OGH 11Os193/93

OGH11Os193/938.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Februar 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann P***** und andere wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Johann P*****, Elke F***** und Markus K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 11.Oktober 1993, GZ 38 Vr 714/93-163, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Elke F***** und Markus K***** wird, jener des Angeklagten K***** teilweise, Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in Ansehung dieser beiden Angeklagten, gemäß § 289 StPO aber auch hinsichtlich des Angeklagten Johann P***** im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB (laut Punkt 1. des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus K***** zurückgewiesen.

III. Der Angeklagte Johann P***** mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und alle drei Angeklagten mit ihren Berufungen werden auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Dem Angeklagten Markus K***** fallen die auf den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann P*****, Elke F***** und Markus K***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB (1.), Markus K***** weiters des Verbrechens der (zu ergänzen: "versuchten" - siehe US 3, 13) Erpressung nach §§ (15), 144 Abs. 1 StGB (2.), Elke F***** und Markus K***** darüber hinaus des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB (3.) und Markus K***** auch noch des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 3 WaffenG (4.) schuldig erkannt.

Darnach haben

1. Johann P*****, Elke F***** und Markus K***** am 27.Februar 1993 in Innsbruck im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter dem Thomas R***** mit Gewalt gegen seine Person, indem sie ihm zahlreiche Schläge ins Gesicht versetzten und ihn "mit einer Spritze" betäubten, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Stereoanlage und einen Videorecorder im Gesamtwert von etwa 8.000 S, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2. Markus K***** allein am 25.Februar 1993 in Kaltenbach den Johannes W***** durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Äußerung, er werde ihn wegen Vergewaltigung der Elke F***** anzeigen, wenn er ihm nicht 500 S gebe, wobei er ein geschlossenes Butterfly-Messer aus der Hosentasche zog, zu einer Handlung (zu ergänzen: die diesen am Vermögen schädigen sollte), nämlich zur Herausgabe von 500 S zu nötigen versucht, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern,

3. Elke F***** und Markus K***** am 25.Februar 1993 in Zell am Ziller im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Johannes W***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß sie ihn Beamten des Gendarmeriepostens Zell am Ziller gegenüber einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des an Elke F***** begangenen Verbrechens der Vergewaltigung falsch verdächtigten, wobei sie wußten, daß die Verdächtigung falsch war;

4. Markus K***** am 25.Februar 1993 in Zell am Ziller ein Butterfly-Messer besessen, obwohl ihm dies nach § 12 WaffenG auf Grund eines Waffenverbotes der Bezirkshauptmannschaft Schwaz verboten war.

Gegen diese Schuldsprüche richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der drei Angeklagten, wobei der Angeklagte P***** die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a und 9 lit. a, die Angeklagte F***** (allein gegen den Schuldspruch wegen Raubes) jene der Z 4 und 5 a und der Angeklagte K***** die Gründe nach Z 4, 5, 5 a, 10 und (hinsichtlich des Strafausspruchs auch Z) 11 des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht.

Schon den gegen das Schuldspruchfaktum 1. (Verbrechen des Raubes) gerichteten Verfahrensrügen (Z 4) der Angeklagten F***** und K***** kommt Berechtigung zu.

Die Angeklagten verantworteten sich übereinstimmend dahin, die Stereoanlage und den Videorecorder nicht geraubt, sondern von Thomas R***** mit schriftlichem Vertrag käuflich erworben zu haben. Im Gegensatz dazu deponierte Thomas R***** in der Hauptverhandlung, nichts unterschrieben zu haben, "auch nicht in benebeltem Zustand" (III 90).

Zutreffend rügen diese beiden Beschwerdeführer, daß durch die Abweisung der von ihren Verteidigern in den Hauptverhandlungen am 27. September und 11.Oktober 1993 gestellten Anträge Verfahrensgrundsätze hintangestellt worden seien, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist.

Dem zunächst in der Hauptverhandlung am 27.September 1993 vom öffentlichen Ankläger und sinngemäß (auch) von den Verteidigern gestellten Antrag auf Einholung des Gutachtens eines Schriftsachverständigen zur Klärung der Frage, ob "die Kaufverträge im Akt Seite 63" (gemeint: der die Raubbeute betreffende, mit Thomas R***** unterfertigte Kaufvertrag - I 63) von Thomas R***** unterschrieben worden sei, wies das Erstgericht mit der Begründung ab, daß "durchaus die Möglichkeit besteht, daß er sie (erkennbar gemeint: die Unterschrift) R***** in benommenem Zustand tätigte" (III 92).

Ersichtlich mit Bezugnahme auf das Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen, wonach Unterschiede in den Schriftbildern von im Wachzustand und in einem Dämmerzustand geleisteten Unterschriften erkennbar sein müßten (III 111), stellten die Verteidiger in der Hauptverhandlung am 11.Oktober 1993 ferner den Antrag auf Einholung des Gutachtens eines "neuen Schriftsachverständigen zur Frage, ob R***** unter dem Einfluß der Spritze noch fähig war, eine im Schriftbild nicht veränderte Unterschrift zu leisten, an die er sich auf Grund des Zustandes nicht mehr erinnern kann" (III 111). Nach dem Sinngehalt dieses Antrags sollte hiedurch der Nachweis erbracht werden, daß die Unterschrift des Zeugen Thomas R***** auf dem in Rede stehenden Kaufvertrag - infolge unveränderten Schriftbildes - "im Wachzustand" geleistet wurde. Die Abweisung des Antrages begründete das Schöffengericht damit, daß "bereits auf Grund des Gutachtens des (gerichtsmedizinischen) Sachverständigen DDr.B***** fest steht, daß der Zeuge R***** den Kaufvertrag im Dämmerzustand, ohne sich daran erinnern zu können, unterfertigt haben kann" (III 112).

