OGH 10ObS19/94

OGH10ObS19/9415.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Hofrat Robert List (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hubert S*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl und Dr. Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Oktober 1993, GZ 7 Rs 49/93-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2. März 1993, GZ 35 Cgs 62/92-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 27.9.1959 geborene Kläger erlernte keinen Beruf und war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag mit Unterbrechungen als Hilfsarbeiter, Tellerwäscher und Bauhilfsarbeiter tätig. Seit November 1989 geht er keiner Beschäftigung mehr nach. Unter Berücksichtigung sämtlicher Leidenszustände ist er in der Lage, noch leichte und mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Arbeiten unter ständiger Abwinkelung im Ellbogengelenk und Tischarbeiten mit ständigem Aufliegen des Ellbogens auf der Unterlage sind auf die Hälfte eines Tages einzuschränken. Akkord- und Fließbandarbeiten sowie das Lenken eines Kraftfahrzeuges scheiden aus. Unter Berücksichtigung dieses Leistungskalküls und bei Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeit und Ruhepausen sind ihm zusätzlich Arbeitspausen von dreimal eine halbe Stunde zu gewähren und zwar wegen krankheitsbedingt verminderter Leistungsbreite mit rascher Erschöpfbarkeit. Diese zusätzlichen Ruhepausen müssen frei wählbar sein und es dem Kläger ermöglichen, aus dem Arbeitsprozeß auszuscheiden und sich zurückzuziehen. Er ist verweisbar, anlernbar und unterweisbar.

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter lehnte mit Bescheid vom 4.5.1992 den Antrag des Klägers vom 19.9.1991 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab, da er nicht invalid sei.

Das Erstgericht erkannte den Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Leistung der Invaliditätspension ab 1.10.1991 als dem Grunde nach zu Recht bestehend und trug der Beklagten die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von monatlich S 6.500,-- auf. Der Kläger sei nicht mehr verweisbar, insbesondere auch nicht auf die allenfalls noch in Frage kommende Tätigkeit eines Hauswarts oder Hausbesorgers, weil dazu auch Tätigkeiten kämen, die zu bestimmten Tageszeiten zu verrichten seien und keinerlei Aufschub und Unterbrechung duldeten, wie etwa die Absicherung der Gehsteige durch Streuen im Winter und Schneeräumen. Gerade durch diese dauernde Bereitschaft werde der Zweck der zusätzlichen Arbeitspausen, nämlich die Vermeidung von arbeitsbedingten Streßfaktoren durch gänzliches Zurückziehen vereitelt. Der Kläger gelte daher als invalid nach § 255 Abs 3 ASVG.

Das Berufungsgericht wies infolge Berufung der Beklagten das Klagebegehren ab. Die Aufgaben eines Hauswarts oder Hausbesorgers seien in einem mehrtägigen, wöchentlichen oder auch mehrmonatigen bzw. saisonellen Ablauf zu erfüllen. Tätigkeiten, die zu bestimmten Tageszeiten zu verrichten seien und auch keinerlei Aufschub oder Unterbrechung duldeten, würden nur einen geringen Teil der Tagesarbeitszeit ausmachen, so daß die zusätzlichen Ruhepausen gewährleistet seien. Aus den festgestellten Tätigkeitsmerkmalen und den aus den §§ 3 ff Hausbesorgergesetz ersichtlichen Obliegenheiten (Reinigung, Wartung und Beaufsichtigung eines Hauses) ergebe sich, daß das Hausbesorgerdienstverhältnis durch weitgehende Freizügigkeit bei der Einteilung der Arbeitszeit, die die wöchentliche Normalarbeitszeit nicht überschreiten soll, gekennzeichnet sei. Die dem Hausbesorger obliegende Verpflichtung zur Schneeräumung und zum Streuen betreffe die Zeit von 6 bis 22 Uhr. Da der Hausbesorger keine fixe Arbeitszeit habe, könne er bei Schneefall oder Glatteis die an solchen Tagen einmal in der Woche oder im Monat zu verrichtenden Reinigungsarbeiten zurückstellen und sich vornehmlich der Schneeräumung und Streuung der Gehsteige widmen. Im Laufe eines solchen Arbeitstages sei es ihm möglich, nach Erschöpfung der Leistungsfähigkeit sich auf eine Ruhepause von jeweils einer halben Stunde zurückzuziehen. Dazu komme noch, daß der Hausbesorger, wenn er verhindert sei, seinen Obliegenheiten nachzukommen, auf seine Kosten für eine Vertretung durch eine andere geeignete Person zu sorgen habe (§ 17 Abs 1 HBG). Es sei ihm daher möglich und zumutbar, die fallweise im Winter anfallenden Schneeräumungsarbeiten anderen Personen zu übertragen. Bei extremen Schneefällen sei der Umfang der Schneeräumungs- und Streupflicht durch das Verkehrsbedürfnis und die Zumutbarkeit begrenzt. Im übrigen müsse der Hausbesorger nur insoweit anwesend sein, als es zur Erfüllung seiner Obliegenheit notwendig sei. Vom Erfordernis einer dauernden Bereitschaft könne daher keine Rede sein. Für solche Hausbesorger bestehe auch ein großer Arbeitsmarkt. Da der Kläger noch in der Lage sei, die Tätigkeit eines Hausbesorgers zu verrichten, gelte er nicht als invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Zu Unrecht steht der Kläger auf dem Standpunkt, daß die erforderlichen zusätzlichen Ruhepausen von dreimal eine halbe Stunde täglich den Ausschluß von jeglicher Hausbesorgertätigkeit zur Folge haben würden. Es ist zwar richtig, daß der Oberste Gerichtshof in einer die Tätigkeit einer Hausgehilfin betreffenden Entscheidung (SSV-NF 6/86) ausgeführt hat, medizinisch notwendige zusätzliche Arbeitspausen von zweimal einer halben Stunde täglich würden eine Versicherte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch von der Tätigkeit als Hausgehilfin ausschließen, doch lag diesem Urteil die Feststellung zugrunde, daß zusätzliche Arbeitspausen in einem solchen Ausmaß von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig seien und daß auch eine Hausgehilfin kein freies Ermessen hinsichtlich der Einhaltung von Ruhezeiten habe, da sie gezwungen sei, in einer bestimmten Zeit die aufgetragenen Arbeiten durchzuführen. Anders liegt die Sache im Falle eines Hausbesorgers. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes ist für diese Tätigkeit die weitgehende selbständige Einteilung der Tagesarbeitszeit charakteristisch. Die zu verrichtenden Tätigkeiten setzen auch nicht die Einhaltung einer bestimmten Stundenanzahl pro Tag voraus. Wenngleich dazu Tätigkeiten kommen, die zu bestimmten Tageszeiten zu verrichten sind oder auch keinerlei Aufschub und Unterbrechung dulden wie z.B. das Absichern der Gehsteige durch Streuen im Winter, erlauben doch, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, auch solche Arbeiten die Einhaltung von zusätzlichen halbstündigen Ruhepausen. Daß ein Hausbesorger, der sich die Arbeit weitgehend selbst einteilen kann und auch einen 8-Stunden-Tag nicht streng einhalten muß, nicht dreimal auf eine halbe Stunde von der Arbeit zurückziehen können soll, ist unvorstellbar und steht auch im Widerspruch zu den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen. Auch das Reinigen und Bestreuen von Gehsteigen im Winter setzt im allgemeinen nicht stundenlanges ununterbrochenes Arbeiten voraus, sondern erlaubt die dem Kläger nötigen Arbeitspausen. Auf die im § 17 HBG vorgesehene Vertretung des Hausbesorgers im Falle seiner Verhinderung ist daher nicht näher einzugehen. Die Befürchtung des Revisionswerbers, daß ein Hausbesorger zumindest in der Winterzeit täglich für seine Vertretung zu sorgen hätte, ist daher unbegründet. Schließlich ist offenkundig, daß es auf dem gesamtösterreichischen Arbeitsmarkt jedenfalls mehr als hundert Arbeitsplätze für Hausbesorger gibt, so daß von einem ausreichend großen Arbeitsmarkt gesprochen werden kann (SSV-NF 7/37 mwN).

Da die Tätigkeit eines Hausbesorgers keine solche in einem erlernten oder angelernten Beruf ist (SSV-NF 6/136), hat das Berufungsgericht die Frage der Invalidität des Klägers zutreffend nach § 255 Abs 3 ASVG geprüft und mit Recht verneint.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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