European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:E32645
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der öffentlichen unzüchtigen Handlungen nach § 218 StGB (1./) und demgemäß auch im Strafausspruch (ausgenommen der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben; im Umfang der Aufhebung wird gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Rupert P*wird von der (weiters) gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 20. Jänner 1993 in Wien dadurch, daß er im Hallenbad Floridsdorf in einem Duschabteil onanierte, mithin öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, eine unzüchtige Handlung vorgenommen, er habe hiedurch das Vergehen der öffentlichen unzüchtigen Handlungen nach § 218 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für das ihm weiterhin zur Last fallende Verbrechen der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB wird Rupert P* nach der zuletzt bezeichneten Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 (sieben) Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rupert P* (zu 1.) des Vergehens der öffentlichen unzüchtigen Handlungen nach § 218 StGB und (zu 2.) des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 20. Jänner 1993 in Wien dadurch, daß er
(zu 1.) in einem Duschabteil des Hallenbades Floridsdorf onanierte, mithin öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung öffentliches (richtig: berechtigtes) Ärgernis zu erregen, eine unzüchtige Handlung vorgenommen;
(zu 2.) den * 1980 geborenen Hermann K* aufforderte, ihm "einen zu blasen", wobei er ihm 5.000 S anbot, den Genannten auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen versucht.
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Durchführung eines Lokalaugenscheins in seinen Verteidigungsrechten nicht geschmälert, weil, wie schon das Erstgericht zutreffend erkannte (US 60), dem unter Beweis gestellten Umstand von vorneherein die Eignung fehlte, die Wahrheitsfindung durch zusätzliche Erkenntnisse zu fördern. Daß nämlich der Zeuge K* nach Verlassen des WC‑Abteils angesichts des von ihm geschilderten Zeitbedarfs den Täter nicht mehr sehen, sondern nur "als Schatten" wahrnehmen konnte, wurde vom Erstgericht ohnedies berücksichtigt (US 5). Der Beschwerdeführer läßt jedoch in diesem Zusammenhang außer acht, daß er von diesem Zeugen deshalb eindeutig als Täter identifiziert wurde (54, 55 und 58), weil K* den Angeklagten vorher im Duschraum bzw. bei dem Vorfall im WC‑Abteil von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte (US 6, 7). Unter diesen Umständen aber war durch einen Ortsaugenschein keine entscheidende Änderung der Beweislage zugunsten des Angeklagten zu erwarten.
Die in der Tatsachenrüge (Z 5 a) angeführten Argumente sind nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Dies gilt vor allem für die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Differenzen bei den wiederholten Sachverhaltsschilderungen des Zeugen K*. Abgesehen davon, daß die Angaben dieses Zeugen in der Polizeianzeige und in den nachfolgenden Polizeierhebungen nicht niederschriftlich festgehalten, sondern nur mittelbar in Berichtsform wiedergegeben wurden (13 ff, 21 f), so daß schon aus diesem Grund Abweichungen erklärbar sind, betreffen diese Abweichungen jedenfalls nicht den - stets gleichlautend geschilderten - wesentlichen Kern der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Anschuldigungen.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus Anlaß dieses Rechtsmittels war jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Erstgericht die zu Punkt 1./ des Schuldspruchs angeführte Tathandlung rechtsirrig als Vergehen der öffentlichen unzüchtigen Handlungen nach § 218 StGB beurteilt hat, so daß das Urteil insoweit mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist. Voraussetzung einer nach dem § 218 StGB strafbaren Unzuchtshandlung ist nämlich unter anderem deren öffentliche Begehung. Eine Handlung wird gemäß § 69 StGB aber nur dann öffentlich begangen, wenn sie unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann. Es kommt somit auf die konkrete Wahrnehmbarkeit durch einen größeren Personenkreis an, der erst ab (einem Richtwert von) etwa zehn Personen gegeben ist (siehe dazu Foregger‑Serini, StGB5 Erl I und II, Leukauf‑Steininger Komm3 RN 3 und 5, jeweils zu § 69). Die genannten Voraussetzungen lagen im gegenständlichen Fall nicht vor, hat doch das Erstgericht im Einklang mit den Verfahrensergebnissen ausdrücklich festgestellt, daß sich zum Deliktszeitpunkt nur (der Angeklagte und) der Zeuge K* am Tatort (Duschraum) aufhielten (US 4). Diese ungerügt gebliebene, den vorerwähnten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund begründende Gesetzesverletzung war aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen wahrzunehmen und wie aus dem Spruch ersichtlich zu beheben.
Bei der auf Grund des Teilfreispruchs notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe war kein Umstand erschwerend, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und der Umstand, daß es beim Versuch des Verbrechens geblieben ist. Ausgehend von diesen Strafbemessungstatsachen war eine Freiheitsstrafe im Nahbereich der gesetzlichen Untergrenze, nämlich in der Dauer von sieben Monaten, tatschuldangemessen. Diese Strafe war angesichts des bisher ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten - wie bereits in erster Instanz geschehen - bedingt nachzusehen.
Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
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