Der Sachverständige deponierte jedoch in der Hauptverhandlung am 11. Oktober 1993 lediglich, es sei nicht auszuschließen, "daß R***** sukzessive auf Grund der (ihm verabreichten) Medikamente in den Schlaf fiel und in dieser Zeit noch eine Unterschrift auf den Kaufvertrag setzte, woran er sich heute nicht mehr erinnern kann" (III 110); er ließ somit offen, ob R***** eine Unterschrift allenfalls im Zustand (nicht näher konkretisierter) relevanter psychischer Beeinträchtigung leistete.

Die Begründungen beider Zwischenerkenntnisse erfassen die in untrennbarem Zusammenhang stehenden Beweisanträge nicht und erweisen sich solcherart als nicht sachbezogen. Ein Beweisantrag darf namentlich dann nicht abgewiesen werden, wenn das Beweisthema nicht unerheblich und ein verwertbares Ergebnis der Beweisaufnahme, also eine weitere Klärung des relevanten Sachverhaltes, nicht von vornherein auszuschließen ist (SSt. 13/89, 52/17 uva). Da es bei der gegebenen Sachkonstellation nicht unerheblich ist, ob Thomas R***** den bezeichneten Kaufvertrag unterfertigte und ob seine Unterschrift bejahendenfalls für eine psychische Beeeinträchtigung sprechende Abweichungen von der Normunterschrift aufweist, durfte das Erstgericht den Beweisantrag ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten der Beschwerdeführer nicht abweisen; kann doch nicht ausgeschlossen werden, daß letztlich gerade das mit dem Antrag relevierte Beweisthema für die Annahme der (Mit-)Täterschaft den Ausschlag gab.

Das Urteil ist daher insoweit mit dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (Z 4) behaftet. Diese Nichtigkeit war infolge des untrennbaren Zusammenhanges (§ 289 StPO) auch hinsichtlich des Angeklagten P***** zu beachten, der die Verfahrensrüge nicht ergriffen hat. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde war dieser Angeklagte auf die (partielle) Urteilsaufhebung sowie die Anordnung der diesbezüglichen Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz (§ 285 e StPO) zu verweisen.

Als nicht zielführend erweisen sich hingegen die Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5 a) des Angeklagten Markus K***** in bezug auf die ihm weiters angelasteten Verbrechen der versuchten Erpressung und der Verleumdung (Schuldspruchfakten 2. und 3.).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen (Z 5) bezogen die Tatrichter die Angaben der Angeklagten Elke F***** in der Hauptverhandlung vom 27. September 1993 ohnedies in ihre Überlegungen mit ein, lehnten aber die Verantwortung des Beschwerdeführers, nicht gewußt zu haben, daß sie nicht den Tatsachen entsprachen, mit denkrichtiger Begründung ab (US 13, 14).

Sowohl die Mängelrüge als auch die deren Argumentation wiederholende Tatsachenrüge erschöpfen sich der Sache nach insgesamt in einer Anfechtung der Lösung der Beweisfrage nach Art einer Schuldberufung, die gegen Urteile von Kollegialgerichten nach wie vor nicht zulässig ist.

In der nominell auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Rechtsrüge

räumt der Beschwerdeführer mit Beziehung auf den Schuldspruch wegen

Erpressung (Punkt 2) selbst ein, daß es sich insoweit "nach den

Feststellungen des Erstgerichtes ... nur um eine versuchte Erpressung

handeln kann". Der Umstand aber, daß entgegen der im Urteilsspruch

und in den Entscheidungsgründen vorgenommenen Tatbeurteilung als bloß

versuchte Erpressung ausgeführt wird, "Markus K***** hat ... zu 2.

das Verbrechen der Erpressung nach dem § 144 Abs. 1 StGB, ... begangen", verschlägt daran nichts.

Denn das Normerfordernis des § 260 Abs. 1 Z 2 StPO ist dahin zu verstehen, daß der unter Nichtigkeitssanktion unabdingbare Ausspruch, welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen begründet wird, die Klarstellung des verwirklichten Tatbestandes des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches verlangt, nicht aber (anders als Z 1) ebenso stringent dessen Verwirklichungsstadium (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr 75 a zu § 260). Ein Versehen in der Bezeichnung des Entwicklungsstadiums der im übrigen - wie hier - eindeutig individualisierten und konkretisierten Tat reduziert sich damit auf einen von der gesetzlichen Nichtigkeitssanktion ausdrücklich ausgenommenen Verstoß gegen die Vorschrift des § 260 Abs. 1 Z 4 StPO, wonach das Strafurteil die auf den Angeklagten angewendeten strafgesetzlichen Bestimmungen (vollständig) anzuführen hat.

In Ansehung der Schuldsprüche wegen der Verbrechen der versuchten Erpressung und der Verleumdung war sohin die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus K***** gemäß § 285 d Abs. 1 StPO gleichfalls schon in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die Kassierung des Strafausspruches zu verweisen; dadurch ist auch der Strafbemessungsrüge (Z 11) des Angeklagten K***** der Boden entzogen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte