Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 503,04 S Umsatzsteuer mit 3.018,24 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht wies das (von ihm umformulierte) (Haupt)begehren, die Beklagte habe dem Kläger aus Anlaß der von ihm erlittenen Berufskrankheit eine "Entschädigung im gesetzlichen Ausmaß" zu gewähren, ab, stellte aber in Stattgebung des in diesem Leistungsbegehren eingeschlossenen Eventualbegehrens fest, daß "die Gesundheitsstörung des Klägers Folge einer Berufskrankheit im Sinne des Gesetzes" sei.
Nach den wesentlichen Feststellungen war der Kläger während seiner Tätigkeit als Rohrschlosser in einer Zuckerfabrik regelmäßig einer erhöhten Staubeinwirkung ausgesetzt. Er leidet an einer Atemwegeobstruktion iS der Lfd Nr 41 der Anlage 1 zum ASVG. Eine Hauptursache dieser Erkrankung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Vorschaden der Bronchialschleimhaut durch jahrelangen, erheblichen Nikotinmißbrauch. Mitursächlich für diese Erkrankung sind aber zweifellos auch durch die inhalativen Schadstoffbelastungen (während der Ausübung der die Versicherung begründenden Tätigkeit) aufgetretene subakute Krankheitssymptome einer Atemwegeobstruktion. Die berufsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit ist mit 10 vH einzuschätzen.
Deshalb sei das (Haupt)begehren abzuweisen, jedoch dem darin eingeschlossenen Eventualbegehren stattzugeben gewesen, weil die in der Lfd Nr 41 der Anlage 1 zum ASVG bezeichnete Berufskrankheit vorliege.
Der Kläger ließ die Abweisung des Hauptbegehrens unangefochten. Die Beklagte erhob dagegen, daß dem Eventualbegehren stattgegeben wurde, Berufung, in der sie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.
Dem Kläger sei der Beweis gelungen, daß die Berufskrankheit durch die inhalative Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz mitverursacht worden sei und daß die berufliche Komponente seine Erwerbsfähigkeit um 10 vH gemindert habe.
In der Revision macht die Beklagte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend und beantragt, das angefochtene Urteil durch (gänzliche) Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Beklagte meint, daß die Schadstoffeinwirkungen am Arbeitsplatz nur eine mitwirkende Ursache iS einer Gelegenheitsursache für die hauptsächlich durch den erheblichen Nikotinmißbrauch verursachte Atemwegeeinschränkung seien.
Nach § 177 Abs 1 ASVG gelten die in der Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Bedingungen als Berufskrankheiten, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen - das sind bei der unter der Lfd Nr 41 bezeichneten Berufskrankheit "Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lunge mit objektivem Nachweis einer Leistungsminderung von Atmung und Kreislauf" alle Unternehmen - verursacht sind.
Im vorliegenden Fall geht es um die Frage der mitwirkenden Verursachung, also um die Bewertung zweier realer Ursachen der Atemwegeobstruktion, von denen nur eine, nämlich die regelmäßige erhöhte Staubeinwirkung mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängt. Die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltende besondere Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung ist sowohl auf Arbeitsunfälle als auch auf Berufskrankheiten anzuwenden (Brackmann, Handbuch der SV II 58.Nachtrag 490mI; Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 148 letzter Abs). Nach dieser Theorie ist als Ursache unter Abwägung ihres Wertes im Verhältnis zu mitwirkenden Ursachen nur die Bedingung anzusehen, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat. Die Wesentlichkeit ist im Einzelfall nach der Anschauung des täglichen Lebens zu beurteilen. Bei der Verursachung eines Unfalls durch mehrere Ereignisse ist Kausalität zu bejahen, wenn eines davon den Kausalverlauf wesentlich mitbeeinflußt hat und der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Tritt eine Ursache gegenüber den anderen erheblich in den Hintergrund, fehlt die Kausalität. Die Rsp bezeichnet als wesentlich nur jene Bedingungen, ohne deren Mitwirkung der Erfolg zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in einem geringeren Umfang eingetreten wäre (SSV-NF 6/30). Da für den als Anspruchsvoraussetzung erforderlichen Ursachenzusammenhang eine wesentliche Mitwirkung genügt, müssen die schädigenden Einwirkungen und als deren Folge die Erkrankung nicht allein durch die Beschäftigung im Unternehmen verursacht worden sein. Auch außerberufliche Einflüsse können mitgewirkt haben; die versicherte Beschäftigung muß aber eine wesentliche Mitursache sein (Brackmann aaO II 58.Nachtrag 490mII; SSV-NF 4/83; 5/22; 6/30 ua).
Ein solcher wesentlicher Zusammenhang ist auch im vorliegenden Fall gegeben. Durch in der Lfd Nr 41 der Berufskrankheitenliste genannte Schadstoffe verursachte Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lunge gelten nach § 177 Abs 1 ASVG nur insoweit als Berufskrankheit, als sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem Unternehmen jeder Art verursacht sind. Dies steht hier fest, weil die Erkrankung der tieferen Atemwege nicht nur eine dem nichtversicherten privaten Bereich zuzuordnende Hauptursache, nämlich den jahrelangen, erheblichen Nikotinmißbrauch hat, sondern auch durch die der versicherten Beschäftigung zugehörigen jahrelangen Schadstoffeinwirkungen mitverursacht wurde. Da die Atemwegeerkrankung nur insoweit als Berufskrankheit gilt und die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen dieser berufsbedingten Schadstoffeinwirkungen um 10 vH gemindert wurde, kann diese Mitursache nicht als unwesentlich bezeichnet werden. Diese Minderung der Erwerbsfähigkeit löst zwar für sich allein betrachtet noch keinen Anspruch auf Versehrtenrente aus (§ 203 Abs 1 ASVG). Sie könnte aber bei mehreren Versicherungsfällen unter den im § 210 leg cit genannten Voraussetzungen zu einer solchen Entschädigung führen.
Das angefochtene Urteil ist daher zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG und dem nach § 2 Abs 1 leg cit auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 54 Abs 1 ZPO.
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