbringlichkeit von vornherein im vollen Umfang nicht feststehe und aus diesem Grund dem Zessionar eine gewisse Risikoquote zustehe, sondern sollte die Zession nach § 3 der Factoring-Bedingungen erst nach Eingang der Valuta vom Kunden der späteren Gemeinschuldnerin endgültig wirksam werden. Überdies hätte die klagende Partei das Recht, einzelne Forderungen von der Kreditierung auszunehmen. Die Bevorschussung mit 80 % habe nicht der Bedeckung des Kaufes gedient, sondern sollte lediglich das Risiko des Kreditgebers in Grenzen halten. Die Sicherungszession würde aber eine Individualisierung der zedierten Forderungen und zumindest die Schuldnerverständigung als Mindesterfordernis der Publizität zur Voraussetzung haben. Der Kreditgeber könne nicht einerseits die Außenstände des Kreditnehmers als jederzeit korrigierbaren Deckungsfonds behandeln, bei Konkurseröffnung aber dann geltend machen, die späteren, vom Schuldner kassierten Forderungen hätten in Wahrheit schon ihm gehört. In Wahrheit habe er nämlich die Einbringung dem Schuldner überlassen und der Fakturenbetrag sollte ihm nur Gewähr verschaffen, daß ihm die Eingänge als Kreditgeber allein zukommen und nicht auch noch anderen Gläubigern des späteren Gemeinschuldners. Die Aussonderung der Eingänge aus der Konkursmasse scheitere daran, daß die Zessionen nicht auf einem echten Kaufvertrag beruhten und die für eine Sicherungszession notwendige Publizität fehle. Das mit Gewährleistungsrückgriff versehene unechte Factoring könne nicht noch weiter abgeschwächt werden.
Die ordentliche Revision wurde mit der Begründung für zulässig erklärt, daß zur Frage der Wirkung der Zession an den Factor im Konkurs des Zedenten noch keine Rechtsprechung vorliege.
Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Die klagende Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, bei der zwischen ihr und der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Vereinbarung handle es sich um einen Kaufvertrag; die Abtretung der Forderungen stelle keine Sicherungszession dar, sodaß es eines besonderen Publizitätsaktes nicht bedurfte.
Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat aus folgenden Erwägungen an:
Die Frage der rechtlichen Zuordnung des zwischen der Gemeinschuldnerin und der klagenden Partei abgeschlossenen Factor-Vertrages ist für die Entscheidung relevant, weil die Wirksamkeit einer nur zur Sicherung vereinbarten Abtretung einer Forderung davon abhängt, daß dieselben Formen der Übergabe eingehalten werden, die Voraussetzung eines gültigen Pfandrechtserwerbes sind (SZ 46/24; SZ 48/2; BankArch 1992, 392); diese besonderen Publizitätsakte wurden im vorliegenden Fall aber nicht gesetzt. Der von der Klägerin geltend gemachte Aussonderungsanspruch setzt daher voraus, daß sie Käufer der Forderungen der Gemeinschuldnerin ist (Welser-Czermak, Zur Rechtsnatur des Factoring-Geschäftes, 130 ff [132]).
Wenngleich § 1 Abs.2 Z 13 KWG das Factoring-Geschäft als den Ankauf von Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen, die Übernahme des Risikos der Einbringlichkeit solcher Forderungen und im Zusammenhang damit den Einzug solcher Forderungen bezeichnet, kann diese Gesetzesbestimmung für die Beurteilung der zivilrechtlichen Zuordnung des Factoring nicht herangezogen werden, da das KWG und auch das GebG das Factoring nicht zivilrechtlich beurteilen (Welser-Czermak, aaO, 131).
Die österreichische Rechtsprechung hat bisher noch keine präzise Stellungnahme zur rechtlichen Einordnung des Factoring gegeben (zur Analyse der Judikatur siehe Welser-Czermak, aaO, 132 f).
Die überwiegende Lehre in Österreich vertritt die Ansicht, daß das Factoring unabhängig von der Übernahme der Delkrederefunktion ein Kaufvertrag sei (Welser-Czermak, aaO, Iro in Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht II [1993], Rz 2/10 f; Jud, Neuere Rechtsentwicklung im Factoring-Geschäft, QuHGZ 1981, H 3, 45).
Auszugehen ist davon, daß das Factoring in sehr verschiedenen Erscheinungsformen auftreten kann (siehe hiezu Iro, aaO, Rz 2/3), sodaß eine verbindliche Aussage für alle als "Factoring" bezeichneten Rechtsgeschäfte nicht getroffen werden kann.
Ohne Zweifel weist die im vorliegenden Fall zwischen der klagenden Factoring-Gesellschaft und der Gemeinschuldnerin abgeschlossene Vereinbarung eine eindeutige kaufvertragliche Ausrichtung auf: Es ist vom "Verkaufen" und "Kaufen" die Rede, es wird mehrfach vom "Kaufpreis" gesprochen und stellt die Vorfinanzierung durch den Factor eine "Anzahlung" dar. Wenngleich der Einwand des Beklagten, diese Formulierungen seien auf den Factor zurückzuführen, sicher zutreffend ist, so ändert dies nichts daran, daß auch die Gemeinschuldnerin diese Vereinbarung unterfertigt hat, sodaß davon auszugehen ist, daß auch sie entsprechende Willenserklärungen abgegeben hat. Die klar geäußerte Präferenz der kaufvertraglichen Ausgestaltung des Factoring ist grundsätzlich zu respektieren; solange das Rechtsverhältnis noch als - wenn auch in verschiedenen Punkten modifizierter - Kaufvertrag qualifiziert werden kann, sind auch die entsprechenden gesetzlichen Regeln anzuwenden (Iro, aaO, Rz 2/12). Sicherlich trifft es zu, daß beim Factoring die Verschaffung von Geldmitteln im Vordergrund steht, doch kann dies bei noch nicht fälligen Forderungen sowohl im Wege eines Verkaufs solcher Forderungen erfolgen als auch durch einen Kreditvertrag (siehe hiezu Welser-Czermak, aaO, 134 f). Der vom Beklagten mehrfach gemachte Einwand, bei dem gegenständlichen Vertrag müsse es sich aufgrund der Geldverschaffungsfunktion um einen Kreditvertrag handeln, dessen Rückzahlung durch die zahlungshalber zedierte Forderung erfolgen solle, spricht daher nicht gegen die Qualifikation als Kaufvertrag, weil, wie schon erwähnt, auch durch die Annahme eines Kaufvertrages dieser Vertragszweck erreicht werden kann.
Zu prüfen ist daher, ob die im vorliegenden Fall vorgesehenen Abweichungen vom Kaufvertragsrecht so beschaffen sind, daß sie zur Annahme eines Kreditvertrages nötigen. Dies ist zu verneinen:
Wenngleich § 3 Abs.1 der vorliegenden AFB, wonach der Kaufpreis nach Eingang der von den Abnehmern auf die Forderungen geleisteten Zahlungen fällig ist, mit dem Zug-um-Zug-Prinzip der §§ 1052, 1062 ABGB nicht im Einklang steht, spricht dies nicht dagegen, den Vertrag als Kaufvertrag zu qualifizieren, weil das Zug-um-Zug-Prinzip nachgiebiges Recht ist und die Parteien davon abgehen können, ohne dadurch die Natur des Geschäfts als Kaufvertrag zu verändern (Welser-Czermak, aaO, 135).
Auch § 3 Abs.2 der AFB, wonach die Factoring-Gesellschaft berechtigt ist, die Aufhebung des Kaufvertrages über bestimmte Forderungen zu erklären, wenn diese 60 Tage nach Fälligkeit nicht voll bezahlt sind, spricht nicht gegen die Annahme eines Kaufvertrages, weil es doch zweifellos möglich ist, die gesetzlichen Gewährleistungsregeln einvernehmlich zu modifizieren und insbesondere auch eine Verbesserung der Position des Berechtigten zu vereinbaren (Iro, aaO, Rz 2/14; Welser-Czermak, aaO, 137). Wenngleich gegen die Rechtswirksamkeit des letzten Satzes des Abs.2 des § 3 der AFB, wonach mit Erklärung der Aufhebung die Rückübertragung der Forderung als durchgeführt gilt, im Hinblick auf § 933 ABGB Bedenken bestehen, spricht diese Vertragsklausel nicht für das Vorliegen eines Kreditgeschäftes und einer sicherungsweisen Zession der Forderungen. Die Parteien haben sich durch diese Vertragsbestimmung einen zum Teil von der Lehre (Reischauer in Rummel2, Rz 1 zu § 933 ABGB) vertretenen Standpunkt zueigen gemacht, wonach auch außergerichtliche Gestaltung zur Geltendmachung der Gewährleistung ausreiche. Ob dieser Standpunkt auch von der Judikatur gebilligt werden wird, ist hier nicht zu beurteilen.
Auch die im § 4 der AFB vorgesehene Bevorschussung durch die Factoring-Gesellschaft spricht nicht für die Annahme eines Darlehens. Aus § 354 HGB ergibt sich, daß auch die vorgesehene Verzinsung kein Argument für einen Kredit ist, vielmehr kann auch ein zu verzinsender Vorschuß Vorauszahlung auf den Kaufpreis sein (Welser-Czermak, aaO, 135 f). Auch das im Abs.2 des § 4 der AFB vorgesehene Recht der Factoring-Gesellschaft, Anträge auf Bevorschussung ohne Angabe von Gründen abzulehnen, weist auf kein Kreditgeschäft hin. Die Annahme einer Zession zahlungshaber zur Tilgung der Kreditforderung hätte zur Folge, daß der Factor unmittelbar auf das Grundverhältnis zurückgreifen könnte, wenn der Schuldner nicht leistet und daß er einen den Vorschuß übersteigenden Mehrerlös an den Unternehmer herausgeben müßte. Umgekehrt hätte der Factor keine weiteren Ansprüche gegen den Unternehmer, wenn der vom Schuldner bezahlte Betrag zwar nicht das Nominale der Forderung, wohl aber den kreditierten Betrag erreicht. All dem widerspricht die Regelung der AFB: Der Factor hat danach keinen direkten Rückgriff auf ein Grundverhältnis, sondern kann gegen den Unternehmer nur mit Gewährleistungsansprüchen vorgehen, wenn sich die Forderung als unrichtig oder uneinbringlich erweist. Er hat das Recht auf das volle Nominale, sein Anspruch ist nicht durch die Höhe des Vorschusses begrenzt. Der Factor muß also nicht das vom debitor cessus Erlangte in voller Höhe herausgeben, sondern schuldet nur den Restkaufpreis (Welser-Czermak, aaO, 138).
Die Frage, wer die Debitorenbuchhaltung führt, ist für die Abgrenzung Kauf-Kredit nicht von Relevanz.
Zusammenfassend ergibt sich, daß aus der hier vorliegenden Gestaltung der Factoring-Vereinbarung kein durchschlagender Grund für ihre Einordnung als Kreditvertrag gewonnen werden kann. Daraus folgt, daß dem deutlich geäußerten Parteiwillen der Vorrang einzuräumen und von einer kaufvertraglichen Konstruktion auszugehen ist.
Auf die Frage der konkursrechtlichen Anfechtbarkeit der Factoring-Vereinbarung ist nicht mehr einzugehen, weil dieser Einwand in der Berufung nicht mehr ausgeführt wurde (MR 1989, 52).
Es war sohin der Revision der klagenden Partei Folge zu geben und das klagsstattgebende Teilurteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 Abs.2 ZPO.
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